
Die wichtigsten Mantras und ihre Bedeutung
Mantras sind heilige Silben, Worte oder ganze Sätze, die wiederholt gesprochen, gesungen, geflüstert oder in Gedanken rezitiert werden. Seit Jahrtausenden dienen sie dem Gebet, der Meditation und der Erkenntnis. Als praktische Methode, um den Geist zu stabilisieren und zu beruhigen sind sie bis heute ein wichtiger Teil des Yoga.
Was bedeutet Mantra?
Wörtlich übersetzt bedeutet Mantra: „das, was denjenigen beschützt, der es erhalten hat”, „Schutz des Geistes” oder auch „Werkzeug für den Geist“. Das Wort Mantra stammt aus dem Sanskrit und setzt sich aus den Wörtern Manas (Geist) und tra (Schutz, Technik) zusammen. Traditionellerweise wird ein Mantra von einem/einer Lehrer:in an eine:n Schüler:in gegeben. Wiederholt diese:r sein oder ihr Mantra und ist sich seiner tiefen Bedeutung bewusst, kann die Wirkung des Mantras tief und erfüllend sein.
Viele Mantras werden als Klangformen einer bestimmten Gottheit verstanden. In der tantrischen Lehre ist das Mantra sogar die reinste Ausdrucksform der göttlichen Kraft (Shakti), die sich in Form verschiedener Klänge in der Welt manifestiert.
Im Hinduismus gibt es drei Formen eine Gottheit darzustellen:
- Als dreidimensionale Bildgestalt (Murti),
- als zweidimensionale geometrische Figur (Yantra)
- und als eindimensionale Klangschwingung (Mantra).
Ein Mantra ist also ein Klangkörper, der eine göttliche Kraft in sich trägt. Durch die laute, flüsternde oder gedankliche Wiederholung der Klangschwingung wird ihre Kraft in uns lebendig und erfahrbar.
Wenn wir beispielsweise ein Mantra der Göttin Durga rezitieren oder singen, verbinden wir uns mit den Qualitäten von Durga (Schutz, innere Stärke, Mütterlichkeit) und rufen sie in uns wach. Mantra ist somit die praktische Verwendung von Klang, um das Bewusstsein und unsere Energie zu beeinflussen.
Woraus besteht ein Mantra?
Mantras können aus einer einzigen Silbe bestehen (wie das Mantra OM), aber auch so komplex und lang sein wie eine ganze Schrift. Unabhängig von der Länge ist ein Mantra ein Klang, der wiederholt wird, um den Geist zu fokussieren und die Frequenz unserer Gedanken und damit unserer Erfahrung zu verändern.
Viele Mantras sind eher eine Aneinanderreihung von Lauten – zum Beispiel ‚Om hūm śrīm‘ – als eine übersetzbare Sinneinheit. Besonders im Sanskrit kann jede einzelne Silbe vielfältige Bedeutungen haben. Das macht es auch so komplex, Mantras in unsere Sprache zu übersetzen. Gleichzeitig öffnet es uns den Spielraum, die Bedeutung über ein gefühltes Erleben zu ergründen, anstatt bloß eine Information über unseren Verstand aufzunehmen.
Häufig enthalten Mantras Lobpreisungen bzw. Anrufungen an verschiedene Göttheiten und magische Sprüche, die uns bei den Herausforderungen des täglichen Lebens wie Krankheiten, finanzielle Not oder Konflikten unterstützen sollen.
Laut den Veden ist die Schöpfung aus einem Urknall entstanden und die Urenergie manifestierte sich in unzähligen Klangformen. Alles, was ist – egal ob Mensch, Tier oder Natur – schwingt also auf seine ganz eigene Weise. Auch wenn wir den Ton nicht immer hören können – die Klangschwingungen lassen sich bis auf den Molekularbereich zurückverfolgen.
Ursprung und Geschichte der Mantras
Soweit wir wissen gibt es die Wissenschaft der Mantras in Indien seit mindestens 3.000 Jahren. In dieser Zeit haben sich mehrere Mantrawege parallel entwickelt und eine große Vielfalt an Mantraformen und -melodien hervorgebracht. Als bedeutsamste Mantrawege gelten der hinduistische Weg des Mantra-Yoga und der buddhistische Weg des Mantrayana.
