Skandasana – der seitliche Ausfallschritt

Von Dana Pukowski

Wann immer ich Skandasana unterrichte, sehe ich wankende Körper und qualmende Leisten, höre es in den Kniesehnen knirschen, spüre das Ziehen in den Adduktoren. Der seitliche Ausfallschritt erfordert viel Kraft und Balance und ist damit zweifellos herausfordernd. Als dynamische und (manchmal auch) elegante Transition von der einen zur anderen Seite und intensiver Hüftöffner hat er aber durchaus Suchtpotenzial.

Skandasana – im Englischen auch Surfers Lunge, Side Lunge oder Half Squat Pose genannt – ist kein „One Hit Wonder“. Erst wenn du dich mehrfach von Seite zu Seite bewegst, öffnet sich dein Körper von Wiederholung zu Wiederholung. Egal ob als vorbereitende Asana, Transition oder Peak Pose, Skandasana hat es in sich und darf akribisch ausgerichtet werden. 

Der seitliche Ausfallschritt fühlt sich intensiv und ein bisschen streitsüchtig an. Skanda bedeutet auf Sanskrit „machtvoller Krieger” und ist ein Name von Kartikeya, Gott des Krieges – Sohn von Parvati und Shiva. Skanda hat einen kriegstüchtigen Dämon getötet und damit seine Prophezeiung erfüllt. Kein Wunder also, dass beim Praktizieren von Skandasana der ganze Yogaraum kocht und angriffsbereit ist. 

Wie du Skandasana richtig ausführst

  1. Starte in einer weiten Grätsche zur langen Mattenkante. Öffne deine Füße leicht nach außen.
  2. Beuge dein rechtes Bein, lass dein Gesäß in deiner Kapazität Richtung Boden sinken. Dein linkes Bein bleibt gestreckt. 
  3. Angekommen in der Hocke, flexe den linken Fuß und spreize die Zehen des gestreckten Beins. 
  4. Bring deine Hände vor dein Herz. Schiebe deinen rechten Oberarm aktiv gegen die Innenseite vom rechten Oberschenkel. 
  5. Richte dich aus der Tiefe deines Beckens entlang deiner Wirbelsäule lang auf und hebe dein Brustbein.
  6. Bleibe hier für 3 bis 5 Atemzüge und wechsle direkt die Seite. Bringe dafür die Fingerspitzen zurück zum Boden.
  7. Strecke wieder beide Beine, bleib im Flow von Seite zu Seite oder richte dich kontrolliert auf. Lockere gerne deine Beine. 

Skandasana: Die wichtigsten Ausrichtungsanweisungen

Skandasana trägt eine intensive Dynamik in sich. Deshalb wird Skandasana zu oft nur als Transition genutzt, dabei gibt es so viel zu erforschen und zu lernen. Nimm dir die Zeit, in Skandasana zu verweilen und statisch verweilend in der Haltung zu arbeiten.

  • Deine Basis: Je nach Gelenkigkeit und Flexibilität deiner Hüfte ergibt sich ein individuelles Fundament. Deine Hüftöffnung gibt die Fußstellung vor. Wichtig: Knie und Zehen deines gebeugten Beines zeigen in dieselbe Richtung. 
  • Stabilität & Balance: Beuge deinen Oberkörper eventuell weiter nach vorne, um die Stabilität zu erhöhen. Aber achte darauf, deine Hüfte im rechten Winkel zu deinen Knöcheln auszurichten. 
  • Gebeugtes Bein: Schiebe aktiv in die Fußaußenkante und bringe das Gewicht mehr in die Ferse. Zusätzlich schiebst du mit dem Oberarm gegen die Innenseite deines Oberschenkels. 
  • Gestrecktes Bein: Schieb den Fußballen von dir weg, ziehe die Zehen zum Schienbein und ziehe deine Kniescheibe aktiv nach oben, bis dein Quadriceps kontrahiert. Achte darauf, dass deine Kniescheibe und die Zehen zur Decke zeigen. Rotiere bewusst das gestreckte Bein aus der Hüfte nach außen. 
  • Lange Wirbelsäule: Während dein Gesäß Richtung Erdkern sinkt, richtest du dich stolz auf. Kippe dein Becken nach vorne, um dein Kreuzbein zu strecken. Aktiviere Mula und Uddiyana Bandha. 
  • Weites Herz: Schieb aktiv deine Hände vor dem Herzen aufeinander und schaffe Platz zwischen deinen Schlüsselbeinen. Ziehe zusätzlich deine Schulterblätter nach hinten und unten.
  • Slow Transition: Bewege dich langsam in die Pose hinein und hinaus, um Verletzungen zu vermeiden und eine gesunde Ausrichtung sicherzustellen.

