Yoga nach einem Bandscheibenvorfall

Von Lilla N. Wuttich und Dana Pukowski

Ein Bandscheibenvorfall ist – auch wenn der Name es suggeriert – selten ein „Vorfall.” Stattdessen handelt es sich im Regelfall um eine degenerative Erkrankung unserer Wirbelsäule mit langer Vorgeschichte. Das Wichtigste vorab:

10 Tipps für Yoga nach einem Bandscheibenvorfall: 

  1. Schone dich in der Akutphase unbedingt, aber werde nicht komplett inaktiv. Der Faserknorpelring der Bandscheibe benötigt einen adäquaten Reiz zur Regeneration. Kleine, kontrollierte Bewegungen verbessern den Stoffwechsel und unterstützen das Immunsystem dabei, die Entzündung zu lindern. 
  2. Erkenne Fehlhaltungen und erarbeite neue gesunde Bewegungsmuster, um einem erneuten Bandscheibenvorfall vorzubeugen. 
  3. Sobald es das ärztliche Go gibt, beginne mit sanften Yoga-Übungen und beobachte deinen Körper: Ist nach deiner Yogapraxis alles in Ordnung ist, kannst du damit weitermachen und die Belastung schrittweise erhöhen. 
  4. Wenn du nach dem Yoga Schmerzen spürst, schau genau hin, was sie ausgelöst haben könnte: Eine falsche Ausrichtung, zu hohe Intensität? Passe deine Yoga-Praxis entsprechend an. 
  5. Sei achtsam bei Vorbeugen, Rückbeugen, Seitneigungen und Hüftbeugungen. Sie sind generell möglich, aber je nach Bandscheibenvorfall (s.o.) solltest du hier sehr behutsam praktizieren. Arbeite immer in die Richtung des Bandscheibenvorfalls, um die Fehlhaltung auszugleichen. Vermeide Übungen, die die Bandscheibe weiter nach außen drücken. 
  6. Zum Start findest du bei YogaEasy tolle Praxis-Videos mit unserem Experten Dr. Ronald Steiner mit Yoga-Übungen bei einem Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule und einer allgemeinen Übungspraxis bei Bandscheibenvorfällen.
  7. Schütze die Bandscheiben im Yoga, indem du Vorbeugen mit langem geraden Rücken praktizierst und Twists mit langer Wirbelsäule ausführst. 
  8. Achte in Rückbeugen darauf, keine Kompression im unteren Rücken zu erzeugen, sondern diesen durch Verbesserung der Beweglichkeit der Brustwirbelsäule und genaue Beckenausrichtung zu entlasten. Vermeide es, ins Hohlkreuz zu gehen!
  9. Vermeide bei einem Bandscheibenvofall in der Halswirbelsäule Übungen, die das Gewicht auf den Nacken verteilen und richte den Kopf achtsam über deinem Hals aus.
  10. Aktiviere deine Bandhas (simpel gesagt: Ziehe den Bauch nach innen und spanne den Beckenboden an.)

Die Struktur der Wirbelsäule

Bandscheiben sind intelligente Stoßdämpfer zwischen unseren Wirbelkörpern. Sie federn enorme Erschütterungen ab und machen uns flexibel. Bei einem Bandscheibenvorfall verlassen Teile deiner Bandscheibe ihre Position und treten in den Wirbelkanal. Dort liegt dein Rückenmark.

Klingt ernst – und kann es auch sein: Je nach konkreter Sachlage kann ein Bandscheibenvorfall kritisch oder keine große Sache, unbemerkt oder schmerzhaft sein. In jedem Fall ist er nicht heilbar – und trotzdem in seiner Symptomatik nur temporär.

Um besser zu verstehen, was bei einem Bandscheibenvorfall genau passiert und was du beim Yoga unbedingt beachten solltest, schauen wir uns die Struktur der Wirbelsäule, die Bandscheibe und den Prolaps (Bandscheibenvorfall) genauer an. 