Viele Mantras haben Ursprung in den vedischen Texten und Versen. „Veda“ bedeutet Wissen und die Veden sind die älteste Sammlung von Texten aus Indien, die wir heute kennen. In ihnen ist das über Jahrhunderte gesammelte Wissen zusammengefasst, das von den Weisen (Rishis) in tiefer Meditation empfangen wurde. Lange Zeit gaben sie es nur mündlich weiter in Form der sogenannten vedischen Gesänge.
In den Veden wird den Mantras die Kraft zugeschrieben, mit der Welt der Götter in Verbindung zu treten – zum Beispiel mit Surya, dem Gott der Sonne und des Lichts. Zur Zeit der Upanishaden (ab etwa 800 v. Chr.) wurden Mantras vor allem dazu benutzt, den Geist zu beruhigen und in meditative Bewusstseinszustände zu gelangen, die Selbsterkenntnis ermöglichen.
„Ebenso wie eine Spinne an ihrem Faden aufsteigt und in den freien Raum gelangt,
ebenso steigt der Meditierende mit der Silbe OM auf und erlangt die vollkommene Freiheit“.
Maitri Upanishad - VI,22
Im Yoga-Sutra von Patanjali heißt es, dass wir mit der steten Wiederholung des OM in Verbindung mit dem Göttlichen kommen, also mit der Quelle des reinen Seins.
Im Hatha Yoga (ab dem 6. Jahrhundert n. Chr.) wurde eine ganz eigene Wissenschaft des Klangs entwickelt, die das „Lauschen auf den inneren Klang“ (Nada Yoga) genannt wird. Durch dieses feine nach innen Hören wird der Geist so stabil und ruhig, dass er schließlich vollkommen still werden kann.
Wie wirken Mantras?
Jedes Wort und jeder Klang trägt in sich eine Kraft (Shakti): Wenn du jetzt an eine Banane denkst, spürst du ihre Süße in deinem Mund. Wenn jemand plötzlich ruft: „Spinne!”, dann schrecken wir auf und suchen sie mit unseren Augen.
Die Klangfrequenz von Mantras bringt ebenso etwas in uns zum Schwingen – selbst wenn wir ihre Wortbedeutung nicht kennen. So erfahren wir ihre Wirkung.
Um Mantras zu singen oder zu rezitieren, musst du also kein Sanskrit studiert haben. Natürlich können wir ihre Bedeutung kontemplieren, doch die Wirkung entfaltet sich vor allem wenn wir uns der Klangerfahrung und der Vibration der Worte hingeben. Wenn wir uns dafür öffnen, geht unser Körper in Resonanz und kann heilsame Gefühle wie Freude, Stärke, Frieden, Mitgefühl oder Liebe erfahren. Auf den Wegen der Selbsterkenntnis und Selbstentfaltung führen uns Mantras immer geradewegs ins Herz.
Was sagt die Hirnforschung?
Die Wirkung von Mantras ist mittlerweile auch wissenschaftlich gut erforscht. Verschiedene Hirnforscher stellten fest, dass durch den Rhythmus und die Wiederholung des Mantras die üblichen unruhigen Gehirnwellenmuster gleichmäßiger werden und die Gehirnaktivität beruhigt wird. Wenn wir mindestens 15 Minuten Mantras tönen, dann produziert das Gehirn ähnliche Aktivitätsmuster wie im „Flow“-Zustand, wo wir mühelos und fokussiert in eine Sache vertieft sind. Je mehr wir uns dem Gefühl hingeben und Gedanken wie „Spreche ich die Worte richtig? Treffe ich den Ton?“ loslassen, umso mehr gelangen wir in diesen meditativen Zustand. Mit der Zeit werden wir immer feinfühliger für die Wirkung, die unterschiedliche Mantras in uns auslösen.
Nach dem Tönen oder Singen nehmen wir unseren Geist oft als ruhig und klar wahr, weil die Klangschwingung das vegetative Nervensystem ausgleicht und angesammelte Spannung gelöst werden konnte. Das ist ein Grund, warum es sinnvoll ist, Mantras auch gezielt im Alltag anzuwenden, besonders dann, wenn wir geistig stark gefordert sind.
Swami Sivananda hat es auf den Punkt gebracht:
„Ein Gramm Praxis wiegt mehr als eine Tonne Theorie.”
Welche Arten von Mantras gibt es?
