
Der Vagusnerv: 11 Übungen für ein reguliertes Nervensystem
Straßenlärm, ein schlecht gelaunter Kollege, ein Termin nach dem nächsten, ein Missverständnis mit der besten Freundin – unser Körper muss täglich viele Eindrücke bewerten und verarbeiten. Dabei spielt der Vagusnerv eine wichtige Rolle: Er ist der Hauptnerv des Parasympathikus und fungiert als eine Art „Ruhepol“ in unserem Nervensystem. Ob du dich gerade gestresst, gelangweilt oder wie erstarrt fühlst – der Vagusnerv hat immer seine „Finger” im Spiel.
In diesem Artikel erklären wir dir, warum der Vagusnerv so großen Einfluss auf dein subjektives Empfinden hat, was die Polyvagal-Theorie ist und welche einfachen Übungen dir helfen können, dein Nervensystem zu regulieren und zu innerer Ruhe und Präsenz zu finden.
Sympathikus und Parasympathikus: Wie funktioniert unser vegetatives Nervensystem?
Unser vegetatives Nervensystem übernimmt lebenswichtige Körperfunktionen, die automatisch ablaufen und nicht durch unseren Willen beeinflusst werden können. Unsere Atmung, unser Herzschlag, unser Stoffwechsel oder unsere Verdauung gehören zum Beispiel dazu.
Sympathikus und Parasympathikus sind Teile dieses vegetativen Nervensystems:
- Sympathikus: Drohen Gefahr oder Ärger, wird unser Sympathikus aktiv. Er sorgt dafür, dass dem Körper unmittelbar Energie zur Verfügung steht, um zu kämpfen oder zu flüchten. Der Herzschlag wird beschleunigt, die Atmung geht schneller, und alle Funktionen, die gerade nicht zum Überleben unbedingt notwendig sind, etwa die Verdauung, werden heruntergefahren.
- Parasympathikus: Den Gegenspieler des Symapthikus ist der Parasympathikus. Er ist der Anteil unseres Nervensystems, der für Entspannung und Regeneration zuständig ist, übernimmt also genau gegenteilige Funktionen: Er senkt die Frequenz des Herzschlags, sorgt (verkürzt gesagt) für eine gut funktionierende Verdauung und legt die Basis für deine sexuelle Funktionsfähigkeit. Zusammengefasst ist der Parasymathikus zuständig dafür, dass du dich „locker machst”.
Vagusnerv – Hauptnerv des Parapympathikus
Der Vagusnerv, oder auch „Nervus Vagus“, ist der zehnte Hirnnerv und der Hauptnerv des Parasympathikus. Durch die Aktivierung des Vagusnervs kann der Parasympathikus seine beruhigenden und verdauungsfördernden Wirkungen entfalten und somit das autonome Nervensystem ins Gleichgewicht bringen. Der Vagusnerv wird auch als „umherschweifender Nerv“ bezeichnet, da er vom Gehirn über den Hals bis zum Bauchraum führt und verschiedene Funktionen übernimmt.
Was sind die Hauptfunktionen des Vagusnervs?
- Herz-Kreislauf-Regulation: Der Vagusnerv beeinflusst die Herzfrequenz und den Blutdruck, indem er Signale an das Herz sendet, um es zu verlangsamen. Dies trägt zur Anpassung des Herzschlags an verschiedene Aktivitätsniveaus bei. Dies geschieht über den parasympathischen Einfluss auf den Sinusknoten des Herzens.
- Atmungsregulation: Der Vagusnerv beeinflusst die Atmung, indem er die Atemmuskulatur steuert und die Atemfrequenz reguliert. Er ist an der Anpassung der Atmung an unterschiedliche Bedürfnisse des Körpers beteiligt. Das Besondere an dem Zusammenspiel von Vagusnerv und Atmung ist, dass wir unsere Atmung ganz bewusst steuern können – und damit großen Einfluss auf den Vagusnerv haben.
- Verdauungsregulation: Der Vagusnerv spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung des Verdauungstrakts. Er beeinflusst die Magen-Darm-Motilität, den Magensäuregehalt und die Freisetzung von Verdauungsenzymen.