Die Wirbelsäule ist ein in sich bewegliches Haltesystem und besteht aus fünf Teilen, deren Beweglichkeit von oben nach unten abnimmt:

  • 7 Halswirbel: Die Wirbel sind klein und zart. 
  • 12 kräftige Brustwirbel: Sie bilden den Ansatz für die Rippen, den Brustkorb. 
  • 5 große Lendenwirbel: Sie tragen einen hohen Anteil des Körpergewichts. 
  • 10 Kreuz- und Steißbeinwirbel: Sie sind fest miteinander verwachsen. 

Alle 34 Wirbelkörper haben einen Hohlraum in der Mitte. Dieses Loch ist der Wirbelkanal, in dem sich dein Rückenmark befindet – ein Nervenstrang vom Gehirn bis zu den unteren Lendenwirbeln. Die Wirbelkörper und die dazwischen liegenden Bandscheiben sind nach vorn (Richtung Bauch und Brust) ausgerichtet. Die „Rückseite“ der Wirbel (zum Rücken hin) wird von einem Knochenbogen gebildet. Dieser schützt unser Rückenmark, das entlang der Wirbelsäule läuft. Für Stabilität und Beweglichkeit der Wirbel sorgen die Wirbelbögen, die mit kleinen Gelenken miteinander verbunden sind. 

Das ist nicht alles. Zwischen Wirbelkörper und Wirbelbogen liegt jeweils das Zwischenwirbelloch. Daraus wachsen seitlich der rechte und der linke Spinalnerv. Sie haben ihren Ursprung in den Nervenwurzeln, die aus dem Rückenmark austreten. Ein Teil dieser Nervenfasern führt zu unseren inneren Organen und bildet das Nervengeflecht des autonomen Nervensystems, ein anderer Teil geht in die Peripherie, also in die Außenbezirke des Körpers und informiert Muskeln, Sinne und Haut.

Ein mögliches Indiz für einen Bandscheibenvorfall ist demnach ein Kribbeln auf der Haut, motorische Störungen oder ein Taubheitsgefühl. Gerade diese Sensibilitätsstörungen spielen für die Diagnostik von Bandscheibenvorfällen eine große Rolle.


Yoga ist ein wunderbare Prävention für Bandscheibenprobleme. Wenn du etwas für deine Bandscheiben tun möchtest, empfehlen wir dir diese Übungssequenz von Yogalehrer und Arzt Dr. Ronald Steiner: 


Als was fungieren Bandscheiben? 

Bandscheiben liegen zwischen zwei Wirbelkörpern und fungieren als Abstandshalter und bewegliche Verbindung der einzelnen Wirbel miteinander. Jede deiner Bandscheiben besteht aus Bindegewebe mit einem festen, äußeren, elastischen Ring und einem weichen, inneren Gallertkern.

Bandscheiben werden in unserem autoliebenden Land gerne mit Stoßdämpfern verglichen. Keine schlechte Analogie: Denn ein im Inneren der Bandscheibe liegendes Wasserkissen verteilt die Belastung gleichmäßig auf den Bandscheibenring. Dadurch wird der Druck, der durch die Stöße beim Springen oder Laufen entsteht, an keiner Stelle zu groß. Während die Bandscheiben durch langes Stehen, Bücken, Sitzen „flach“ gedrückt werden, „saugen“ sie sich im Liegen und einer Entspannungshaltung wieder mit Gewebsflüssigkeit auf und nehmen ihre ursprüngliche Dicke an.

Das Wechselspiel von Zug und Druck hält die Bandscheibe geschmeidig

Jedes Gewebe, auch deine Bandscheiben, werden durch Druck- und Zugbelastung aktiviert, versorgt und gesund erhalten. Nur durch Abwechslung zwischen Druck und Zug nimmt die Bandscheibe regelmäßig Flüssigkeit auf und behält ihre Elastizität. Bandscheiben werden also nicht einfach so spröde und rissig – womit die Gefahr eines Bandscheibenvorfall steigt. Sie bleiben lebendig und prall, wenn du dich bewegst. Denn durch Bewegung entsteht Druck und Zug, die Bandscheibe wird be- und entlastet.