Bija Mantras (Keimsilben)
Bijas sind Mantras in Form einer einzigen Silbe. Bija bedeutet Samen. So wie ein Samenkorn das Potenzial der vollständigen Pflanze in sich trägt, so trägt jede Keimsilbe die vollständige Kraft einer bestimmten Energiequalität oder Gottheit in sich. Durch die Klangschwingung erwecken wir dieses in uns ruhende Potenzial zum Leben und stärken innere Qualitäten wie Güte, Fürsorge, Fülle oder Leichtigkeit.
Bija-Mantras korrespondieren auch mit den Chakren, Energiezentren unseres Körpers. Hier helfen die Schwingungen der Bijas, selbst tiefsitzende und hartnäckige Blockierungen allmählich aufzulösen, sodass die Lebens- und Bewusstseinskraft – im Yoga Prana genannt – uns wieder vollkommen durchströmen kann.
- OM Bija für das das Universelle, Unvergängliche, Unbeschreibliche
- Lam Bija des Muladhara Chakra (Erdung, Urvertrauen)
- Vam Bija des Svadhisthana Chakra (kreative Schöpferkraft, Sinnlichkeit)
- Shrim Bija der Göttin Lakshmi (Fülle, Schönheit, Wohlbefinden)
- Hrim Bija für Shiva (Befreiung von Illusionen) und der Sonnenenergie
- Klim Bija der Göttin Kali (Veränderung, Auflösung von Täuschungen)
Wie du siehst, gibt es Bija-Mantras, die zu den Chakren gehören. Sie können uns mit spezifischen Energiezentren im Körper verbinden. Eine kraftvolle Praxis mit Bija-Mantras besteht darin, diese in der Reihenfolge der Chakren zu rezitieren – beginnend beim Wurzelchakra (Muladhara) und aufsteigend bis zum Kronenchakra (Sahasrara).
- Lam – Muladhara-Chakra (Wurzelchakra)
- Vam – Svadisthana-Chakra (Sakralchakra)
- Ram – Manipura-Chakra (Solarplexus-Chakra)
- Yam – Anahata-Chakra (Herzchakra)
- Ham – Vishuddha-Chakra (Kehlchakra)
- Sham – Ajna-Chakra (Drittes Auge/Stirnchakra)
- Om – Sahasrara-Chakra (Kronenchakra)
Diese Praxis unterstützt dabei, die Energie harmonisch durch den Körper aufsteigen zu lassen.
Hinduistische Mantras
Im Hinduismus und in der tantrischen Philosophie werden die Kräfte von Shiva und Shakti durch eine Vielzahl von Göttern und Göttinnen verkörpert. Mantras als Klangform des Göttlichen sind ein wesentlicher Bestandteil der tantrischen Yogapraxis und der direkteste Weg, um uns mit ihren Qualitäten zu verbinden.
In dieser Tradition werden Mantras als Werkzeug genutzt, durch das wir das Göttliche in uns selbst wieder erkennen. Wenn wir sie singen oder kontinuierlich murmeln (Japa), bitten wir also nicht um etwas, das uns vermeintlich noch fehlt, sondern öffnen uns der Liebe, der Freude und des Friedens, die schon immer in uns wohnen.
Der Hinduismus ist – entgegen einem im Westen weitverbreiteten Missverständnis – keine Religion, sondern eine Zusammenschau unterschiedlicher Glaubensrichtungen wie Shivaismus, Vishnuismus und anderen. Das, was alle diese Glaubensrichtungen eint, ist die Ansicht, dass es jenseits unserer Welt der Phänomene etwas gibt, was alles durchdringt und damit zusammenhält: Das ist das Absolute, das Eine, auch Brahman genannt.
Dieses Eine zeigt sich in der äußeren Welt als eine unüberschaubare Vielfalt, symbolisiert durch die unüberschaubare Vielfalt der indischen Götterwelt. In dieser Vielfalt kann jeder Mensch etwas finden, was ihn persönlich anspricht und berührt. Es heißt, wer sich berühren lässt, erfährt das Göttliche.
Dementsprechend wurden unzählig viele Mantras erschaffen, deren Zweck nur darin besteht, die Menschen zu berühren und ihnen den Zugang zu dem Einen, das hinter all der Vielfalt steht, zu eröffnen. Alle Menschen, die dem Hinduismus verbunden sind, glauben, dass durch die spezielle Schwingung eines Mantras genau der Aspekt des großen Ganzen erfahren werden kann, der einen Menschen dazu bringt, sich mit der Schwingung des Einen, des Brahman, zu verbinden. Sie glauben, dass dadurch die individuelle Seele mit der absoluten (oder kosmischen) Seele in Einklang kommt und der Mensch Einheit erfahren kann.