- Entzündungsreaktionen: Der Vagusnerv spielt eine Rolle bei der Regulation von Entzündungsprozessen über die sogenannte „cholinerg entzündungshemmende Reflexbahn“, die entzündliche Zytokine hemmen kann.
- Stimmung und emotionale Regulation: Es gibt Hinweise darauf, dass der Vagusnerv an der Regulation von Stimmung und Emotionen beteiligt sein könnte. Eine aktivierende Stimulation des Vagus-Nervs wird in der Behandlung von Depressionen und Angststörungen erforscht.
- Sensorische Informationen: Der Vagusnerv überträgt sensorische Informationen von Organen im Brust- und Bauchraum an das Gehirn. Dies ermöglicht dem Gehirn, den aktuellen Zustand dieser Organe zu überwachen und die Organfunktionen zu regulieren.
Die Polyvagal-Theorie: Dein Nervensystem als Schlüssel zu Sicherheit und Verbindung
Diese von Stephen Porges entwickelte Polyvagal-Theorie zeigt, wie unser Nervensystem auf Stress, Sicherheit und soziale Interaktion reagiert. Sie erweitert das klassische Modell des vegetativen Nervensystems (Sympathikus = Aktivierung, Parasympathikus = Entspannung) um eine dritte, entscheidende Komponente:
Die drei Ebenen deines Nervensystems
Unser Nervensystem hat sich über Millionen von Jahren entwickelt und nutzt laut der Polyvagal-Theorie drei zentrale Reaktionsmechanismen – je nachdem, wie unser Körper eine Situation wahrnimmt:
1. Der dorsale Vagus – Erstarrung & Rückzug (Shut-down)
Der „dorsal-vagale Zustand“ (dorsal bedeutet „am Rücken”) wird im Rahmen der Polyvagal-Theorie häufig mit einem Gefühl des „Einfrierens“ oder „Abschaltens“ in Verbindung gebracht. Er tritt auf, wenn das Nervensystem in eine Art Schutzmodus geht – beispielsweise bei Überforderung, Erschöpfung oder starkem Stress. Menschen können ihn unterschiedlich erleben: Manche fühlen sich dann energielos, traurig, innerlich abgestumpft, ziehen sich zurück oder haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren.
- Das älteste System, tief in unserem evolutionären Erbe verwurzelt.
- Wird aktiviert, wenn keine Flucht oder kein Kampf möglich ist.
- Löst Erstarrung, Dissoziation oder Ohnmacht aus (z. B. nach traumatischen Erlebnissen).
- Körperliche Zeichen: verlangsamte Herzfrequenz, wenig Energie, die Verdauung wird gehemmt.
2. Der Sympathikus – Kampf oder Flucht (Fight or Flight)
Der „sympathische Zustand“, wenn also der Sympathikus aktiv ist, wird häufig mit der sogenannten „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion in Verbindung gebracht. Er tritt verstärkt auf, wenn das Nervensystem eine potenzielle Bedrohung wahrnimmt oder eine Herausforderung meistern muss. Menschen im sympathischen Modus fühlen sich oft energetisiert, wach und angespannt zugleich. Dabei kann es zu erhöhter Herzfrequenz, schnellerer Atmung und einem Anstieg des Adrenalinspiegels kommen. Während dieser Aktivierung erleben viele eine innere Unruhe oder das Bedürfnis, sofort zu handeln – sei es, um Probleme zu lösen oder sich zu verteidigen. Dieser Zustand kann kurzfristig hilfreich sein, um Herausforderungen zu bewältigen. Wird er jedoch dauerhaft aktiviert, kann er zu Erschöpfung, Angst oder Gereiztheit führen und das Gefühl von Überforderung verstärken.
- Entwickelt in der Reptilien-Ära – dein Notfallmodus bei Bedrohung.
- Steuert die Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol, um dich auf eine schnelle Reaktion vorzubereiten.
- Typische Reaktionen: erhöhter Herzschlag, angespannte Muskeln, Fokussierung auf Gefahr.