Yoga nach dem Bandscheibenvorfall

Welche Ursachen hat ein Bandscheibenvorfall und die hoch ist die Prävalenz?

Ein Bandscheibenvorfall ist meistens eine Reaktion auf eine jahrelange Vorschädigung. Typische Ursachen sind einseitige Belastungen und eine schwache Muskulatur, wobei auch genetische Aspekte eine Rolle spielen können. Die Zahl der Bandscheibenvorfälle nimmt zu, die Betroffenen werden immer jünger, aber am häufigsten sind Menschen zwischen 50 und 55 Jahren betroffen.


Rücken-Yoga-Programm von YogaEasy


Was passiert bei einem Bandscheibenvorfall genau?

Von einem Bandscheibenvorfall spricht man, wenn der Bandscheibenring brüchig, schwach oder verletzt ist, den gallertartigen Kern nicht länger innerhalb des Rings halten kann und der Bandscheibenkern dann austritt oder sich verlagert. Dieser Ausbruchsversuch passiert vor allem seitlich in Richtung Spinalnerv oder rückwärts in Richtung Rückenmark und zwar vorwiegend in folgenden Regionen:

  • L4-L5 (Lendenwirbel 4 und 5)
  • L5-S1 (Lendenwirbel 5 und Steißbein 1)
  • H6-H7 (Halswirbel 6 und 7)

Es werden zwei Stufen unterschieden:

  1. Bandscheibenvorwölbung (Protusion): Der gallertartige Bandscheibenkern wölbt sich „nur”. Das ist die Vorstufe zum Bandscheibenvorfall.
  2. Bandscheibenvorfall (Prolaps): Beim Prolaps ist der feste Ring der Bandscheibe ganz oder teilweise durchgerissen. Das Problem ist, die Flüssigkeit des weichen Gallertkern tritt aus.

Spannenderweise ist der Bandscheibenvorfall selbst schmerzfrei. Die Schmerzen bei etwa zwei Dritteln der Betroffenen entstehen, wenn die gallertartige Masse oder die Muskulatur auf Nerven drücken. Es gibt aber auch Menschen, die alle Symptome für einen Bandscheibenvorfall aufweisen, ohne dass das MRT dafür Belege liefern kann. 

„Schmerzfrei ist ein Bandscheibenvorfall in der Regel dann, wenn der Bandscheibenkern nach vorn Richtung Bauchraum austritt. Der klassische Bandscheibenvorfall verläuft jedoch schräg nach hinten in Richtung Spinalnerven. Je nachdem, wie viel Gallertkern ausgetreten ist, kann ein Bandscheibenvorfall relativ harmlos oder mit massiven Symptomen verlaufen.”

Lilla Wuttich, Anatomie-Expertin

 

Yoga nach einem Bandshceibenvorfall

Was sind Symptome beim Bandscheibenvorfall?

Abgesehen von den Menschen, die Glück haben, weil die Protrusion oder der Prolaps weder auf Nerven noch auf Muskeln drücken, sind klassische Symptome für einen Bandscheibenvorfall: Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und sogar Lähmungserscheinungen.

Die Schmerzen können durch eine Komprimierung des Spinalnervs oder des Rückenmarks zustandekommen, auf die das ausgetretene Material aus der Bandscheibe drückt. Dieser Nervenschmerz wird oft weniger an dem Ort, an dem er entsteht, wahrgenommen als vielmehr in der Peripherie des Körpers. Typisch sind einseitige Ischiasschmerzen (Ischialgie), die vom unteren Rücken über das Gesäß, die Oberschenkelmuskulatur und die Wade bis in den Fuß ausstrahlen können. Lähmungserscheinungen an Armen oder Beinen oder ungewohnte Probleme mit dem Darm und den Verdauungsorganen können ebenfalls Indiz eines Prolaps sein und sollten sehr ernst genommen werden.

Wie entstehen Bandscheibenvorfälle beim Yoga? 

Leider sind Yogi:nis recht häufig von Bandscheibenvorfällen betroffen – wie kann das sein, wo Yoga doch sogar präventiv empfohlen wird?