Der Gebrauch der Mantras in den Upanishaden
Die Upanishaden entstanden am Ende der vedischen Zeit ab ca. 600 v. Chr. Genau wie die Veden gelten auch sie als geoffenbartes Wissen, das bis heute als ewig gültig, zeitlos und unzerstörbar – und damit auch als nicht hinterfragbar – angesehen wird. Die Upanishaden sind Weisheitsschriften, die den Menschen helfen sollen, ihren innersten Wesenskern zu erkennen. Die tiefsten Erkenntnisse der Upanishaden wurden in sogenannten „bedeutenden Lehrsätzen“ (mahavakyas) zusammengefasst. Das bekannteste Mahavakya ist „Tat tvam asi – Das bist du“. Tat (das) bezeichnet das Absolute, das vollkommene und grenzenlose allumfassende Bewusstsein, die kosmische Seele, und tvam asi bezeichnet den Menschen, sein individuelles Bewusstsein und seine individuelle Seele. Dieser Satz soll wie ein Mantra unablässig gemurmelt werden, bis der Geist des Übenden völlig von dieser Aussage durchdrungen ist und das Verstehen aufleuchtet, dass das Absolute und jeder einzelne Mensch nur ein unterschiedlicher Ausdruck der einen Wahrheit und der einen Wirklichkeit sind. Das Mahavakya in Form eines Mantras ermöglicht dem Übenden die Erfahrung von advaita, der Nicht-Zweiheit, und damit der Einheit.
Die Entfaltung der Mantra-Wissenschaft im Tantrismus
Der Tantrismus entstand ab etwa 600 n. Chr. vor allem in Kaschmir. Seine Weltsicht wurde die Grundlage für viele Lehrtraditionen des Yoga, zum Beispiel für den Hatha Yoga. Die tantrische Weltsicht besagt, dass am Beginn allen Seins die göttliche Schöpfungskraft (Shakti) zuerst einen Klang erschuf, aus dem heraus sich dann alles andere entfaltete. Viele tantrische Schulen sagen deswegen, dass die Welt im Grunde Klang und Schwingung ist und dass wir uns in der Erfahrung des Klangs mit dem Pulsieren und Schwingen verbinden können, das auch nach aktuellen physikalischen Erkenntnissen der Urgrund aller Materie ist. Im Tantrismus geht es dabei weniger um den äußeren Klang, der von Instrumenten oder Stimmen erschaffen wird, als vielmehr um die Erfahrung des inneren Klangs, der im ständigen Pulsieren der Energie im Raum immer da ist.
Im Tantra werden jeder Gottheit ganz bestimmte Mantras zugeordnet, von denen es heißt, dass sie die Energie des jeweiligen Aspekts des einen großen Göttlichen (Brahman) in uns zum Schwingen und damit zur Entfaltung bringen. So verbindet man sich sowohl tönend als auch lauschend ganz tief mit der Kraft – der Shakti – des Göttlichen und wird zum Gefäß beziehungsweise Instrument, über das sich die göttliche Energie auszudrücken vermag.
Bekannte hinduistische Mantras
- Om Tryambakam Heilung, Segenswünsche, Schutz auf Reisen
- Gayatri Inneres Licht
- Ganesha Sharenam Neuanfänge, Überwindung von Hindernissen
- Om Asato Ma Erkenntnis der Wirklichkeit unseres Seins
- Lokah Samstah Segensspruch für Mitgefühl
- Maha Mantra (Hare Krishna) Reinheit, Klarheit und Lebenskraft
Buddhistische Mantras
Im Buddhismus geht es vor allem um die Transformation der Geistesgifte Unwissenheit, Hass, Stolz, Begehren und Neid. Durch Mantra-Rezitation und Visualisierung soll der Geist von diesen negativen Kräften befreit werden, damit wir ein rechtschaffenes Leben führen können.
Buddhas Lehren wurden auf der Grundlage der mündlichen Überlieferung seiner Schüler etwa 100 Jahre nach seinem Tod im Pali-Kanon und erst viel später in Sanskrit aufgezeichnet. Mantras hielten ihren Einzug in die buddhistische Praxis erst etwa 1200 Jahre nach Buddhas Tod.
