Agnistambhasana – Feuerholz-Haltung – Halbe Taube
Shutterstock.com/sandsun

Agnistambhasana: Achterbahnfahrt mit Happy End

Von Dana Pukowski

Agnistambhasana ist ein Blockbuster für deine Hüften und Beine. Vielleicht kennst du die Übung als „doppelte Taube” oder als „Feuerholz” (engl. Fire Log Pose) – der Sanskrit-Begriff „agni“ bedeutet nämlich Feuer und „stambh“ lässt sich mit Stapel oder Scheit übersetzen. Bei dieser intensiven Vorbeuge im Sitzen stapelst du deine beiden Unterschenkel wie Feuerholz übereinander, verneigst dich mit weitem Herzen und bringst deine äußeren Hüften zum Qualmen.

Die Feuerholz-Haltung – löst die Hüften und die Emotionen

Das ölt nicht nur deine Hüften, stärkt deine Beine und löst innere Anspannung in Luft auf. Auch dein Piriformis – der flache, birnenförmige Muskel in den Untiefen deiner Hüfte – wird mit der doppelten Taube intensiv gedehnt. Er verläuft von der Innenseite deines Beckens (Pelvis) bis zum Oberschenkelknochen (Femur). Seine permanente Anspannung ist die gnadenlose Rache auf unseren täglichen Sitzzwang. Dank ständiger Sitzgelegenheiten verspannt und verdickt sich unser Piriformis. Manchmal drückt er auf unseren Ischiasnerv (der genau längs verläuft) und hinterlässt stechende Schmerzen („Piriformis-Syndrom“). Mit Agnistambhasana entspannst du die Muskulatur und dein Ischiasnerv hat wieder Platz.

Die doppelte Taube kann emotional aufwühlend sein und ist daher nicht als Betthupferl zu empfehlen. Als erleichterndes Befreiungsritual, um Vergangenes loszulassen, eignet sie sich dafür optimal. Unsere Hüfte gilt als Sammelbecken für emotionale Altlasten. Je mehr wir davon loslassen desto besser. Selten ist die Verbindung von Körper und Geist so direkt spürbar. Freu dich auf eine emotionale Achterbahnfahrt mit Happy End.

Stell dir während des Haltens von Agnistambhasana am besten vor, dass du durch ein Meer aus Atemwellen schwimmst. Es gibt Wellen, in denen kultivierst du beruhigende Stabilität und verlockende Erleichterung. Manche Wellen werden dich mit starken Emotionen überwältigen. Aber irgendwann entspannst du und tauchst tief in dein Herz ein. Dabei entsteht ein Wechselbad aus vitalisierender Intensität und sanft aufsteigender Ruhe, das mit der Zeit auf mentaler und emotionaler Ebene Raum schafft. Raum für eine tiefe, innere Beobachtung. Es lohnt sich auf jeden Fall, durchzuatmen.

So führst du Agnistambhasana, Fire Log Pose, richtig aus

  1. Starte im Sitzen in Dandasana. Deine Beine sind nach vorne gestreckt.
  2. Spreize deine Beine etwa 45 Grad.
  3. Beuge dein linkes Bein, so dass deine Beinaußenseite zum Boden sinkt und deine linke Ferse auf Höhe deines rechten Knies andockt.
  4. Beuge dein rechtes Bein und staple Unterschenkel auf Unterschenkel. Von oben betrachtet baust du mit deinen Beinen ein gleichschenkliges Dreieck.
  5. Self-Assist: Drehe mit deinen Händen deine Oberschenkel nach außen, um die Außenrotation in deinen Hüften zu unterstützen.
  6. Self-Adjust: Korrigiere eventuell noch mal die Haltung deiner Füße, falls deine Fußgelenke nicht direkt unter deinen Knien liegen. 
  7. Flexe deine Füße. Schieb sie über deine Fußballen und Fersen nach außen. Zusätzlich schiebe sanft die Außenkanten der Füße in die Matte bzw. das untere Bein.
  8. Positioniere deine Hände links und rechts neben deinem Gesäß. Richte dich über den Druck deiner Fingerspitzen auf.
  9. Kippe dein Becken nach vorne, hebe dein Herz und ziehe die Spitzen deiner Schulterblätter nach hinten unten.
  10. Optional: Nur wenn deine Knie glücklich und deine Hüften aus warmem Honig sind, verneige dich mit langer Oberkörpervorderseite nach vorne.
  11. Erde deine Hände vor deinen Schienbeinen. 
  12. Mit der Einatmung verlängert sich dein Rumpf aus den Leisten und mit der Ausatmung schmilzt du in deine Vorwärtsbeuge.
  13. Bleibe hier für fünf bis zehn tiefe, lösende Atemzüge. 
  14. Bevor du die Seite wechselst, lockere deine Beine und spüre nach.

