
Die Haltung der Göttin – Utkata Konasana
Du magst es ungemütlich und bist bereit, Grenzen zu überschreiten? Dann ist die Haltung der Göttin (engl. Goddess Pose) genau das Richtige für dich. Denn diese Standhaltung lässt deine Muskeln qualmen und fordert deinen Geist. Wir zeigen dir, wie du Utkata Konasana achtsam ausführst und mit welchen Variationen du spielen kannst.
Die unverfälschte Kraft der Göttin
Wenn ich Utkata Konasana unterrichte – „Utkata“ bedeutet auf Sanskrit „machtvoll”,„heftig” und „Kona“ wird mit „Winkel” übersetzt – erhitzt sich der Yoga-Raum nach wenigen Atemzügen. Die Energie im Raum lädt sich in rasender Geschwindigkeit auf. Fast fühlt es sich an, als würde ein heftiger Sturm aufkommen. Nicht selten blicke ich dann in willensstark leuchtende Augen – und hier und da erkenne ich eine Seele, in all ihrem Sein.
Die Göttin-Haltung verbindet uns alle mit unserer weiblichen Energie, stärkt unsere innere Kraft und öffnet das Tor zur Kreativität. Utkata Konasana fühlt sich kraftvoll und unverfälscht an. Niemand ist hier ausgegrenzt oder besonders bevorzugt – und durchmogeln ist unmöglich.
Kein Wunder, dass uns die Energie dieser Asana an „Kali“, die wilde und dunkle Göttin der Transformation, erinnert – an ihre aufbrausenden, freien, grenzüberschreitenden Qualitäten. Diese Energie beschönigt nichts. Erst wenn wir in den Abgrund schauen, kann Kali uns dabei helfen, unsere Masken fallen zu lassen und neue, zunächst unbequeme Wege zu gehen.
Anleitung: Wie führe ich Utkata Konasana korrekt aus?
- Beginne in Tadasana. Mache einen Ausfallschritt und drehe dich zur langen Mattenkante.
- Drehe deine Füße bequem nach außen, ungefähr 45 Grad.
- Bringe deine Hände in die Hüfte, beuge deine Beine (maximal 90 Grad) und setze dich tief.
- Richte deine Knie über deinen Sprunggelenken aus. Deine Zehen zeigen in dieselbe Richtung wie deine Knie.
- Richte dein Becken auf und aktiviere Uddiyana Bandha. Dein Rumpf befindet sich über deinem Becken und du wächst durch die Krone deines Kopfes nach oben.
- Bringe deine Hände in Anjali Mudra. Über den Druck der Hände öffne deinen Brustkorb.
- Verbinde dich mit deinem Atem und bleibe hier für fünf bis zehn Atemzüge.
- Strecke einatmend deine Beine und komme zum Mattenanfang. Lockere dich gerne.
Mein Tipp: Setze dich wie bei Utkatasana nach hinten unten bis deine Oberschenkel glühen. Stelle dir vor, wie du mit der Rückseite deines Oberkörpers eine Wand berührst, dich aufrichtest. Nimm die Zähne auseinander, entspanne Gesicht und Kiefer. Erde dich mit jeder Ausatmung vom Becken aus über die Beine – und empfange deine Kali-Energie.
In diesem Tutorial führt dich Nina Heitmann in die Goddess Pose:
Welche Wirkungen hat die Haltung der Göttin?
Du möchtest aus deinen Gewohnheiten ausbrechen, über dich hinauswachsen, eine ungewohnte Richtung einschlagen? Mit Utkata Konasana entwickelst du nicht nur muskuläre Kraft, sondern auch ein Gefühl von innerer Stärke und Selbstvertrauen.
Physische Wirkungen
- öffnet deine Hüfte und deine Leisten
- verbessert Stück für Stück die Beweglichkeit deines gesamten Unterkörpers
- kräftigt deinen gesamten Unterkörper: Quadrizeps, Gesäß, Knie, Fußknöchel
- stärkt gezielt deinen Gluteus Maximus, ein Opfer unseres sitzenden Alltags
- öffnet deinen Brustkorb und streckt deinen Oberkörper
- kann Symptome von Arthritis gelenkschonend lindern
- für Frauen: Lindert Menstruationsbeschwerden
- für Schwangere: Erweitert und stärkt die Gebärmutter
Psychische Wirkungen
- verbindet dich mit deiner Kali-Energie, einer transformierenden Kraft
- vermittelt dir ein Gefühl von Stärke und schenkt dir Selbstvertrauen
- reißt dich aus deiner Gedankenspirale und hilft dir so Stress abzubauen
- verbindet dich mit deiner weiblichen Energie, deiner sinnlichen und kreativen Seite
- katapultiert dich ins Hier und Jetzt und verbessert dadurch deinen Fokus
Energetische Wirkungen
- akiviert deine ersten drei Chakren Muladhara Chakra, Svadhistana Chakra und Manipura Chakra
- energetisiert deinen gesamten Körper und verbessert deinen Energiefluss im Körper
Das richtige Alignment für Utkata Konasana: Konzentriere dich auf die Funktion
Eine Schlüsselrolle bei der Ausrichtung in der Haltung der Göttin spielt die Öffnung deiner Hüfte. Hüftöffner sind die Popstars in einer Yoga-Sequenz. Deswegen klingt Öffnung auch immer so als könntest du das maximal selbst beeinflussen, quasi ein Körper ohne Grenzen. Eine Illusion.