Über die Jahrhunderte entfaltete sich eine reiche buddhistische Bilderwelt, vor allem in Tibet. Verschiedenen Buddhas werden spezielle Attribute und Energien sowie Mandalas zugeordnet. Jeder Buddha oder Bodhisattva ebenso wie jede tantrische Gottheit erhält ein eigenes Mantra und meist auch eine Keimsilbe (Bija). Wer sie singt oder rezitiert, verbindet sich direkt mit erleuchteten Qualitäten und holt deren Kraft und Inspiration ins Leben. Einen Höhepunkt hatte diese Entwicklung im 8. Jahrhundert, als der sagenumwobene Padmasambhava – ein tantrischer Lehrer, Autor des berühmten Tibetischen Totenbuchs – zusammen mit indischen Gelehrten den Buddhismus in Tibet etablierte. Es entsteht der Vajrayana-Buddhismus, auch Mantrayana genannt, das sogenannte Diamantfahrzeug, in dem die Mantra-Rezitation einen hohen Rang einnimmt.
Buddhistische Mantras vermitteln also den Weisheitsgeist der Lehre des historischen Buddhas Shakyamuni oder repräsentieren erleuchtete Qualitäten, die einzelnen friedvollen oder zornvollen Gottheiten zugeordnet werden.
„Das Üben mit Mantras und Visualisierungen dient daher auch
der Vorbereitung des Bewusstseins auf Sterben, Tod und Wiedergeburt.”
Anna Trökes
Bekannte buddhistische Mantras
- Om Mani Padme Hum unendliches Mitgefühl und liebevolle Güte
- Om Tare Tuttare Ture Soha Anrufung der grünen Tara für Heilung und Weisheit
- Om Namo Amithabaya grenzenloses Licht und Mitgefühl
- Om Ah Hum Segnung von Menschen, Tieren, Orten und Dingen
Kundalini Mantras
Die meisten Kundalini Yoga Mantras stammen aus den heiligen Sikh Schriften (Siri Guru Granth Sahib), die in Sant Bhasha, einer traditionellen, poetischen Sprache des indischen Subkontinents verfasst sind. In dieser Tradition werden Mantras als Klangströme gesehen, die die Muster unseres Egos durchbrechen und uns offenbahren, wer wir wirklich sind.
- Ong Namo Guru Dev Namo Anrufung der schöpferischen Energie
- Ad Guray Nameh Schutz und Anziehung von Glück
- Ek Ong Kar Vereinigung mit der ultimativen kosmischen Realität
- Ra Ma Da Sa Heilung und Ausgeglichenheit
- Sat Nam Erkenntnis der wahren Identität
- Wahe Guru Ekstase, Freude und Weisheit
Weitere Mantras aus aller Welt
- Hallelujah (hebräisch = Lobet den Herrn)
- Ho‘oponopono (Hawaiianisches Vergebungs-Ritual)
- Salve Regina (Gruß an Maria, die Himmelskönigin)
- Ave Maris Stella (gregorianischer Marienchoral)
Wie finde ich mein Mantra und wo fange ich an?
Traditionellerweise gibt es eine Initiation, in der die/der Praktizierende ein ausgewähltes Mantra von seinem/r Lehrer:in empfängt. Praktizierende üben dann häufig ein Leben lang mit diesem Mantra und ergründen in täglicher Meditation seine tiefe Bedeutung und Wirkung.
Du kannst dich aber auch selbst auf die Suche machen. Höre dir verschiedene Mantras an und du wirst merken, dass dir manche Melodien und Worte direkt ins Herz gehen. Lasse dich von deinem Gefühl leiten und wähle ein Mantra aus, um es über mehrere Wochen oder auch Monate lang täglich zu rezitieren oder zu singen. So wird es zu deiner persönlichen Kraftquelle, die dich überallhin begleitet und jederzeit für dich da ist.
Im Folgenden haben wir einige der bekanntesten und wichtigsten Mantras etwas ausführlicher für dich beschrieben.
1. OM-Mantra ॐ
Om ist das bekannteste und wichtigste Mantra im Yoga und wird schon seit Jahrtausenden im Buddhismus und Hinduismus verwendet. Die heilige Silbe setzt sich aus den drei Buchstaben AUM zusammen und repräsentiert so die Dreieinigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft oder der drei Hauptgötter im Hinduismus, Vishnu, Shiva und Brahma.
