Therapeutische Mudras und ihre Wirkung

Von René Hug

Die meisten Yogapraktizierenden sind mit den spirituellen Hand- und Fingerhaltungen, den Mudras, vertraut. Sie führen die Handflächen vor Beginn der Yoga-Praxis vor ihrem Herzen zusammen (Anjali Mudra) oder bilden während der Meditation einen Kreis mit Zeigefinger- und Daumenkuppe (Jnana oder Chin Mudra), um Energien zu bündeln. 

Mudras sind aber keine rein symbolischen Gesten, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheinen mag. Sie haben eine ganz reale, spürbare Wirkung: So können sie helfen den Atem zu vertiefen, die Aufmerksamkeit zu zentrieren oder das Gedächtnis und die Konzentration zu verbessern. In vielen Kulturen werden sie aber auch bei verschiedenen Beschwerden als therapeutisches Mittel eingesetzt – etwa zur Linderung von Kopfschmerzen, Stresssymptomen, Schlaflosigkeit und depressiven Verstimmungen.

Diese therapeutischen Mudras beruhigen das gesamte Nervensystem und können so erheblichen Einfluss auf Körperenergien und Stimmungen haben. 


Das Beste vom Yoga für dich nach Hause – 7 Tage gratis


Medizinische Hintergründe der therapeutischen Mudra-Wirkungen

Obwohl sich Therapie-Mudras über die Jahrhunderte in verschiedenen Kulturen und Anwendungsgebieten etabliert haben, werden sie häufig noch angezweifelt oder als gut etabliertes Glaubenssystem abgetan. Dabei gibt es viele medizinisch belegte Faktoren, welche die Wirkungsweise von Mudras erklären. 

Die sehr sensiblen Enden der Nervenbahnen nehmen in unseren Händen und Fingerkuppen im somatosensorischen Cortex des Gehirns einen besonders großen Raum ein. Je mehr wir mit den Fingern tasten und spüren, desto stärker wird dieser Bereich des Gehirns aktiviert. Diese Nervenbahnen durchziehen ausgehend von den Fingerspitzen den gesamten Körper und können so einen Einfluss auf Körperfunktionen und Körperenergien ausüben. Die traditonelle chinesische Medizin (TCM) erklärt dies mithilfe des Meridian-Systems. Meridiane sind Energiebahnen, die durch den Körper, besonders durch die Hände und Finger (bzw. Füße und Zehen), verlaufen. Auf diese Weise lassen sich die Hände als ein Spiegel für unseren Körper und unseren Geist betrachten. 

Die obere Schicht unserer Haut besteht zum größten Teil aus den sensiblen Mechanorenrezeptoren. Sie reagieren empfindlich auf physische Verformungen und sind die Wächter über alle Hautkontakte. Besonders auf der Haut der Fingerkuppen sind die Mechanorenrezeptoren sehr dicht angesiedelt und ermöglichen so eine feine Sensorik. Reize und Impulse werden direkt Richtung Rückenmark und zentrales Nervensystem weitergeleitet. Gemeinsam mit den Sinnesorganen, wie beispielsweise unseren Augen und Ohren, sind sie so etwas wie die Außenstellen unseres Gehirns. 

Die Rezeptoren reagieren extrem empfindlich auf feine, leichte Berührungen mit Druck, Reibung, Pumpen und Vibration. Daher wird durch Ertasten und Spüren mit den Fingerkuppen automatisch auch die Gehirntätigkeit aktiviert und trainiert. Es ist also naheliegend, dass wir über die Finger und Hände vom Gehirn gesteuerte Körperfunktionen beeinflussen können. Daher werden die Mudras oft als Therapie und zur Vorbeugung gegen unterschiedliche Beschwerden eingesetzt und ergänzen andere therapeutische Maßnahmen. 

Wenn alle konventionellen Therapien die Gesundheit nicht fördern oder aufrechterhalten können, dann sind Mudras eine sanfte alternative Methode, um ins körperliche Gleichgewicht zurückzufinden. Sie machen Finger, Gelenke und Hände auf verschiedenen Ebenen geschmeidiger und selbst die Schultern entspannen und werden beweglicher. Es lassen sich so wunderbar Blockaden im Körper auflösen und die Lebensenergie kann wieder freier fließen.


Kurs: Deep Dive Meditation


Therapeutische Mudras 

In der neuen Auflage meines Buches „Die Quelle des Daseins“ stelle ich Mudras für die meisten unserer Zivilisationskrankheiten wie Herz-, Kreislauf-, Atmungs- und Verdauungsbeschwerden sowie für die einzelnen Organe vor. Sie sind eine ideale Ergänzung für die Yoga- und Meditationspraxis.

1. Kayakalpa Mudra für die Entgiftung 

Therapeutische Mudras und ihre Wirkung – Kayakalpa

Kaya heißt „Körper” und auch „Haut”. Kalpa bedeutet „Zeitalter”, „Verwandlung” oder „Verjüngung”. Kaya Kalpa bedeutet demnach dem Körper ein neues Zeitalter, ein neues Lebensalter zu geben und ihn entsprechend zu transformieren. Das Kayakalpa Mudra unterstützt dich bei mentalen und körperlichen Entgiftungsprozessen, wenn du zum Beispiel eine Entschlackungskur machst. Es regt die Verdauung an und fördert die Reinigung und Klärung auf allen körperlichen Ebenen.