Sprechen wir von einer geöffneten Hüfte, meinen wir eine Außenrotation des Oberschenkelknochens in der Hüftpfanne, etwa im Schneidersitz. Je nach individuellem Körperbau kommst du dort an Grenzen. Grenzen, die durch eine regelmäßige Yoga-Praxis verschiebbar sind, wie emotionale Barrieren oder muskuläre Verspannungen. Aber auch an Grenzen wie eine Knochenkompression, die nicht verschiebbar sind. Auch nicht, wenn du noch mal ganz tief durchatmest oder in deiner Vergangenheit wühlst. Knochenkompression bedeutet Knochen auf Knochen. Ein klarer Stopp.
Richtest du dich in Utkata Konasana aus, orientierst du dich an deiner Hüftöffnung. Vergiss die äußere Form und konzentriere dich auf die Funktion der Asana.
Das perfekte Fundament: Korrigiere deine Basis
Grundsätzlich versuchen wir eine Asana wie ein Haus aufzubauen. Wir starten mit dem Fundament, bevor wir die Haltung von unten nach oben ausrichten. Soweit die Theorie.
In Utkata Konasana beginnst du bei den Füßen, deiner Basis. Du schätzt in der Grätsche beim Ausdrehen der Füße ungefähr deine Hüftöffnung ab. Eine bestmögliche Annahme, aber eben auch ein Grundstein. Gehst du dann in die Kniebeuge, kommt es in unserer Gelenkkette (Hüft-, Knie-, Fußgelenk) eventuell zu Streitereien. Wichtig ist hier: Die Hüfte ist die Chefin und gibt den Spielraum vor. Das heißt, du darfst, nein musst sogar deine Basis anpassen. Das geht in beide Richtungen. Du drehst die Füße weiter nach innen oder nach außen, um deiner Hüftöffnung zu entsprechen und Frieden zu stiften. Dein Kniegelenk steht hier im Streit oft dazwischen und leidet, wenn wir das nicht tun. Das gilt vor allem dann, wenn das Knie nach innen knickt. Das Kniegelenk ist ein Scharniergelenk mit marginalem Spielraum bei Außen- und Innenrotationen in der Hüfte. Wir sollten es nicht reizen.
Erst wenn alle Gelenke zufrieden sind, bist du angekommen. Nimm dir immer Zeit für das Zurechtruckeln, dein individuelles Alignment.
Kontraindikationen der Goddess Pose: Wann ist Vorsicht geboten?
- bei Hüft-, Knie- und Knöchelverletzungen
- bei Schulterverletzungen nimm gerne die Hände vor dein Herz
- bei Bluthochdruck gehe die Haltung ganz sanft an – weniger ist hier mehr, denn die Haltung der Göttin erzeugt viel Hitze
Welche Variationen von Utkata Konasana gibt es?
Lasst uns mit der Goddess Pose spielen und Variationen ausprobieren!
Die Adler-Göttin
Die Variante mit den Adler-Armen ist ein fordernder Kontrast zur geöffneten Hüfte.
Dafür kreuze, beuge und verschlinge die Arme ineinander. Bringe die Handflächen (wenn möglich) zusammen und hebe die Ellbogen auf Schulterhöhe. Lass die Schultern wieder in die Rückseite fließen.
Behalte dabei deinen ganzen Körper im Blick. Je mehr Sensationen auftauchen, desto schwerer fällt es uns, das große Ganze zu fühlen.
Die dynamische Göttin
Bringe Bewegung in deine Göttin!
Atme ein, strecke die Beine, hebe die Arme gestreckt über den Kopf, mach dich groß. Atme aus, sinke in die Göttin-Haltung zurück und zentriere deine Hände vor dem Herzen. Deine Atmung gibt den Takt vor, die Bewegung folgt.
Fühle die kraftvolle Schwingung und wie sich ein Gefühl von Erdung mit jeder Ausatmung ausbreitet.
Die Kaktus-Göttin
Auch Kakteen blühen: Öffne dafür deine Arme auf Schulterhöhe und beuge sie um 90 Grad nach oben. Die Handflächen schauen zum Kopf. Ziehe deine Schulterblätter aktiv nach hinten unten. Aktiviere in dieser Armvariation unbedingt Uddiyana Bandha und ziehe mit jeder Ausatmung deinen Nabel nach innen oben.
Die wippende Göttin
Fordere dich heraus und lass deine Hüfte schwingen!
Komm in die Göttin-Haltung und lass vom Becken aus kleine Vibrationen entstehen. Ein Schwingen von oben nach unten oder auch von links nach rechts. Lang, weich und fließend. Spüre wie die Hitze sich vom Becken aus ausbreitet. Nach einer Minute strecke die Beine und spüre nach.
Die Balance-Göttin
Wachse über dich hinaus: Hebe in Utkata Konasana erst eine Ferse und dann abwechselnd die andere Ferse. Gehe gerne einen Schritt weiter und hebe beide Fersen gleichzeitig. Dafür fixiere einen Fixpunkt vor dir (im Yoga auch Drishti genannt) und finde Ruhe in der Balance.
Ach ja: Vergiss dabei bitte nicht zu atmen.
Die Löwen-Göttin
Du möchtest deine Kali-Energie ins Unermessliche steigern? Kombiniere dafür den Löwen mit Utkata Konasana.
Lege deine Hände auf die Oberschenkel. Atme ein und halte den Atem kurz an. Atme dann brüllend wie ein Löwe durch den Mund aus und strecke dabei die Zunge raus. Lehne dich dabei nach vorne und blicke auf die Nasenspitze. Stelle dir vor, du bist die Königin der Löwinnen.
Niemand hat gesagt, dass Göttinen bequem in der Sonne liegen, während ihnen kühle Luft zugefächelt wird! Als Göttin brauchst du Kraft, Selbstvertrauen und vor allem Mut, um unbequeme Wege zu gehen.
Viel Spaß beim Praktizieren, Ausprobieren, Grenzen testen.