Sehr viele Mantras beginnen mit dem OM, weil darin alle Klangformen und -frequenzen enthalten sind. Es gilt deshalb als das Ur-Mantra, der Ur-Klang. Nicht ohne Grund werden also die meisten Yogastunden mit dem OM begonnen und auch wieder beendet.
Es heißt, dass wenn wir uns ganz in das Tönen des OM versenken, wir dadurch zum Ursprung und zur Quelle allen Seins zurückfinden. Dort, an dieser Quelle, sind wir noch unbeschadet von den Ereignissen des Lebens. Dort sind wir frisch, offen und unbesorgt. Das OM ist der Laut, der uns immer wieder in den Zustand unserer wahren, unverfälschten Natur zurückbringen kann.
In diesem Video führt dich Nina Heitmann durch eine AUM-Meditation, die von einer speziell hierfür komponierten Musik in 432 Hertz begleitet wird:
2. Lokah Samastah Sukhino Bhavantu
Lokah Samastah Sukhino Bhavantu ist ein Mangala Mantra aus der Rig Veda. Übersetzt bedeutet der Segensspruch so viel wie „Mögen alle Lebewesen in allen Welten glücklich und frei sein“. Es soll uns daran erinnern, dass wir alle miteinander verbunden sind. Glück und Harmonie erfahren wir also nur dann, wenn wir unser Herz öffnen und mitfühlend mit anderen Lebewesen umgehen.
Chante das Mantra lokāḥ samastāḥ sukhino bhavantu zusammen mit Moritz Ulrich:
3. Ganesha Mantra: Om Gam Ganapataye Namaha
Ganesha ist in Indien sehr beliebt und sein Mantra wird in verschiedenen Varianten für jede Art von Neubeginn gesungen. Es soll uns Mut, Beharrlichkeit und Glück spenden, um die Hindernisse auf unserem Weg überwinden zu können. Durch die Worte erinnern wir uns, dass das Leben ein Fluss ständiger Veränderung ist – voller Neuanfänge, Wahlmöglichkeiten und Gelegenheiten.
4. Om Tryambakam
Ein sehr bekanntes Mantra aus dem Rig Veda. Swami Sivananda nennt es das große Leben spendende und befreiende Mantra. Es wird für gute Wünsche zu Geburtstagen gesungen, zum Schutz auf Reisen und auch für kürzlich Verstorbene, damit sie gut ins Jenseits gelangen. Mit dem Dreiäugigen ist Shiva gemeint, dessen drittes Auge die höhere Erkenntnis des unvergänglichen (unsterblichen) inneren Lichtes symbolisiert.
Om Tryambakam Yajāmahe
Sugandhim Pushtivardhanam
Urvārukamiva Bandhanān
Mrityor Mukshīya Māamritāt
Om, wir verehren den Dreiäugigen,
den wohlduftenden, der Wohlergehen schenkt.
Möge er uns die Kraft geben,
uns von den Fesseln der Sterblichkeit zu lösen
wie eine Gurke von ihrem Stängel gelöst wird.
5. Om Tare Tuttare Ture Soha
Dieses Mantra ist eine Anrufung der grünen Tara, die im tibetischen Buddhismus sehr verehrt wird. Ihr Name bedeutet „Retterin/Befreierin“ und sie verkörpert Güte und Mitgefühl. Wörtlich übersetzt bedeutet es in etwa „Ich bitte dich, Tara, du geschwinde Retterin, mich zu befreien“. In der Sanskrit Version endet es mit der Silbe „Svaha“ und in der tibetischen mit „Soha“, was beides soviel wie Segen oder Wohlergehen bedeutet.
6. Avalokiteshvara-Mantra: Om Mani Padme Hum
Es heißt, dass buddhistische Kinder die Worte dieses Mantras als die ersten Worte überhaupt lernen (neben dem Wort Mama) – so bekannt und häufig angewendet ist es. Mit dem Rezitieren rufen wir den Buddha des Mitgefühls, den vollkommen erleuchteten Avalokiteshvara, an, der uns vom Leiden befreien und zur Erleuchtung führen soll. Wörtlich übersetzt bedeutet es soviel wie „Juwel im Lotus“.
7. Gayatri-Mantra
Das Gayatri-Mantra ist eines der wichtigsten im Hinduismus und ist eine Anrufung des äußeren Lichts, des Sonnenlichts, als Widerspiegelung unseres inneren Lichts.