Mein Yogi:ni-Tipp: Nur selten sind unsere westlichen Hüften gelenkig und flexibel genug für diese Asana. Setze dich direkt zum Start auf die Kante einer dick gefalteten Decke. Das ist nicht so erhebend wie ein fliegender Teppich, aber ähnlich magisch. Das erhöhte Sitzen verschafft dir Platz und du vermeidest, dass du fehlende Beweglichkeit in den Hüften anatomisch durch deine Knie kompensierst.


Jivamukti Yoga – Power, Klang und Ahimsa mit Moritz Ulrich


Atmung als Anker

Jede bewusste Atemwelle aus Einatmung und Ausatmung hat die Kraft aufgebaute Anspannung zu verändern. Stell dir vor, dass du mit jeder Einatmung deinen inneren Widerstand umarmst und ihn mit jeder Ausatmung mehr gehen lässt. Du wirst bemerken, dass jede Atemwelle eine neue Emotion, einen Gedanken oder physischen Druck hervor spült. Dieses intensive Wechselspiel ist deine Yoga-Praxis. Du selbst entscheidest, auf welcher Ebene du arbeitest und wie weit du gehst. 

Wann immer dich das Gefühl der Enge überkommt, erlaube dir durch den Mund auszuatmen. Wenn nötig mehrmals. Konzentriere dich noch mehr auf die Ausatmung. Auch wenn du glaubst vollkommen leer zu sein, atme weiter aus, bis die Atemleere dich vollständig ausfüllt. 

Beim Üben von Hüftöffnern rauscht der Atem manchmal von allein hörbar in die Tiefe. Übe bewusst die Ujjayi-Atmung, bemerke die Veränderung in deinen Atemwellen und schwimme auf dem Rauschen deiner Kehle durch das unendliche Meer zum Strand.

Die Wirkung von Agnistambhasana

Der Schlüssel zu tiefen Hüftöffnungen liegt – abgesehen von deinem Bewegungsradius im Hüftgelenk – in der Fähigkeit dich hinzugeben. Erst wenn du lernst das Unbehagen anzunehmen statt abzulehnen, kannst du Stress über Bewegung abbauen. Ergänze deine Praxis um das Feuerholz und du wirst mit einer Positivspirale körperlicher und geistiger Benefits belohnt!

Physische Wirkungen

  • dehnt deine Hüft- und Gesäßmuskulatur, insbesondere deinen Piriformis
  • mobilisiert deine Hüftgelenke und Leisten
  • stärkt deine Beine und Waden

Psychische Wirkungen

  • ideal um Stress abzubauen
  • lehrt dich Hingabe und Loslassen 
  • stärkt deine Widerstandskraft 
  • hilft gegen geistige Ermüdung und schafft Klarheit

Energetische Wirkungen

Die Asana aktiviert vor allem dein Muladhara Chakra (Wurzelchakra) und Svadhisthana Chakra (Sakralchakra).

Kontraindikationen: Wann ist Vorsicht geboten?

  • bei Knieproblemen /-verletzungen aller Art
  • bei Bänderverletzungen des Knies oder Fußgelenkes
  • bei Hüftverletzungen 
  • bei Verspannungen und Verletzungen im unteren Rücken (vermeide die Vorwärtsbeuge)

Das Beste vom Yoga für dich nach Hause – 7 Tage gratis


Vorsicht bei Übermut: Agnistambhasana ist kein Kniefreund

Wie der Lotussitz Padmasana gehört auch das Feuerholz zu den sitzenden Asanas, die das Machtverhältnis zwischen Hüfte und Knie klar regeln. Die Hüfte besiegt das Knie. Vereinfacht gesagt funktioniert dein Kniegelenk wie ein Scharnier. Durch die Auswärtsdrehung deiner Oberschenkel, kombiniert mit der Beugung und Abduktion der Beine, kann deshalb eine enorme Spannung in den Kniegelenken entstehen. 