Fehlendes Körperwissen

Yogalehrerin, Physiotherapeutin und Anatomie-Expertin Lilla N. Wuttich meint dazu: „Leider mangelt es sowohl bei den Yogapraktizierenden als auch bei den Yogalehrenden an funktionellem Körperwissen. Die Yoga-Ausbildungen liefern das in den seltensten Fällen. Es kursieren viele Halbwahrheiten, wenn es um Anatomie und den koordinierten Gebrauch des Körpers geht. Ich höre z.B. immer wieder Instruktionen und sehe Asana-Umsetzungen, die bewegliche Wirbelsäulen-Abschnitte immer beweglicher machen und unbewegliche Abschnitte in ihrer Steifheit belassen. Oder Asana-Ausführungen, bei denen das Hohlkreuz mit der Begründung der natürlichen Lordose nicht ausgeglichen, sondern sogar noch im Hohlkreuz gedreht wird.“

Einseitige Belastung durch Yoga 

Ein anderes grundsätzliches Problem sieht Lilla Wuttich, wenn nur Yoga geübt wird: „Viele Yogalehrende und auch Yogapraktizierende sehen in Yoga das Allheilmittel schlechthin. Ich möchte die großartigen Wirkungen des Yoga nicht abstreiten, aber es gibt Grenzen. Bei vielen entwickeln sich beispielsweise die Beweglichkeit und die Kraft nicht in gleichen Maßen. Die Kraft bleibt hinter der Beweglichkeit zurück. Eine hohe Beweglichkeit braucht aber eine muskuläre Absicherung, damit es für den Körper nicht gefährlich wird. Allein mit Yoga können wir ab einer bestimmten Größenordnung nicht mehr genügend Kraft aufbauen und benötigen ein gezieltes Krafttraining dafür. Wenn ich aber in der Idee gefangen bin, dass sich mit Yoga alles richten lässt, ende ich in einer Sackgasse. Gerade die Wirbelsäule und die Bandscheiben sind ein zentrales Element der Gesunderhaltung des Bewegungsapparates und erfordern Rundumblick und Bewegungs-Know-how.“

Schwierigkeiten bei der Diagnose

Zur Diagnose von Bandscheibenvorfällen prüfen Ärzt:innen die motorische Funktionsfähigkeit des kritischen Bereichs und die Sensitivität entsprechender Hautareale. Bei Yogi:nis kann dies schwierig werden, denn ihr Bewegungsrahmen ist häufig größer ist als der von Durchschnittspatient:innen. Yogi:nis sind außerdem gewohnt, ihre Körper immer wieder in Balance zu bringen. Daher versagen diese einfachen motorischen Tests oft.

Hier ist ein eingehendes Gespräch über die Natur des Schmerzes und die Akzeptanz von apparativen Untersuchungen wichtig für eine richtige Diagnose. Ebenso wichtig sind Untersuchungen durch CT oder MRT. Durch diese bildgebenden Verfahren lässt sich erkennen, wie groß der Schaden ist.


Interview mit Anatomie-Expertin Lilla N. Wuttich: „Der Körper ist unglaublich weise” 

Lilla WuttichLilla N. Wuttich lebt in Berlin, ist Yogalehrerin, Physiotherapeutin und Expertin für angewandte Anatomie. Sie bietet Workshops, Retreats und Ausbildungen für alle Menschen an, die sich für die feinen Aspekte der menschlichen Anatomie interessieren. Was Max Strom für den Atem ist, ist Lilla Wuttich für die Anatomie. Im Gespräch mit ihr wollen wir wissen, welche Tipps sie sowohl für Betroffene als auch für Yogalehrende im Umgang mit Bandscheibenvorfällen hat.

YogaEasy: Dein Ratschlag als Anatomie-Weise: Was möchtest du uns als Yogalehrende für den Umgang mit Bandscheibenvorfällen im Unterricht unbedingt mitgeben? 