„Die ersten Zeilen stammen aus dem Yajur-Veda und der Rest aus Vers 3.62.10 des Rig-Veda. Das Mantra taucht aber auch in den Upanishaden und in der Bhagavad-Gita auf, wo Krishna sich selber als Gayatri bezeichnet (10.35). Der mystische Gruß an die Sonne steht für das Sein, soll die spirituelle Energie stärken und Unreinheiten des Geistes eliminieren.”
Dr. Ronald Steiner
OM bhur bhuvah svaha
tat savitur varenyam
bhargo devasya dhimahi
dhiyo yo nah pracodayat OM
OM – Wir meditieren über den Glanz des verehrungswürdigen Göttlichen,
den Urgrund der drei Welten: Erde, Luftraum und himmlische Regionen.
Möge das höchste Göttliche uns erleuchten,
auf dass wir die höchste Wahrheit erkennen. OM.
[[yogavideo https://www.yogaeasy.de/videos/gayatri-mantra-die-vedische-anrufung-des-inneren-lichts]]
8. Om Asato Ma
Ein beliebtes Mantra aus der Brihadaranyaka-Upanishad, das uns erinnern soll, dass all unsere Probleme und Schwierigkeiten letztlich daher kommen, dass wir die wahre Wirklichkeit nicht sehen. Es kann uns beim Lösen dieser Probleme und beim Übergang in neue Lebensabschnitte unterstützen.
Om Asato Ma Sad Gamaya
Tamaso Ma Jyotir Gamaya
Mrityor Ma Amritam Gamaya
Von der Verblendung zur Wirklichkeit führe mich,
von der Dunkelheit ins Licht führe mich,
vom Tod ins ewige Leben führe mich.
9. Ashtanga-Yoga-Mantra
Das Ashtanga-Yoga-Mantra ist eine Invokation beziehungsweise Anrufung Gottes, die zu Beginn jeder Ashtanga-Yogastunde rezitiert wird, um sich voller Dankbarkeit an die jahrtausendealte Tradition zu erinnern. Vor allem gilt die Ehrerweisung dem indischen Gelehrten Patanjali, Verfasser des Yoga Sutra und ausschlaggebender Wegbereiter vieler Yoga-Traditionen. Durch die Rezitation wird auch die Verehrung der großen Lehrer vergangener Generationen wie Pattabhi Jois und Krishnamacharya zum Ausdruck gebracht.
aum vande gurūṇāṁ caraṇāravinde
sandarśita svātma sukhāva bodhe
niḥ-śreyase jaṅgali-kāyamāne
saṁsāra hālāhala mohaśāṁtyai
ābāhu puruṣākāraṁ
śaṁkhacakrāsi dhāriṇam
sahasra śirasaṁ śvetaṁ
praṇamāmi patañjalim aum
om, ich verneige mich vor den Lotusfüßen der Lehrmeister,
die das freudvolle Wissen über das eigene Selbst enthüllen,
ein völliges Wohlergehen bringender Dschungel-Schamane.
Er heilt das schrecklichste Gift von Samsara.
Der Oberkörper von menschlicher Gestalt,
ein Muschelhorn (Urklang), einen Diskus (Unendlichkeit)
und ein Schwert (Unterscheidungskraft) tragend,
1000 strahlende Köpfe habend,
vor Patanjali verneige ich mich. Om.
Übersetzung von Dr. Ronald Steiner
10. Anusara-Invokation
Der Gründer des Anusara Yoga John Friend hat nach eigenen Angaben das Mantra von der Meisterin Gurumayi Chidvilasananda empfangen. Es wird zu Beginn jeder Anusara-Yogastunde dreimal rezitiert, um die göttliche Energie und den universellen Geist anzuerkennen.
Om Namah Shivaya Gurave
Saccidananda Murtaye
Nischprapanchaya Shantaya
Niralambaya Tejase
Ich verneige mich vor dem Licht, dem Guten in mir, dem wahren Lehrer.
Diese innere Essenz ist Wahrheit, Bewusstsein und Glück zugleich,
immer da und erfüllt von Frieden.
Ist von Natur aus frei und strahlt in einem überirdischen Glanz – unfassbar.
Mantra Praxis im Alltag
Vielleicht hast du dich bisher nicht getraut, Mantras laut zu singen. Oft hält uns die Angst zurück, etwas falsch zu machen, die Sanskrit Worte nicht richtig auszusprechen oder nicht schön singen zu können.