- Beispiel: Du erschrickst und spürst sofort, wie dein Puls hochgeht.
3. Der ventrale Vagus – Sicherheit & Verbindung
Im Rahmen der Polyvagal-Theorie gilt der „ventral-vagale Zustand“ (ventral bedeutet „am Bauch”) als die Basis für soziale Verbundenheit und innere Ruhe. Er ist aktiv, wenn wir uns sicher fühlen und in konstruktive Interaktion mit anderen treten können. Menschen, die sich in diesem Modus befinden, fühlen sich leicht, entspannt, klar und sind voller natürlicher Neugier auf ihre Umgebung. Sie sind in der Lage, Beziehungen aufzunehmen und zu pflegen, fühlen sich zugewandt, präsent und emotional ausgeglichen. In diesem Zustand ist das Nervensystem darauf eingestellt, neue Eindrücke offen aufzunehmen, flexibel zu reagieren und Ruhephasen zum Regenerieren zu nutzen.
- Unser „soziales System“ – entwickelt, um Bindung, Entspannung und Kommunikation zu fördern.
- Aktiv, wenn wir uns sicher und verbunden fühlen.
- Unterstützt Mimik, Stimme, Blickkontakt – alles, was uns hilft, mit anderen in Kontakt zu treten.
- Fördert Erholung, Verdauung und emotionale Regulation.
- Beispiel: Du fühlst dich bei einem vertrauten Menschen entspannt und geborgen.
Ein gut reguliertes Nervensystem kann sich flexibel durch die drei Zustände bewegen
Unser Körper bewegt sich je nach erlebter Situation durch diese drei Ebenen:
- Milde Bedrohung → der ventrale Vagus bleibt aktiv → Du versuchst, die Herausforderung mit konstruktiven Mittel zu lösen.
- Größere Gefahr → Sympathikus übernimmt → Dein Körper bereitet sich auf Flucht oder Kampf vor.
- Extreme Bedrohung → Dorsaler Vagus wird aktiv → Du fühlst dich handlungsunfähig, „wie erstarrt“.
Unsere emotionale und körperliche Gesundheit hängen stark davon ab, wie gut unser Nervensystem zwischen diesen Zuständen regulieren kann. Besonders bei Stress oder Trauma kann es passieren, dass wir in einem Zustand „feststecken“ – uns z.B. dauerhaft in Alarmbereitschaft (Sympathikus) oder Erstarrung (dorsaler Vagus) befinden.
Wir können auf unser Nervensystem Einfluß nehmen
Auch wenn die oben genannten Körperfunktionen des vegetativen Nervensystems wie Herzschlag und Blutdruck nicht bewusst beeinflusst werden können, so haben wir dennoch die Möglichkeit, indirekt auf sie zu wirken: „Körperliche Aktivität, aber auch Inaktivität, z. B. Anhalten, Verlangsamen oder Beschleunigen des Atems, beeinflusst die vegetativ regulierten Funktionen.“ (Wikipedia). Sogar durch das Vorstellen von körperlicher Aktivität sollen wir indirekten Einfluss auf unsere Körperfunktionen nehmen können.
Was du tun kannst, um dein Nervensystem und den Vagusnerv zu regulieren
- Atmung & Meditation – Tiefe Atemzüge aktivieren den ventralen Vagusnerv und signalisieren Sicherheit.
- Soziale Nähe – Blickkontakt, sanfte Berührung und ruhige Gespräche helfen, in Verbindung zu bleiben.
- Körperarbeit – Bewegung, Tanzen oder sanfte Dehnübungen lösen Spannungen.
- Natur & Kälteexposition – Spaziergänge oder kaltes Duschen (Eisbaden!) können dein Nervensystem aus der Erstarrung holen.
11 somatische Übungen, die dir helfen, dein Nervensystem zu regulieren
Je nachdem, in welchem Zustand sich dein Nervensystem sich akut oder chronisch befindet, kannst du die folgenden Übungen nutzen, um wieder in einer regulierten Zustand zu kommen – und so dich und dein Umfeld wieder präsent zu erleben und mit anderen in Verbindung gehen zu können.
