
Kula, die yogische Gemeinschaft – we are all one
In einer Zeit, in der alles unglaublich dicht vernetzt und schnell zu haben ist, sehnen sich viele Menschen mehr denn je nach echter Nähe und tiefer Verbundenheit. Die meisten von uns sind aber ziemlich beschäftigt. Wir arbeiten, googeln, whatsappen, mailen, parshippen, funktionieren, sind fast immer erreichbar, viel online, wollen höher, weiter, schneller, besser sein. Wir sind so beschäftigt, dass uns weder Raum noch Zeit für gelebte Gemeinschaft und Freundschaft in der Offline-Welt bleiben. Ich jedenfalls hätte gerne (noch) mehr davon.
Was bedeutet Kula im Yoga?
Der Sanskrit-Begriff „Kula“ hat in Indien die Bedeutung von „Herde“, „Familie“, „Gemeinschaft“. Kula spielt in der Yoga-Geschichte eine wichtige Rolle, denn in der yogischen Praxis geht es immer um die Entwicklung des Individuums in Verbindung mit dem Ganzen. Im buddhistischen Kontext wird die Kula auch „Sangha” genannt.
Der Begriff ist in tantrisch inspirierten Hatha-Yoga-Kreisen entstanden. Yogaschüler:innen gehörten damals im alten Indien wie heute der Kula eines bestimmten Gurus an. Sie gehören also zur Familie, zum Haushalt, zur Gemeinschaft ihres/ihrer Lehrer:in. Sie lernten so nicht nur durch konkrete Aufgaben und Meditationen, sondern auch durch das tägliche Zusammenleben von und mit ihren Meister:innen. Gemeinsames Essen, Wohnen und Arbeiten war Teil einer sogenannten „Gurukula“.
Kirtan, Workshop, Satsang – Yoga verbindet
Yoga bringt Menschen überall auf der Welt zusammen und sorgt für Kula-Feeling. Beim Kirtan (dem gemeinsamen Singen), in Workshops, auf Yoga-Retreats, Yoga-Konferenzen, Yoga-Festivals, im Alltag und Urlaub: Ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell sich Menschen bei Yoga-Events miteinander verbinden, wie tief der Austausch und wie groß die Offenheit in den Gesprächen währenddessen oder danach ist. Yoga ist auch deshalb so beliebt, weil unsere Sehnsucht nach Zugehörigkeit und unser tief verankertes Bedürfnis nach Verbundenheit hier ein Stück weit gestillt werden können.
Ein besonderes Gemeinschaftsgefühl können wir bei einem Satsang erleben. Satsang bedeutet so viel wie „gemeinsame Wahrheit“ und beschreibt das Zusammenkommen von einem/einer spirituellen Lehrer:in und seinen/ihren Schüler:innen. Beim Satsang hast du die Gelegenheit, den Weisheiten des Gurus (zum Beispiel in Form von Vorträgen) zu lauschen, Fragen zu stellen, gemeinsam zu reflektieren, zu meditieren und sich mit der kosmischen Energie zu verbinden.
In dieser Aufzeichnung der Live-Klasse vom Weltyogatag 2021 führen dich Valentin Alex und Kristin Rübesamen ab Minute 58 durch eine Satsang-Sequenz:
Für mich ist es ein großes Glück, an Kirtan-Konzerten von Musiker:innen wie Krishna Das, Snatam Kaur, Deva Premal und Miten teilzunehmen. Dabei fühle ich meine Seele im (Ein-)Klang aufgehen und spüre die Magie des menschlichen Zusammenseins in jeder Faser meines Körpers. Aber auch während der Retreats, die ich selbst unterrichte, gehört das gemeinsame Singen von Mantras mittlerweile zum festen Bestandteil der Praxis. Das Feedback der Teilnehmer:innen ist durchweg positiv. Singen – das ist inzwischen bewiesen – macht glücklich!
Yoga: Ein energetisierendes Gruppenritual
Jede Yogapraxis ist eine Art Gruppenritual. Wir kommen in einen Raum und setzen uns auf unsere Yogamatte. Wir tauchen in die Innenwelt unseres Körpers – unseres heiligen Tempels – ein. Wir verbinden uns mit unserer Essenz oder wie wir im Anusara® Yoga sagen: Open to Grace! Wir lassen unsere positive Energie dann in den äußeren Raum und damit in die Gruppe hineinfließen. Gleichzeitig nehmen wir natürlich auch Energien der anderen wahr und auf.
Deshalb ist es so wichtig, eine klare Intention zu setzen und positive Vibes zu verströmen. Wir ko-kreieren also im besten Falle ein neues gemeinsames Energiefeld voller Licht und Freude, das messbar und damit nachweisbar ist. Forschungsergebnisse von Dr. Joe Dispenza zeigen, dass die Energiefrequenz bei einer Gruppenmeditation zuerst schwächer wird, da die Teilnehmer:innen Energie abziehen, um ihre persönlichen Energiefelder aufzubauen. Im Verlaufe der Meditation steigt das Energieniveau aber im Raum deutlich an und ist signifikant höher als zu Beginn der Messung.
Vielleicht hast du auch schon mal die Erfahrung gemacht, von der Gruppe getragen und mit neuer Energie versorgt worden zu sein? Du gehst ins Yogastudio, etwas schlapp und frustriert. Und du kommst vollkommen frisch und fröhlich aus der Yogastunde heraus – bereit, Bäume auszureißen und endlich mal wieder etwas ganz Neues auszuprobieren.
Entdecke Anusara® Yoga mit dieser schönen Basic-Sequenz für Anfänger:innen:
Plädoyer für eine Kultur der Gemeinschaft
Ja, wir leben in einer modernen Gesellschaft, die vorrangig individualisiert und leistungsorientiert ist. Aber ich glaube daran, dass die Verbundenheit mit unserem „Higher Self” (unserem allumfassenden Bewusstsein) nicht nur jedes Mitglied der Yoga-Community auf der Matte stärkt. Ich glaube auch daran, dass wir gemeinsam ein freundliches Miteinander im größeren Rahmen erschaffen können, wenn wir einen tieferen Sinn in unser Tun legen. Unser kollektives Bewusstsein kann die ganze Welt erheben und erleuchten. Wir können unsere Energie vervielfachen. Wir können mehr bewegen, mehr erreichen, mehr Mitgefühl und so viel mehr Spaß haben! Wir sind eine große Familie. We are all one.
Liebe:r Yogi:ni, dies ist ein Plädoyer für eine Kultur der Gemeinschaft, für bereichernde Beziehungen, Networking in jederlei Hinsicht. Befreie dich von Vergleichs- und Konkurrenzgedanken und traue dich, zu kooperieren. Erlaube dir, dich (noch) mehr auf das auszurichten, was verbindet. Lasst uns unsere menschliche Gemeinschaft pflegen, feiern, genießen!
Kula forever!
Deine Anna Rech