
Malasana – die tiefe Hocke (Squat)
Malasana – die tiefe Hocke, auch bekannt als Yogi Squat oder Garland Pose (Girlandenhaltung) – zeigt uns Erwachsenen hier in der westlichen Welt schmerzlich auf, dass wir zu viel Zeit auf dem Sofa und anatomisch suboptimalen Bürostühlen verbringen. Dadurch sind unsere Hüft- und Beinmuskeln oft so verhärtet, dass das Sitzen in der Hocke eine echte Herausforderung ist. Menschen in Indien und anderen asiatischen Ländern hocken dagegen – in wirklich allen Alltagssituationen – stundenlang auf dem Boden. Und auch kleine Kinder gehen regelmäßig in die tiefe Hocke, etwa wenn sie etwas am Boden betrachten oder bespielen wollen. Kein Wunder! Denn wer Malasana korrekt einnehmen kann, kommt nicht nur in den Genuss einer wunderbaren Hüftöffnung und einer entspannenden Rückendehnung.
Die Bedeutung des Begriffs Malasana
Wer gerne durch Asien reist, kennt diesen Moment: Du öffnest die Toilettentür und starrst entgeistert in ein Loch. Auweia – eine Hocktoilette. Tatsächlich ist die tiefe Hocke die optimale Haltung für einen erfolgreichen Stuhlgang, weil dein Beckenboden in dieser Position perfekt entspannt. Kein Scherz.
Damit sind wir auch schon bei der wenig schöngeistigen Interpretation des Begriffs „Malasana”. Denn „Mala“ bedeutet auf Sanskrit tatsächlich „Schlacken”, „Abfallstoffe”, „Kot”. Die Übersetzung „Toilettenhaltung” wäre also korrekt – wenn auch vielleicht zu nah an der Realität. Lang ausgesprochen bedeutet „Mala“ („Maalaa“) glücklicherweise „Gebetskette” oder „Girlande”. Das klingt appetitlicher, und so hat sich die westliche Yoga-Szene stillschweigend auf „Girlandenhaltung” beziehungsweise den neutralen Sanskrit-Namen „Malasana“ geeinigt (im Englischen ist „Squat“ am üblichsten).
Warum nicht nur Von-Verstopfung-Geplagte und Schreibtischtäter:innen, sondern auch Schwangere und Athlet:innen die tiefe Hocke rocken sollten und wie du die Asana wunderbar variieren kannst, erklären wir in diesem Artikel.
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So führst du Malasana richtig aus
- Starte in der Berghaltung Tadasana und öffne die Füße mattenbreit.
- Deine Zehen zeigen leicht nach außen, die Fersen nach innen.
- Beuge die Knie und setze dich in eine tiefe Hocke.
- Lasse dein Gesäß schwer in Richtung Erde sinken, während du dich aus dem Becken hebst und deine Wirbelsäule streckst.
- Bringe deine Hände vor dein Herz in Gebetshaltung und schiebe die Ellbogen gegen die Innenseiten deiner Oberschenkel – und die Innenseite deiner Oberschenkel gegen die Ellbogen.
- Nutze den Druck über die Hände, um die Brust zu heben und die Schulterblätter in den Rücken fließen zu lassen. Deine Kopfkrone strebt nach oben.
- Entspanne in deinen Beckenboden und atme tief in deinen Bauch hinein.
- Bleibe hier für fünf bis zehn Atemzüge und genieße das stabilisierende Gefühl.
Tipps: Einerseits nutzt du die Schwerkraft und deine Ausatmung, um dein Gesäß schwer in Richtung Boden sinken zu lassen. Andererseits hebst du dich mit der Einatmung gegen die Schwerkraft aus dem Becken nach oben und arbeitest an der Länge deiner Wirbelsäule. Finde eine gute Balance zwischen diesen beiden Polen.
Hier zeigt die Mike Erler, wie du die tiefe Hocke korrekt praktizierst:
Typische Probleme bei Malasana – und ihre Lösung
Falls du nicht direkt mit deinen Fersen auf den Boden kommst, ist das kein Problem. Zum einen kannst du die Haltung selbst variieren – etwa die Beine etwas weiter auseinander platzieren und die Zehen noch etwas stärker nach außen drehen.
Falls dir vor allem die Balance schwer fällt – speziell, wenn der Körperschwerpunkt eher hinten liegt und du Angst hast nach hinten umzukippen – kannst du die Hände auch vor dir auf den Boden setzen und so für mehr Stabilität sorgen. Achte dabei darauf, dass du den Rücken lang hältst.