Die vorgestellten Tipps sind natürlich nur ein kleiner Auszug aus den vielfältigen Techniken, mit denen du auf dein Nervensystem Einfluss nehmen kannst. So werden etwa auch Lachen, die Förderung einer gesunden Darmflora und Fasten als „Mittel“ zur Vagusnerv-Aktivierung genannt.
Hinweis: Diese Übungen ersetzen weder eine professionelle Beratung noch eine Therapie. Wenn du dich in einer akuten Krise befindest oder das Gefühl hast, dass du dringend Hilfe brauchst, wende dich bitte umgehend an eine/n Ärzt:in, Psychotherapeut:in oder eine Notfallnummer/Notaufnahme.
1. Orientierungs- und Umgebungswahrnehmung („Orienting“)
Ziel: Dich im Hier und Jetzt verankern und dein Nervensystem auf Sicherheit statt auf Bedrohung ausrichten.
- Finde einen ruhigen Platz, an dem du dich sicher genug fühlst.
- Setz dich bequem hin und richte deine Aufmerksamkeit langsam nach außen.
- Schau dich um und benenne in Gedanken: „Ich sehe die Wand… Ich sehe die Pflanze… Ich sehe die Tür…“.
- Nimm jeweils ein bis zwei Atemzüge und spüre gleichzeitig deinen Körper, etwa deine Füße auf dem Boden oder dein Gesäß auf dem Stuhl.
- Suche dir ein Detail, das dir angenehm auffällt, z.B. ein schönes Bild, eine beruhigende Farbe.
- Lass dir Zeit, dieses Detail zu betrachten. Spüre, ob sich in dir etwas verändert – vielleicht ein leichter Rückgang der Anspannung oder ein Gefühl von mehr Präsenz.
2. Sanftes Schütteln oder Vibrieren (Tension Releasing)
Ziel: Starre oder Erstarrung im Körper lösen, indem du behutsam leichte Vibrationen/Bewegungen erzeugst.
- Stehe locker, die Füße etwa hüftbreit auseinander, die Knie leicht gebeugt.
- Fange an, deine Fersen sachte auf und ab zu wippen, sodass ein leichtes Schütteln von unten durch deinen Körper aufsteigt.
- Atme ruhig weiter und lass die Bewegung sich gerne nach oben ausbreiten.
- Wenn es sich angenehm anfühlt, kannst du dabei mit den Armen leicht ausschütteln oder sie locker hängen lassen.
- Achte auf Pausen zwischendurch und spüre nach: Wie fühlt sich dein Körper gerade an? Gibt es Stellen, die sich schon gelöster anfühlen oder kribbeln?
- Beende das Schütteln nach einigen Minuten, wenn du eine Veränderung feststellen konntest, atme tief ein und aus und spüre nach.
3. Selbstmassage und Klopfen
Ziel: Über Berührung und taktile Reize den Körper aktivieren und ein Gefühl von Sicherheit schaffen.
- Setze oder stelle dich bequem hin.
- Reibe zuerst deine Handflächen langsam aneinander, um Wärme zu erzeugen.
- Lege die warmen Handflächen an deinen Nacken oder deine Schultern und übe leichten Druck aus.
- Löse nach ein paar Atemzügen langsam die Hände und beginne, mit den Fingerspitzen oder Handflächen sanft deine Arme, Schultern oder Brust zu beklopfen.
- Du kannst auch deine Oberschenkel oder die Außenseiten deiner Beine leicht beklopfen. Spüre dabei bewusst den Kontakt deiner Hände mit deinem Körper.
- Achte darauf, dass das Klopfen für dich angenehm ist (weder zu hart noch zu leicht).
- Zum Schluss reibe nochmal kurz die Hände aneinander und lege sie auf eine Körperstelle, die sich gut anfühlt (z. B. Herzgegend, Bauch). Bleibe dort für ein paar Atemzüge.