Kostenloser Zusatz-Tipp: Für mehr Stabilität und Kontrolle bringe deine Fingerspitzen zum Boden. 

Kristin Rübesamen Skandasana Variante für Anfänger

Wirkungen von Skandasana

Der seitliche Ausfallschritt ist eine High-Benefit-Pose mit moderatem Risiko. Im Fokus steht dein gesamter Unterkörper und der profitiert in manigfaltiger Hinsicht. Ich empfehle einen gut aufgewärmten Körper und kontrollierte Wiederholungen, damit sich die Wirkungen entfalten können. Skandasana ist auch ideal für Sportler, etwa Läufer, die sich nach Entlastung und Ausgleich sehnen.

Physische Wirkungen

  • Tiefe Öffnung der Hüften durch die Dehnung der Adduktoren (Innenseiten deiner Oberschenkel), ischiokruralen Muskulatur (Beinrückseiten) und der Leistengegend in der tiefen Hocke
  • Stimuliert deine Kniesehnen
  • Stärkt deine Rumpfmuskulatur sowie deine Knie- und Fußgelenke
  • Löst Verspannungen im Unterkörper
  • Lindert Rückenschmerzen und Ischiasbeschwerden
  • Fordert deine Balance und verbessert deinen Gleichgewichtssinn
  • Verbessert die Flexibilität und erhöht die Durchblutung deiner Knöchel und Füße 

Psychische Wirkungen

  • Verbessert deine mentale Stabilität und stärkt dein Gefühl von Sicherheit
  • Stärkt deine innere Kraft und dein Selbstvertrauen
  • Stärkt dein Urvertrauen und erleichtert dir, die Freuden des Lebens zu genießen
  • Beruhigt deinen Geist durch eine erhöhte Durchblutung von Kopf, Nacken und Schultern

Energetische Wirkungen


Anusara Alignment Hüfte & Psoas – mit Barbra Noh


Kontraindikationen: Wann ist Vorsicht geboten

Bei Skandasana konzentriert sich alles auf deine Beine. Dein Körpergewicht wird auf deinen Knöcheln ausbalanciert. Zusätzlich entsteht durch das körpereigene Gewicht enormer Druck in den Kniegelenken – im gebeugten Bein durch die tiefe Hocke und im langen Bein durch die intensive Streckung. Dadurch wird noch mehr Spannung auf die Bänder und das umliegende Gewebe erzeugt. Beim Hineingehen in die und Herausgehen aus der Asana ist deshalb bereits bei kleinen Wehwehchen in der Gelenkkette Vorsicht geboten!

Übe Skandasana bitte nicht bei:

  • Verletzungen deines Knie-, Knöchel- oder Hüftgelenks
  • Verletzungen der Bänder oder des Gewebes deiner Knie oder Knöchel

Variationen für Skandasana

Bei Problemen mit den Fuß-, Knie- und Hüftgelenken gibt es Modifikationen und Variationen mit und ohne Hilfsmittel. Und für alle Skandasana-Lover stellen wir auch besonders fordernde Varianten vor.

Unterstützte Variationen mit Hilfsmitteln

Nicole Bongartz Malasana mit Blöcken

  • Klassiker für Skandasana-Einsteiger: Übe mit einem Kissen oder Blöcken unter dem Gesäß! Starte in Malasana, der Hocke, auf einem (hohen) Meditationskissen und strecke achtsam ein Bein zur Seite. Bring die Hände vor dein Herz. So arbeitest du an der Öffnung deiner Hüfte und der Länge in deiner Wirbelsäule ohne Druck auf Knöchel und Kniegelenke. 
  • Wand als Stabilisator: Nutze eine Wand, um dein Gleichgewicht zu halten. Starte in einer weiten Grätsche mit dem Rücken zur Wand, etwa eine Fußbreite entfernt. 
  • Blöcke als Armverlängerung: Zu Beginn lass die Fingerspitzen am Boden oder nutze zusätzlich Blöcke, um dich zu stabilisieren und aufzurichten. 
  • Gerollte Decke unter Ferse: Kommt die Ferse nicht am Boden an, ist das oft eine Extra-Challenge. Lege dir eine gerollte Decke oder ein Handtuch unter deine Ferse, um dich zu unterstützen. 