Lilla N. Wuttich: Behandelt einen Bandscheibenvorfall nicht wie eine „heilige Kuh” – aber begegnet ihm mit Respekt und Fachwissen. Bandscheibenvorfälle sind zwar nicht selten, aber sie sind eine ernsthafte Verletzung. Um die Bandscheiben im Yoga zu schützen, ist es wichtig, Vorbeugen mit langem geraden Rücken zu praktizieren. Korrekt ausgeführte Twists sind für die Wirbelsäule das therapeutische Mittel der Wahl. In den Rückbeugen geht es darum, keine Kompression im unteren Rücken zu erzeugen, sondern diesen durch Verbesserung der Beweglichkeit der Brustwirbelsäule und genaue Beckenausrichtung zu entlasten. Das Hohlkreuz ist der größte Feind und Kraftkiller unserer Wirbelsäule.

YogaEasy: „Fühlt sich eine Asana gut an, dann tut sie auch gut.” Ist Schmerz das richtige Signal, um eine Übung anzupassen?

Nein, nicht unbedingt. Grundsätzlich ist Schmerz immer ein Signal dafür, dass etwas nicht stimmt und sollte immer beachtet werden. Der Körper spiegelt uns aber alles als angenehm, was er kennt. Es kann also sein, dass ich eine Asana unkoordiniert ausführe, aber es fühlt sich gut an, weil es meinen Bewegungsgewohnheiten, die der Körper kennt, entspricht. Wenn ich die Ausführung der Asana zugunsten einer körpergerechteren Ausführung verändere, kann es sein, dass es anstrengend wird und es sich im ersten Moment ungewohnt und gar nicht gut anfühlt. Unsere Körperwahrnehmung täuscht uns, weil sie von unseren bisherigen Erfahrungen gespeist wird. Alles, was sich außerhalb der Komfortzone befindet, fühlt sich meistens nicht gut an.

YogaEasy: Hast du Tipps für Menschen nach einem Bandscheibenvorfall?

Ein Bandscheibenvorfall ist für die Betroffenen immer ein herausforderndes Ereignis. Neben dem Schmerz und allen weiteren Symptomen, allen Einschränkungen, die oft plötzlich den normalen Lebensalltag durchbrechen, muss man sich damit auseinandersetzen, dass der Körper nicht mehr unversehrt ist. Da steht die Angst vor Schmerzen und bleibenden Einschränkungen im Raum. All dies kann psychisch sehr belastend sein. 

In solchen Momenten des Lebens ist es wichtig, erst einmal in die Akzeptanz zu gehen. Anerkennen, was ist und dann nach vorne schauen. Der Körper hat eine unglaublich tiefe Weisheit und den Willen zu heilen. Seht euren Weg in die Gesundheit als einen Lernweg. Als einen Weg der körperlichen und emotionalen Selbsterkenntnis. Sucht euch kompetente Partner:innen zur Unterstützung und scheut euch nicht, um die Ecke zu denken. Beispielsweise bedenken wir viel zu selten, dass auch eine Supplementierung von verschiedenen Nährstoffen und eine antientzündliche Ernährung ausschlaggebend für die Heilung sein kann. Es gibt für alles eine Lösung oder neue Perspektiven. So ist es möglich, aus einer Krise emotional und körperlich gestärkt herauszukommen.

Mehr über Lilla N. Wuttich erfährst du auf lillawuttich.de.


Therapiemöglichkeiten bei einem Bandscheibenvorfall

Wenn die Diagnose positiv ausfällt, entscheiden Neurochirurg:in und Patient:in gemeinsam, ob der Vorfall konservativ durch Therapie oder operativ behandelt werden muss. Ein guter Arzt oder eine gute Ärztin wird immer versuchen, eine Operation zu vermeiden. Je größer der Bandscheibenvorfall ist und je länger die betroffene Person darunter bereits leidet, desto gründlicher muss man abwägen, wie gefährdet das Nervengewebe ist, damit es nicht dauerhaft beschädigt wird und abstirbt.

Bandscheibenvorfälle sind nicht komplett heilbar, sie bleiben immer eine Sollbruchstelle – aber 99 % der Bandscheibenvorfälle können erfolgreich behandelt werden. 

Was ist das Ziel der Therapie?