Gerade wenn wir diese Ängste und Glaubenssätze schon länger mit uns herumtragen, kann die Mantrapraxis sehr heilsam sein. Sie kann uns von dem Anspruch befreien, bühnenreif sein zu müssen, um unserer Stimme Raum geben zu dürfen. Bei der Mantrapraxis geht es aber vor allem um die Hingabe und nicht darum, besonders schön zu singen oder gar zu performen.
Wenn du also ein Mantra gefunden hast, das dich inspiriert, dann erkunde, welche Gefühle in dir aktiviert werden, wenn du es laut oder im Stillen wiederholst. Du solltest bei diesem Mantra eine Weile bleiben, mit ihm üben und es am besten auch mit Visualisierungen verbinden. Das kann auf deiner Yogamatte sein, im Bett vor dem Schlafen oder du nimmst es als Japa (lautloses Murmeln) mit in deinen Alltag. Je nach Situation, Stimmung und Energielevel kann dasselbe Mantra unterschiedlich wirken. Bleibe neugierig und offen für diese Erfahrungen.
Du kannst deine Mantrarezitation mit Wünschen oder mit einer Bitte um Hilfe verbinden, die du vorab formulierst. Nimm dir danach einige Minuten Zeit, ohne Erwartung in die Stille zu lauschen. Du wirst staunen, wie oft Erkenntnisse und Eingebungen scheinbar aus dem Nichts zu dir kommen, wie sich innere Knoten lösen und neue Blickwinkel auf Probleme entstehen.
Traditionell werden viele Mantras 108 mal rezitiert, weil diese Zahl in Indien und darüber hinaus als heilig gilt. Dazu wird die Mala-Kette verwendet, die genau 108 Perlen hat. Indem du die Perlen durch Daumen und Zeigefinger gleiten lässt, bekommt dein Geist über die Berührung einen zusätzlichen Fokus.
Wenn du dich mit dem Singen für dich alleine etwas vertraut gemacht hast, könntest du das Singen in Gemeinschaft bei einem Singkreis ausprobieren. Viele Yogastudios organisieren Mantra Singkreise und Kirtans. Dabei werden Mantras gemeinsam gesungen, meist in Form eines längeren Wechselgesangs, bei dem der/die Lehrer:in eine Zeile eines Mantras vorsingt und die Gruppe sie nachsingt. Die Melodien sind oft sehr einfach, sodass du schnell mit einstimmen kannst.
Das Mantra öffnet auch die Wahrnehmung für die schönen Dinge. Rezitiere dein Mantra während eines Spaziergangs und bleibe dabei ganz wach und präsent. Vielleicht erlebst du die Natur oder Gewohntes neu. Im Ayurveda heißt es, dass die positiven Schwingungen auf die Nahrung übergehen, wenn wir beim Kochen Mantras singen.
Mantras und Visualisierung
Wenn wir unsere Mantra-Praxis mit Visualisierung kombinieren, können wir den positiven Einfluss auf unser körperliches und seelisches Wohlbefinden noch verstärken. Es gibt Bilder, die den Geist weit, frei und ruhig werden lassen, und andere, die ihn eng machen und belasten. Indem du innere Bilder wie zum Beispiel nährendes Sonnenlicht nutzt, verknüpft dein limbisches System die Klangerfahrung mit wohligen Gefühlen, die dich insgesamt zuversichtlicher stimmen können.
Dazu braucht es nichts weiter als ein Mantra und deine Vorstellungskraft. Je regelmäßiger du dir diese Zeit nimmst, umso leichter kannst du die positive Stimmung auch in deinem restlichen Alltag beibehalten. Dann triffst du deine Entscheidungen aus dem Herzen und gestaltest dein Leben mehr von einem Ort des Urvertrauens.
Mantras auf Spotify: Tipps aus der Redaktion
Die Mantra-Playlist von YogaEasy
In unserer Spotify-Playlist findest du eine Zusammenstellung der schönsten Mantras. Speichere sie dir ab und chante mit!
Der Mantra Podcast von Johanna Hector
Mit persönlichen Geschichten und Erfahrungen möchte dich „Der Mantra Podcast“ mit Johanna Hector inspirieren und dir zeigen, wie kraftvoll und magisch Mantras ihre Wirkung im Leben entfalten können. Du wirst die vielfältige Bedeutung, Wirkung und Klänge unterschiedlicher Mantras kennenlernen. Den Mantra Podcast gibt es auf Spotify, Apple Podcasts und YouTube.