Herausfordernde Variationen für alle, die sich langweilen

Luci Beyer Skandasana für geübte Yogis

  • Baddha Skandasana: Der gebundene seitliche Ausfallschritt ist ein schönes Upgrade, um zusätzlich zu twisten und die Schultern zu öffnen. 
  • Skandasana mit Side Stretch: Kombiniere den seitlichen Ausfallschritt mit einer Seitneigung zum gebeugten Bein. Das öffnet zusätzlich deine Flanken. Achte darauf, dein Körpergewicht weiter auf Fuß und Ferse des gestreckten Beines zu verteilen.
  • Skandasana mit verschränkten Händen über dem Kopf: Wer so richtig in seinem Lot chillt, der verschränkt die Hände und zieht sie über den Kopf. Mula und Uddiyana Bandha bleiben aktiv.

Dynamik statt Statik

  • Soft Flow: Starte in einer weiten Grätsche, Füße leicht geöffnet. Beuge abwechselnd ein Bein, aber lass deine Hüfte oben.
  • Intensiver Flow: Starte im seitlichen Ausfallschritt und wechsle zur anderen Seite, während du deine Hüfte so tief wie möglich über den Boden lässt.  

Kontrovers: Ferse am Boden – ja oder nein?

Elementar wichtig für Malasana und auch Skandasana ist, dass du dein Sprunggelenk zum Fußrücken beugen kannst (Dorsalflexion). Bedeutet, um die Hocke zu gehen, muss dein Knie nach vorne schieben können. 

Nicole Bongartz Malasana mit Hilfsmittel

Zwei Dinge bestimmen deine Beweglichkeit:

1. Deine Flexibilität und
2. deine Gelenkigkeit.

Letztere kann der entscheidende Faktor dabei sein, dass du die Fersen nicht zum Boden bekommst. In diesem Fall entsteht eine Kompression, weil Knochen auf Knochen treffen. Gelenkigkeit ist ein Fakt. Da lässt sich auch durch viel Ausatmen nichts bewegen. Anders sieht es aus mit deiner Flexibilität. Möglich ist, dass deine Waden und Achillessehne dich aufhalten. Daran kannst du mit gezielten Übungen arbeiten, um deine Mobilität und Kraft in Füßen, Knöcheln und Knien zu verbessern. 

Mir ist wichtig zu betonen: Nicht alles liegt in deiner Hand. Ist deine Ferse nicht am Boden, hebe sie aktiv oder unterstütze dich mit einer gerollten Decke unter der Ferse. Bringe vielleicht zusätzlich deine Fingerspitzen zum Boden. Akzeptiere das, was da ist. Es geht immer ums Üben selbst, nicht um die Form. Da wo du bist, bist du genau richtig. So oder so wird das Üben etwas verändern, ob es von außen sichtbar ist oder nicht. 

Skandasana ist ein Alleskönner. Jeder Flow wird zum Hingucker, egal ob Transition oder goldene Krönung. Ich bin Fan davon, Asanas intensiv vorzubereiten. Je weniger dein Körper überrascht ist, desto besser. Ein langsames Tempo und mehrfache Wiederholungen kreieren ein optimales Lernklima auf allen Ebenen. So können Geist und Körper in Einklang wachsen. Viel Freude und Achtsamkeit auf deiner Matte!

Dana Pukowski
Dana Pukowski

Dana Pukowski ist Yogalehrerin, Weltenbummlerin, Projektmanagerin und war 6 Jahre Teil der YogaEasy Familie. Sie unterrichtet Meditation, Vinyasa und Yin Yoga seit mehr als 7 Jahren in Hamburg. Als Unternehmensberaterin fand sie im Yoga das wieder, was sie heute in ihren Yogastunden und Retreats teilt, den Mut zur Pause, das Nichtstun als kreative unerschöpfliche Quelle für Inspiration und Visionen. Dana bummelt um die Welt, liebt Herausforderungen als Projektmanagerin und bereichert unser YogaMag auch heute noch mit ihren yogischen Wortzaubereien.