Ziel einer Therapie ist die Entlastung der Nervenwurzel. Zwei Dinge sind hier wichtig:

  1. Entlastung: Raus aus der Fehlhaltung
  2. Stärkung: Aufbau der Rückenmuskulatur 

Achtung: Entscheidend für den Aufbau der Muskulatur nach einem Bandscheibenvorfall ist das Wissen darüber, in welche Richtung der Bandscheibenvorfall auftritt. 

Es gibt drei Richtungen bei einem Bandscheibenvorfall:

  • bauchwärts
  • seitwärts
  • rückwärts

Welche Yoga-Übungen sind bei einem Bandscheibenvorfall verboten?

Es gibt zwei Dinge, die du dir für die Physiotherapie und Yogapraxis merken darfst, wenn du selbst an einem Bandscheibenvorfall leidest oder Yogalehrender bist und täglich mit Menschen und deren Körpern arbeitest:

  1. Vermeide Übungen, die die Bandscheibe weiter nach außen drücken.
  2. Arbeite immer in die Richtung des Bandscheibenvorfalls, um die Fehlhaltung auszugleichen. 

Wie sollte man sich als Yogi:ni bei einem akuten Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule verhalten?

Kommt es zu einem Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule, geht der erste Weg immer zum Arzt oder zur Ärztin. Außerdem solltest du eng mit Therapeut:innen zusammenarbeiten. Neuraltherapie, Osteopathie, Physiotherapie, manuelle Therapie, Reizstromtherapie, Akupunktur oder Alexandertechnik sind bewährte Maßnahmen nach einem Bandscheibenvorfall. Auch Therapiestunden in Iyengar-Yoga-Schulen oder bei BDY-Lehrer:innen, die therapeutisch ausgebildet sind, helfen dabei, langsam und sicher wieder auf die Beine zu kommen.

Worauf kommt es noch an?

Schmerzbehandlung: In erster Linie geht es darum, Schmerzen zu lindern und den Körper zu schonen. Anhaltende Schmerzen allerdings begünstigen eine Schonhaltung, die außer der betroffenen „Baustelle“ noch weitere Regionen in eine Fehlhaltung bringt. 

Entspannung: Gerade für Yogi:nis eigentlich selbstverständlich, aber in der Praxis schwierig. Nichts zu tun, Körper und Geist ohne vorangegangene Asana-Praxis ruhen zu lassen, stellt für viele von uns eine große Herausforderung dar. Es ist aber essentiell für den Genesungsprozess und hilft dabei, den Tonus der hypertonen Muskulatur zu reduzieren bzw. die aufgrund der Schmerzen verhärtete Muskulatur zu entspannen.

Mobilisierung: Wann dürfen wir uns trauen, unserem Körper wieder etwas mehr Bewegung zu gönnen? Ganz einfach: Wenn das ärztliche „Go” da ist. Eine verschriebene Physiotherapie wirkt besser, wenn wir mit unserer Atmung aktiv bei der Sache sind. Hier sind wir Yogi:nis im Vorteil, denn wir sind gewohnt, Atem und Bewegung zu verbinden. Mobilisierung hat viel damit zu tun, Angst zu überwinden. Wenn wir lernen, kleine Bewegungen mit hundertprozentiger Aufmerksamkeit durchzuführen, schwindet die Angst vor der Bewegung, und wir gewinnen wieder Vertrauen.

Kräftigung und Dehnung der Rückenmuskulatur: Der Aufbau der Rückenmuskulatur ist unumgänglich und erfordert Disziplin und Leichtigkeit. Um eine gesunde Stabilität aufzubauen, fange mit sanften Beckenbodenübungen an und lerne deine Bandhas zu aktivieren. Anstatt der oberflächlichen Muskulatur wollen wir die tiefste Muskulatur kräftigen. Bedenke aber wie gesagt die Richtung des Bandscheibenvorfalls, ansonsten reizt du die Nervenwurzel noch mehr und das Problem verstärkt sich.