Hilfsmittel kommen immer dann zum Einsatz, wenn dir an bestimmten Stellen die Flexibilität fehlt, du dich mit Einschränkungen anfreunden darfst oder du vollständig loslassen möchtest. Zum Beispiel kannst du eine gerollte Yogamatte oder Decke nutzen, um deine Fersen zu unterstützen (siehe Foto unten). Falls du die Asana nicht zur Entspannung nutzen möchtest, stelle die Höhe so ein, dass du trotzdem in der Asana an deiner Grenze arbeiten kannst – so dass irgendwann deine Fersen den Boden liebkosen.
Auch Irritationen am Knie, ältere Verletzungen oder Bewegungseinschränkungen sind kein Grund Malasana ad acta zu legen! Setze dich bequem auf einen, zwei oder drei Blöcke, so dass die Flexion im Knie reduziert und die Belastung verringert wird:
Die Wirkungen von Malasana
Malasana gehört – auch wenn es nicht sofort erkenntlich ist – zur Asana-Gruppe der Vorwärtsbeugen: Das Hüftgelenk wird nach vorne gebeug, gleichzeitig wird die Länge im Rumpf beibehalten. Wie wir wissen, wirken Vorbeugen herrlich beruhigend und beugen etliche Zivilisationskrankheiten – Stichwort: Rücken – vor. Speziell für Athlet:innen, Läufer:innen, Skifahrer:innen ist die tiefe Hocke zudem die perfekte Ausgleichübung, um verkürzter Muskulatur entgegenzuwirken und die erforderliche Flexibilität in Fuß- und Hüftgelenken zu trainieren. Das ist aber noch lange nicht alles!
Physische Wirkungen der tiefen Hocke
- dehnt deine Fußgelenke, Waden, deinen unteren Rücken und deine Brustmuskeln
- streckt deinen gesamten Rücken
- stärkt die Flexibilität in deinen Leisten und Kniegelenken
- bringt deinen Stoffwechsel in Schwung und aktiviert dein Verdauungssystem
- wirkt vorbeugend gegen Verstopfungen
- verbessert die Durchblutung im Becken und fördert deine Beckenmobilität
- lindert Menstruationsbeschwerden
- als hüftöffnende Übung perfekt für die Geburtvorbereitung geeignet – Achtung: erst in den letzten Wochen vor der Geburt üben!
Psychische Wirkungen von Malasana
- wirkt erdend und schenkt dir ein Gefühl von tragender Ruhe
- stabilisiert und beruhigt dich
- verbindet dich mit der Erde und stärkt dein Urvertrauen
Energetische Wirkungen der tiefen Hocke
- Malasana aktiviert das Muladhara Chakra (Wurzelchakra) und das Svadhisthana Chakra (Sakralchakra).
Ein Pluspunkt ist, dass du mit der tiefen Hocke entspannt auf Reisen überleben kannst. Insofern ist Malasana mein Geheimtipp für deine Reisevorbereitungen. Eine Hocktoilette wird dich nie wieder schockierend zurücklassen. Obwohl...
Kontraindikationen: Wann ist Vorsicht geboten
Bei Schmerzen im unteren Rücken und bei Knieverletzungen und Schmerzen in den Knien solltest du aus verständlichen Gründen die Übung erst mal nicht machen.
Variationen von Malasana
Du kannst die Hocke in allen möglichen Varianten rocken und sie an deine Bedürfnisse anpassen.
Variante zur Öffnung deiner Schultern
Fixiere zunächst eine Hand am Boden und schiebe den Oberarm gegen die Innenseite des Oberschenkels. Den anderen Arm streckst du Richtung Himmel, um deine Schulter zu öffnen. Schau gerne der Hand hinterher. Wechsle die Seiten.
Fortgeschrittene Variante
In deinen Leisten fließt Honig und deine Fersen sinken spielerisch zum Boden? Dann darfst du das hier ausprobieren: Gehe mit geschlossenen Füßen und Knien in die Hocke. Die Fußsohlen und Fersen sind hierbei vollständig auf dem Boden. Bewege so spät wie möglich die Knie auseinander. Hebe das Gesäß nun weg vom Boden und streck deine Wirbelsäule.