So führst du das Kayakalpa Mudra aus:

  1. Setze dich bequem mit aufrechtem Rücken hin.
  2. Lege dann in beiden Händen den Daumen an die Innenkante des dritten Ringfingerglieds. Lege deine Hände dabei so auf deinen Beinen oder ähnlichem ab, dass deine Schultern und Arme dabei entspannt sein können.
  3. Halte dies so lange, wie du es als angenehm empfindest oder es brauchst.

Das Mudra kann je nach Bedarf oder dreimal täglich mit leerem Magen gehalten werden. 

2. Mushti Mudra für die Verdauung

Therapeutische Mudras und ihre Wirkung – Mushti Mudra

Das Mushti Mudra fördert die Verdauung, kann gegen Verstopfung oder Bauchkrämpfe helfen und stimuliert die Leber- und Magenenergie. Auf mentaler Ebene unterstützt es dich dabei, dich abzugrenzen und deine Willenskraft sowie Selbstvertrauen zu stärken. Eine Faust kann deine erste Hilfe sein beim Abbau von überschüssigen Energien und Aggressionen.

So führst du das Mudhti Mudra aus:

  1. Setze dich bequem mit aufrechtem Rücken hin.
  2. Beuge nun die Finger in jeder Hand nach innen zu einer Faust und lege dabei den Daumen über den Zeige- und Mittelfinger.
  3. Visualisiere dabei, wie du dich Herausforderungen stellst, um sie bewusst und im Einklang mit dir selbst zu meistern. Lege deine Hände dabei so ab, dass deine Schultern und Arme dabei entspannen können.
  4. Halte das Mudra solange, wie du es als angenehm empfindest. 

Diese Mudra kannst du regelmäßig praktizieren, oder immer bei Bedarf.

3. Mudra-Meditation zur Beruhigung

Wenn du Mudra-Anfänger:in bist und mehr Anleitung brauchst, empfehlen wir dir diese Mudra-Meditation, die wunderbar beruhigend und entspannend wirkt.

Dabei übst du folgende Mudras:

  • Hakini-Mudra
  • Apala-Mudra/Feuer-Mudra, auch Jvala-Mudra genannt
  • Anjali-Mudra (auch Atmanjali-Mudra genannt)
  • Jnana-Mudra
  • Pushpaputa Mudra
  • Shunja-Mudra

Mudras: Kleine Geste, große Wirkung

Erforsche für dich selbst ein Mudra nach dem anderen. Praktiziere sie einige Tage lang und beobachte ihre Wirkung. Verliere nicht die Hoffnung, falls du nicht sofort greifbare Resultate feststellst. Sei vergewissert, dass sich jede Zelle deines Körpers bei jeder Mudra-Praxis fortbewegt. Ein feiner und subtiler, zunächst möglicherweise kaum merklicher Effekt stellt sich ein. 

Mudras sind so einfach und praktisch in der Anwendung, dass es allein aus diesem Grund manchmal schwer ist, an ihre Wirkung zu glauben. Daher hilft nur, es einfach auszuprobieren und Wertschätzung und Zuversicht in die Mudras zu legen. Du wirst merken: Die Sensibilisierung deiner Eigenwahrnehmung kann zusammen mit der Stimulation der Nervenpunkte Wunder bewirken.

Das Großartige dabei: Mit Mudras kannst du die Heilung deiner Alltagsleiden im wahrsten Sinne selbst in die Hand nehmen.

Achtung: Mudras ersetzen nicht den ärztlichen Rat. Kläre bitte Krankheiten und Beschwerden mit einer Medizinerin/einem Mediziner ab und lasse dir eine klare Diagnose stellen. 


Therapeutische Mudras und ihre Wirkung – Buch René HugWenn du mehr über therapeutische Mudras erfahren möchtest, empfehlen wir dir René Hugs Buch „Die Quelle des Daseins“, das in seiner aktuellen Neuauflage Mudras für die meisten Zivilisationskrankheiten wie Herz-, Kreislauf-, Atmungs- und Verdauungsbeschwerden sowie für die einzelnen Organe vorstellt.

 

 

 

 

René Hug
René Hug

René Hug unterrichtet seit 14 Jahren Yin-, Restorative- und Yogatherapie in der Schweiz, Deutschland und Italien. Er ist bekannt für seine einzigartige, transformierende 200h-Yin-Restorative-Yogatherapie-Ausbildung, die er in flexiblen Modulen unterrichtet. Darüber hinaus ist René erfolgreicher Autor des Buchs „Yin Restorative Yogatherapie – Die Quelle des Daseins”. In Renés Lehre von Yin & Yang, Yin Restorative und Yogatherapie fließen sowohl seine langjährige Erfahrung, zahlreichen Weiterbildungen und eigene Praxis ein. Für den Schüler wird die Yoga-Praxis so zu einer persönlichen Reise zu innerem Frieden, Freiheit, Klarheit und Ausgewogenheit, die das Potenzial zur Offenbarung des wahren eigenen Selbst hat.