4. Pendeln zwischen Komfort und Unbehagen („Pendulation“ nach Somatic Experiencing)
Ziel: Langsame Annäherung an innere Empfindungen, ohne darin stecken zu bleiben, indem du zwischen einem Wohlfühlbereich und evtl. unangenehmen Gefühlen hin und her pendelst.
- Setze dich bequem hin.
- Suche einen Bereich in deinem Körper, der sich relativ neutral oder angenehm anfühlt (z. B. deine Füße, deine Hände oder der Raum um dein Herz).
- Konzentriere dich ein paar Atemzüge lang auf dieses Wohlfühl- oder Neutralgebiet.
- Nun lenke deine Aufmerksamkeit sanft auf eine Körperstelle, die sich verspannt oder taub anfühlt. Bleibe nur kurz dort und beobachte neugierig, ohne zu werten.
- Wechsle dann wieder zurück zu deinem sicheren oder angenehmen Bereich.
- Wiederhole dieses Pendeln (angenehm/unangenehm) für einige Durchgänge. Achte darauf, nicht zu lange beim Unangenehmen zu verweilen.
- Beende mit dem angenehmen Bereich. Spüre nach, ob sich etwas verändert hat.
5. Atem mit Verlängerung der Ausatmung
Ziel: Über bewusste Atmung das Nervensystem beruhigen und aktivieren.
- Setz oder leg dich hin, wie es dir am bequemsten ist.
- Atme langsam ein und zähle bis 4.
- Halte den Atem kurz an und zähle bis 2.
- Atme länger aus und zähle bis 6. Die Ausatmung darf gerne mit einem leichten „Seufzer“ oder Summen verbunden sein.
- Wiederhole diesen Zyklus fünf bis zehn Mal.
- Achte auf das Körpergefühl: Spürst du Wärme, Entspannung oder Kribbeln?
6. Hand aufs Herz („Herzraum-Übung“)
Ziel: Die eigene Präsenz und Verbindung zu sich selbst stärken, ein Gefühl von Sicherheit erzeugen.
- Lege eine oder beide Hände flach auf deine Brust (Herzbereich).
- Atme langsam durch die Nase ein und durch den Mund aus.
- Wenn du magst, schließe die Augen.
- Versuche, bei der Ausatmung ein sanftes Gefühl von Weite oder Loslassen zu spüren.
- Du kannst dir in Gedanken einen beruhigenden Satz sagen, z. B. „Ich bin sicher“ oder „Ich darf hier sein“.
- Bleibe für ein bis zwei Minuten in dieser Haltung, wenn es angenehm ist.
7. „Grounding“ mit den Füßen (Variation des Bodyscans)
Ziel: Über die Füße Kontakt mit dem Boden aufnehmen, das Nervensystem erden.
- Setze dich hin, die Füße berühren den Boden.
- Spüre den Kontakt deiner Fußsohlen mit dem Boden: Wie ist der Druck, welche Stellen berühren den Boden?
- Wenn du magst, zieh die Zehenspitzen leicht an, drück die Fersen sanft in den Boden und lass dann wieder locker.
- Wechsle zwischen leichtem Druck der ganzen Fußsohle und Entspannung.
- Achte darauf, wie sich das in den Beinen und im Rest deines Körpers anfühlt. Manchmal entsteht dabei ein leichtes Kribbeln oder Wärmegefühl, das sich ausbreitet.
8. Summen oder Vibrieren mit der Stimme (Bhramari)
Ziel: Vagusnerv-Stimulation durch Vibration im Halsbereich; hilft, aus einem Erstarrungszustand langsam herauszukommen.
- Setz dich bequem hin, Schultern und Kiefer locker.
- Atme langsam durch die Nase ein und summe beim Ausatmen mit sanft aufeinanderliegenden Lippen ein tiefes „Mmmmmm“.
- Spüre, wie die Vibrationen durch deine Lippen, dein Gesicht, deinen Hals und vielleicht sogar in den Brustkorb gehen.
- Wiederhole das fünf bis zehn Mal oder solange es sich gut anfühlt.
- Experimentiere auch mit Tonhöhen, um eine angenehme Vibration zu finden.