Yoga mit Bandscheibenvorfall: Unsere Tipps für deine Yogapraxis

Nach einem Bandscheibenvorfall musst du die Übungen deiner Yogapraxis immer anpassen. Das ist nicht verhandelbar. Du weißt: Veränderung ist die einzige Konstante im Leben und das gilt auch für deine Yogapraxis.

Was dir jetzt bei deiner Yogapraxis hilft:

  • Nicht nur dein Atem, sondern auch Schmerz sind konkrete Feedbackgeber für deine achtsame Yogapraxis. 
  • Im Yoga bearbeiten wir ganzflächig Strukturen. Es gibt immer wiederkehrende Transitionen und Bewegungsabfolgen, die die Nerven strecken. Wie zum Beispiel die klassische Transition im Flow, den Fuß nach vorne zwischen die Hände absetzen. Diese Bewegung streckt die Nerven, kann zu intensiv sein und Schmerzen verursachen. Denk kleiner und überlege dir eine Mini-Version dieser Abfolge, zum Beispiel die Knie abzusetzen und den Fuß aus dem Vierfüßlerstand nach vorne zwischen die Hände abzusetzen.
  • Sei besonders achtsam bei Vorbeugen, Rückbeugen, Seitneigungen und Hüftbeugungen. Diese Übungen sind generell möglich, aber je nach Bandscheibenvorfall solltest du hier sehr behutsam praktizieren.
  • Asana für Asana. Die Kobra ist für dich mit einem Bandscheibenvorfall nach hinten eine super gute Übung, weil die Fehlhaltung ausgeglichen wird. Für Menschen mit einem Bandscheibenvorfall nach vorne ist sie weniger geeignet, weil die Übung die Bandscheibe weiter nach außen drücken würde.
  • Bei Bandscheibenvorfällen in der Halswirbelsäule achte auf eine aufrechte Haltung des Kopfes. Asanas, die das Risiko haben, Gewicht auf den Nacken zu verteilen, sind tabu. Kopfstand ist natürlich Geschichte, aber das tut deiner magischen Yogapraxis und einer möglichen Erleuchtung keinen Abbruch.

Vermeide instabile Übungen:

  • Urdhva Dhanurasana (das Rad)
  • Garudasana (der Adler)
  • Urdhva Mukha Svanasana (Heraufschauender Hund)
  • Navasana (das Boot)
  • Sirsasana (der Kopfstand)
  • Halasana (der Pflug)
  • Salamba Sarvangasana (der Schulterstand)

Bandscheibenvorfall-Übungen: Präferiere Körperhaltungen, die den Heilungsprozess unterstützen:

  • Bandhas aktivieren
  • Marjariasana (Katze-Kuh)
  • Uttanasana (Ganze Vorbeuge)
  • Ardha Uttanasana (Gerader Rücken)
  • (kurz gehaltene) Balance-Haltungen 
  • Variation Phalakasana (halbe Bretthaltung mit Knie am Boden)
  • Variation Vasisthasana (halber Seitstütz)

Lilla Wuttich zum Üben nach einem Bandscheibenvorfall

„Grundsätzlich gilt: Der Körper braucht gesunde Belastung, nicht Entlastung. Jede Körperstruktur hat ihren eigenen Heilungsmechanismus. So auch die Bandscheibe. Der Faserknorpelring der Bandscheibe ist ein fasziales Gebilde und benötigt einen adäquaten Reiz zur Regeneration. Bevor diese einsetzen kann, muss sich der Körper mit dem ausgetretenen Gallertkern, der Nervenkompression und der mit dem Bandscheibenvorfall einhergehenden Entzündungsreaktion auseinandersetzen. Anfangs braucht die beschädigte Bandscheibe deswegen wirklich Schonung und gezielte Unterstützung – aber nicht Inaktivität! Durch kleine, kontrollierte Bewegungen verbessert sich der Stoffwechsel im betroffenen Bereich. Das Immunsystem wird bei den „Aufräumarbeiten” unterstützt.