Traditionelle Variante
In deinen Adern fließt eigentlich indisches Blut und die westliche „Weichwurst-Variante” langweilt dich zu Tode? Beuge den Rücken zusätzlich nach vorne. Lege die Hände eine nach der anderen vorne an den Knien vorbei nach hinten auf den Rücken und greife deine Finger. Nutze gerne einen Gurt als Armverlängerung. Strecke jetzt den Rücken und deinen Nacken nach oben. Bleibe hier für einen Moment und atme. Atme dann aus und lege den Kopf auf den Boden. Du wirst belohnt mit einem weiteren Benefit: Durch die Kompression in der Oberkörper-Vorderseite werden deine Bauchorgane belebt.
Baddha Malasana
Falls du keine Bindungsängste hast (Achtung, Kalauer!) kannst du die gebundene Variante ausprobieren: Beuge dich nach vorne und greife mit einer Hand von vorne um ein Bein hinter deinen Rücken. Rotiere dafür den Arm nach innen. Führe deinen anderen Arm um dich herum und probiere die Hände zu greifen. Ein Gurt hilft, um die Lücke zu schließen. Atme ein, richte dich auf und drehe dein Herz zum Himmel.
Malasana mit ausgestrecktem Bein
Diese Variante ist Flow-tauglich. Streckst du ein Bein zur Seite aus, wird aus Malasana Skandasana (siehe Foto unten). Drehe die Zehen des gestreckten Beines Richtung Himmel. Die Hände können am Boden, vor dem Herzen oder Richtung Decke gestreckt sein. Vor der Statik kommt die Dynamik. Wechsel gerne im Flow die Seiten, um deine Gelenke zu mobilisieren und dich aufzuwärmen.
Es geht aber auch gemütlich...
Malasana an der Wand
Dir ist nach Anlehnen oder Zurücklehnen zu Mute? Das geht auch in der tiefen Hocke. Die Wand als Hilfsmittel ist dafür einfach genial: Stelle dich mit dem Rücken an die Wand. Öffne deine Füße hüftschmal oder breiter. Lass dein Gesäß entlang der Wand nach unten rutschen. Achtung, ständige Wiederholung hinterlässt vielleicht ein Farbspiel an der Wand.
Yin-Variante
Für alle Kuscheltiere verwandeln wir die tiefe Hocke jetzt in einen Ort zum Bleiben! Ziel ist es, das tieferliegende Gewebe durch wirkliches Loslassen zu stimulieren. Hilfsmittel ermöglichen es dir, die Haltung so auszuführen, dass deine Muskeln vollständig entspannen können.
Setze dich dazu auf ein Meditationskissen und lehne dich zusätzlich an eine Wand. Wenn du willst, kannst du auch die „verneigende” Variation praktizieren: Stell dafür ein stabiles Bolster senkrecht vor dir auf und lege deine Stirn darauf ab. Du kannst drei, fünf oder zehn Minuten verweilen.
Beachte dabei, dass deine Übungsintensität maximal 65 Prozent betragen sollte, um in die Haltung zu schmelzen und auf allen Ebenen zur Ruhe zu kommen.
Du bist einzigartig – deine Hocke auch
Es gibt unfassbar viele Gründe, warum diese Asana nicht direkt dein Herz erwärmt. Verkürzte Muskeln, fehlende Mobilität, Stress oder emotionale Barrieren können dich einschränken. Deine Aufgabe ist es nicht die Asana perfekt auszuführen und die Form zu kopieren. Ziel ist es stattdessen, dich kennenzulernen – und zu akzeptieren. Lerne mit und für deinen Körper, nicht gegen ihn. Probiere aus, was sich gut anfühlt, und verändere auch immer wieder die Blickrichtung. Nichts ist statisch, alles verändert sich.
Es kann nämlich sein, dass du deine Fersen niemals zum Boden bekommst, egal wie viel Willensstärke oder Disziplin du aufbringst. Wir alle haben einen individuellen Knochenbau. Gelenkigkeit ist ein vorgegebener Spielraum. An deiner Flexibilität kannst du arbeiten. An deiner Gelenkigkeit nicht. Ein Beispiel: Um in die Hocke zu kommen, ist das erste Gelenk, das dich aufhalten kann, dein Fuß-/Sprunggelenk. Wenn hier bei der Flexion/Beugung Knochen auf Knochen treffen, dann ist einfach Schluss. Da hilft auch kein lösendes Ausatmen, um die Fersen zum Boden zu senken.
Denke immer daran: Wir alle sind verschieden und es ist absolut sinnlos, sich in Formen zu pressen, die unserem Körper nicht entsprechen.
Viel Spaß beim Hocken und Rocken!