In diesem Video erklärt dir Anna Trökes Bhramari, das Bienensummen:
9. (Mantras) singen
Singen macht Spaß (Zumindest dem, der singt...). Und nicht nur das: Singen ist auch für unsere Gesundheit gut, denn wir verlängern und vertiefen dabei automatisch die Atmung. Durch die tiefe Bauchatmung massiert das Zwerchfell die Baucheingeweide, was einen positiven Einfluss auf die Verdauung haben kann. Außerdem kommt der Kreislauf in Schwung, die Durchblutung verbessert sich und die Lunge wird aktiviert und extra gut „belüftet“. Darüber hinaus wirkt das Singen – oder das Chanten, wie man in der Yogawelt sagt – aktivierend auf den Vagusnerv, was bedeutet, dass wir in einen entspannten, regenerativen Zustand kommen können.
Vielleicht gefällt dir das Mangala-Mantra sarve bhavantu, das den Wunsch erfüllen soll, dass es uns und allen Wesen gut geht. Chante es gemeinsam mit Moritz Ulrich:
sarve bhavantu sukhinaḥ (mögen alle glücklich sein)
sarve santu nirāmayāḥ (mögen alle frei von Leiden sein)
sarve bhadrāṇi paśyantu (mögen alle das Gute sehen)
mā kaścidduḥkha-bhāgbhavet (möge niemand leiden müssen)
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ (Om, Friede, Friede, Friede)
Du kannst aber selbstverständlich auch jedes andere Mantra chanten, das dir gefällt, oder dir ein eigenes Mantra ausdenken. Und beachte: Hier geht es nicht um einen Gesangs-Contest. Du darfst also gern schräg singen – der Spaß steht im Vordergrund.
10. Kalt duschen (Ishnaan)
Viele Yogi:nis wissen es längst: Eine kalte Dusche kann „wahre Wunder" bewirken. Doch nicht nur, dass wir uns nach einer Runde Ishnaan fit, wach und gut drauf fühlen, wir können auf diesem Weg auch unseren Vagusnerv aktivieren. Alternativ kannst du auch ein Glas kaltes Wasser trinken, das Gesicht mit kaltem Wasser erfrischen oder es in eine Schale mit Eiswürfeln tauchen.
- Bevor du unter die kalte Dusche springst, kannst du eine Körper-Massage mit einem hochwertigen Öl (am besten reines Bio-Öl – Mandelöl, Sesamöl etc.) durchführen.
- Dann kannst du loslegen: Achte darauf, mit dem Wasserstrahl am rechten Fuß (also an der vom Herzen am weitesten entferntesten Stelle) zu beginnen und dich langsam vorzuarbeiten.
- Für Fortgeschrittene: Probier es doch mal mit Eisbaden – steig mit 30 Sekunden „Eisbadezeit” ein und lass dich am besten zusammen von erfahrenen Eisbader:innen begleiten!
Bei Schwangerschaft, Herzerkrankungen, Fieber etc. solltest du auf die kalte Dusche verzichten. Im Zweifel hole dir ärztlichen Rat, ob diese Praxis für dich geeignet ist.
11. Augenlider leicht drücken
Die Augen schließen und den Blick bewusst nach innen zu richten kann helfen, wenn wir uns gestresst fühlen. Wir können noch mehr entspannen, wenn wir unsere Handflächen sanft auf die geschlossenen Augenlider drücken, denn dieser mechanische Reiz kann ebenfalls den Vagusnerv aktivieren.
- Setze dich in eine entspannte Position.
- Stelle ggfs. deine Ellenbogen auf einem Tisch vor dir auf und lege deine Handflächen sanft auf die Augen.
- Nun übe für einige Sekunden leichten Druck auf die Augen aus und entspanne danach.
- Sollte dir dabei unwohl werden, unterbrich selbstverständlich diese Übung.
Wie du siehst, kannst du selbst einiges tun, um dich in eine entspannte und positive Stimmung zu bringen, dein Nervensystem zu regulieren und nach Stresssituationen schneller wieder in einen entspannten Zustand zu kommen. In diesem Sinne – sorge gut für dich und bleib gesund!