Jedes Gefühl von Spannung ist ein klares Zeichen die Asana zu verändern. Unsere Körper lassen sich nicht wie Plätzchenteig in Formen gießen. Aber jede Asana lässt sich an deine Tagesform, deinen individuellen Knochenbau und deine Möglichkeiten anpassen. Es ist gar nicht so wichtig zu verstehen, es ist viel wichtiger auf die Signale deines Körpers zu vertrauen. Du empfängst das Signal und wir inspirieren dich mit alternativen Variationen. 

Wer wie ich, keine „Popstar-Hüften“ hat, braucht also nicht auf Agnistambhasana zu verzichten. Wir zeigen dir Alternativen, mit denen auch deine Hüften so geschmeidig wie warmer Honig werden. Und für alle Yogi:nis mit biegsamen Hüften gibt es feine Kreationen zum Ausprobieren. 

Variationen mit Hilfsmitteln für die doppelte Taube

Zwinge dich keinesfalls in ein Asana-Korsett, das nicht für dich geschneidert ist! Dein Stapel Feuerholz muss nicht akkurat sein. Mit Yoga-Hilfsmitteln wie Decken, Kissen und Blöcken kannst du die Gelenkstellung so verändern, dass Agnistambhasana sich an deinen Körper anpasst. 

Agnistambhasana auf gefalteter Decke 

Erhöhtes Sitzen (s.o.) ändert die Orientierung deines Hüftgelenks und schafft ganz einfach Platz. Konkret hilft es dir, das Ausmaß der notwendigen Außenrotation zu reduzieren. Bau dir die perfekte Höhe und setze dich auf die Kante, so dass dein Becken leicht nach vorne kippt. Ein goldener Yoga-Kniff, der zwar die Koordinaten der Asana ändert, aber nicht die Benefits.

Doppelte Taube mit Props

Möglicherweise berühren sich deine Knie und Füße nicht, weil deine Hüften einzigartig sind. Props sind Yoga-Hilfsmittel stopfen die Lücke. Platziere einen Block, eine gerollte Decke oder ein Kissen zwischen deinem oberen und unteren Bein. Das Knie ist jetzt unterfüttert und wird geschützt, während du dich wohlig in die Vorwärtsbeuge atmest.

Ardha Agnistambhasana auf dem Stuhl

Diese Variante ist bürotauglich, kniefreundlich und für alle Yogi:ni-Hüften geeignet. Schnapp dir deinen Stuhl, platziere deine Füße hüftweit auf dem Boden und lege deinen linken Knöchel auf deinen gegenüberliegenden Oberschenkel. Optional lege als Gewicht sanft deine Hände auf Knie und Knöchel. Erlaube deinem Knie zu sinken und spüre die Stimulation in deiner äußeren Hüfte. „Ardha” bedeutet auf Deutsch halb. Mit Ardha Agnistambhasana gehörst du auf jeden Fall zu Team “halb voll” und machst keine halben Sachen. (Achtung: Die andere Seite nicht vergessen!)

Variationen ohne Hilfsmittel für die doppelte Taube

Agnistambhasana - Feuerholz-Haltung

Du hast Lust mit kleinen Veränderungen zu experimentieren? Wir zeigen dir kreative Variationen, die die Komplexität der Asana in einer Weise variieren, die deine Perspektive verändert. Einfach ausprobieren, bloß nicht grübeln. Alles was nicht klappt, wird weggelächelt!

„Knöchel unter Knie”-Variante

Warum das Fußgelenk auf das Knie zwingen, wenn wir es auch drunter mogeln können. Getreu dem Motto: Lieber ein chaotischer Haufen Feuerholz als schmerzende Perfektion.

Schiebe deine Fußgelenke jeweils unter dein gegenüberliegendes Knie. Du baust trotzdem mit deinen Beinen ein gleichschenkliges Dreieck, mit dem kleinen Unterschied, dass sich deine Unterschenkel kreuzen. Zugegeben, es ist ein wenig Ruckelei nötig, aber die Mühe ist es wert. Geeignet für mich und alle anderen, die trotz erhöhtem Sitz partout ihren Fuß nicht auf das gegenüberliegende Knie legen können. 