Zu diesem Zeitpunkt kann man schon beginnen, neue gesunde Bewegungsmuster zu erarbeiten. Ohne etwas zu verändern, sind Rezidive oder weitere Veränderungen an den Bandscheiben und der Wirbelsäule vorprogrammiert. Im weiteren Verlauf darf man die Belastung schrittweise erhöhen. Dabei gilt es, auf den Körper zu hören. Wenn ich Yoga praktiziere und hinterher Schmerzen auftreten, ich eine Verschlechterung spüre, dann sollte ich nicht genauso weitermachen, sondern analysieren, welche Bewegung mir schadet und welche nützt. War meine Ausrichtung wirklich präzise? Ist vielleicht doch der Ehrgeiz mit mir durchgegangen? Muss ich spezielle Anpassungen an meine Bedürfnisse vornehmen? Habe ich zu viel gemacht? Wenn aber nach der Yogapraxis alles in Ordnung ist, kann ich meinen Weg mit schrittweiser Erhöhung der Belastung weitergehen.”

Lilla Wuttich

Warum ich? Schuldgefühle beim Bandscheibenvorfall

„Natürlich kann auch eine Yogalehrerin einen Bandscheibenvorfall haben. Wir alle hatten ein Leben vor Yoga, wussten vielleicht nicht so viel über den Körper, waren zu ehrgeizig, haben uns zu wenig oder falsch bewegt etc. Wichtig ist, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie und warum es dazu gekommen ist. Ganz ehrlich zu sich selbst und ohne Ausreden. Ein Bandscheibenvorfall kommt – außer durch einen Unfall – nicht ohne Vorgeschichte von einem Tag auf den anderen. Daraus kann ich meine Lehren ziehen und neue gesunde Muster in mein Leben bringen. Wenn ich als Yogalehrerin meine eigene Geschichte analysiere und reflektiere, kann ich durch Teilen meiner Erfahrungen auch inspirierend  auf meine Teilnehmer:innen wirken und so neue Denkanstöße geben oder ihren Heilungsweg unterstützen.”

Lilla Wuttich, Anatomie-Expertin

Ein Bandscheibenvorfall kann jede:n treffen. Die Ursachen liegen oft weit in der Vergangenheit, sind unspezifisch und lassen sich deshalb selten konkret feststellen. Deshalb sind Schuldgefühle hier – wie in jeder anderen Situation im Leben – nicht hilfreich, sondern absolut kontraproduktiv. Schuld und Scham bringen eine schädigende Energie mit sich, wo wir doch heilen wollen. Je schneller du den Prolaps schlicht als Ereignis in deinem Leben, aus dem du lernen kannst, annimmst, desto weniger belastend ist die Situation und du kannst den Blick nach vorne richten.

Lilla N. Wuttich
Lilla N. Wuttich

Lilla N. Wuttich ist Physiotherapeutin, Yogalehrerin, Dozentin der Spiraldynamik®, Epigenetik-Coach. Sie bietet Workshops, Retreats und Fortbildungen zu verschiedensten Themen rund um den Körper und Yoga an, darunter die Yogatherapie-Ausbildung nach den Prinzipien der Spiraldynamik®. Lilla vermittelt grundlegendes Körperwissen und versteht es, komplizierte Sachverhalte kompakt und einfach zu erklären. Das theoretische Wissen wird dann mit detaillierter Körperarbeit verinnerlicht und so in die Asanas integriert, das sich eine völlig neue Dimension der Yoga-Praxis eröffnet.
Mehr über Lilla erfährst du unter www.lillawuttich.de.

Dana Pukowski
Dana Pukowski

Dana Pukowski ist Yogalehrerin, Weltenbummlerin, Projektmanagerin und war 6 Jahre Teil der YogaEasy Familie. Sie unterrichtet Meditation, Vinyasa und Yin Yoga seit mehr als 7 Jahren in Hamburg. Als Unternehmensberaterin fand sie im Yoga das wieder, was sie heute in ihren Yogastunden und Retreats teilt, den Mut zur Pause, das Nichtstun als kreative unerschöpfliche Quelle für Inspiration und Visionen. Dana bummelt um die Welt, liebt Herausforderungen als Projektmanagerin und bereichert unser YogaMag auch heute noch mit ihren yogischen Wortzaubereien.