Twiste deine doppelte Taube

Wenn du deine Stabilität im Fundament gefunden hast, ist es ist Zeit für einen Detox-Boost! 

Du sitzt aufrecht in Agnistambhasana. Dein rechter Unterschenkel liegt oben. Bring deine Hände vor dein Herz. Über den sanften Druck der Hände weitest du deine Schlüsselbeine. Während du dich mit der Einatmung aufrichtest, drehst du dich mit der Ausatmung vom Bauchnabel aufwärts nach links. Gleichzeitig lehnst du dich nach vorne. Wiederhole die Prozedur, bis du deinen rechten Oberarm gegen deine rechte Fußsohle schieben kannst. Nutze den Hebel, um dich mit dem Herzen nach links zu twisten. Mit jeder Atemwelle lass den Ballast los, der dich in die Tiefe zieht. 

Variante mit verschränkten Händen

Du hast keine Mühe mit langer Wirbelsäule in die Vorwärtsbeuge zu tauchen? Wunderbar.

Starte in Agnistambhasana, sitze aufrecht und rolle deine Schultern zurück. Verschränke deine Hände hinter dem Rücken und strecke deine Arme aus den Schultern. Atme ein, hebe dein Herz und deinen Blick, tauche mit deiner nächsten Ausatmung schmelzend in deine Vorbeuge. Spare an deinen Ambitionen, lass dir dafür mehr Zeit. 

Yin-Variation zum Schmelzen

Im Yin Yoga erlauben wir uns bewusst weniger zu machen. Wir praktizieren mit entspannter Muskulatur und lassen uns Zeit. Verweile zwei bis fünf Minuten in der Asana, bevor du im Schneckentempo die Seite wechselst. Du benötigst Kissen, Decken, Blöcke, um es dir bequem zu machen. Quarktaschen-Modus, jetzt. 

„Der offene Schnürsenkel”

Damit du erst gar nicht in Yang-Stimmung kommst, hat die Yin-Asana einen anderen Namen. Der offene Schnürsenkel ist bewusst formlos. Vergiss alle Ausrichtungsvorschläge. Konzentriere dich stattdessen darauf deine schnürsenkelige Feuerholz-Haltung so einzurichten, dass du eine angenehme Sensation im Gesäß spürst. Nutze Bolster und Kissen, um deine Knie abzupolstern und deinen Oberkörper samt Kopf abzulegen. Stelle die Intensität so ein, dass du nicht zu viel und auch nicht zu wenig machst. Dein Rücken darf sich runden.

Variationen verändern die Perspektive, verschaffen dir einen neuen Blickwinkel. Wie fühlt sich die Variation an? Was hat sich durch die Hilfsmittel verändert? Was brauchst du noch, um loslassen zu können? 

Vertraue den Signalen deines Körpers und verlass dich auf seine Orientierung. Natürlich helfen uns Konzepte und auch die Koordinaten einer Asana sie überhaupt erst zu erfahren. Aber dann irgendwann erlaube dir, dich von den Fesseln des Sichtbaren zu lösen. Deine doppelte Taube ist per se eine Variation, denn keine gleicht der anderen. Agnistambhasana zeigt uns aufrichtig, wie einzigartig wir sind, und schenkt uns Erleichterung auf dem Weg zu uns selbst. 

Dana Pukowski
Dana Pukowski

Dana Pukowski ist Yogalehrerin, Weltenbummlerin, Projektmanagerin und war 6 Jahre Teil der YogaEasy Familie. Sie unterrichtet Meditation, Vinyasa und Yin Yoga seit mehr als 7 Jahren in Hamburg. Als Unternehmensberaterin fand sie im Yoga das wieder, was sie heute in ihren Yogastunden und Retreats teilt, den Mut zur Pause, das Nichtstun als kreative unerschöpfliche Quelle für Inspiration und Visionen. Dana bummelt um die Welt, liebt Herausforderungen als Projektmanagerin und bereichert unser YogaMag auch heute noch mit ihren yogischen Wortzaubereien.