
Das Kniegelenk – und wie du es mit Yoga fit hältst
Das Kniegelenk: Auf und nieder... immer wieder
Im täglichen Leben wie auch auf der Yogamatte gehen wir oft in die Knie, manchmal sogar auf die Knie. Selten beachten wir dabei, wie anspruchsvoll die Aufgabe unserer Kniegelenke ist und wie tadellos sie ihre schwere Aufgabe erfüllen. Schließlich tragen und balancieren sie das Gewicht des ganzen Körpers. Erst, wenn sich Beschwerden zeigen, schenken wir diesem fleißigen Gelenk unsere Aufmerksamkeit.
Die vielschichtige Bedeutung des Knies
Wenn die Kniegelenke nicht wären, wäre dein Gang ungelenk und steif. Das sähe nicht nur wenig elegant aus, sondern würde auch dazu führen, dass dein Gehirn beim Gehen kontinuierlich heftige Erschütterungen aushalten müsste. Deine Knie sind also nicht nur für das Auf und Nieder zuständig, sondern sorgen auch für Grazie – und verhindern Kopfschmerzen.
Zudem steht das Knie symbolisch für Aufrichtung, Selbstbewusstsein und Erhabenheit. Knieprobleme dagegen weisen in der ganzheitlichen Betrachtungsweise der Psychosomatik – bei der Beschwerden und Krankheiten des Körpers als Spiegel für mentale und emotionale Verfassungen gesehen werden – auf Überheblichkeit, Egozentrik und Mangel an Demut hin. Vielleicht ist es ja wirklich so, dass eine harte innere Haltung über die Lebensjahre die Kniegelenke steif und unbeweglich werden lässt?
Die orthopädische Sicht aufs Kniegelenk
Kniegelenksbeschwerden wachsen sich in unseren Breitengraden allmählich zu einer Zivilisationserkrankung aus. Die Gründe können verschieden sein: Zu wenig oder zu viel Bewegung, zu wenig Beachtung – oder auch zu viel Yoga.
In jedem Fall ist bei einem schmerzenden Kniegelenk ein Besuch in der Orthopädie ratsam – nach Unfällen, wie beispielsweise beim Skifahren oder Squash, ist der Termin bei einem Arzt oder einer Ärztin ohnehin unerlässlich. Es gibt aber auch die Art von Knieschmerzen, die allmählich kommen und nach und nach die Bewegungsmöglichkeiten und damit auch die Yoga-Praxis einschränken. In solchen Fällen ist die Diagnose orthopädischer Fachleute meist einheitlich: Arthose (Gelenkabnutzung), Menikus-Wanderung oder Bänderüberdehnung. Der Befund wird häufig mit einer Empfehlung zur Operation kombiniert.
Aber Achtung: Laut einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung werden künstliche Knie- und Hüftgelenke zu oft und unnötig eingesetzt! Leider sind solche Operationen recht lukrativ für Krankenhäuser (die inzwischen meist gut organisierte GmbHs und keine kommunalen Unternehmen mehr sind).
„Eine Frau ist so jung wie ihr Knie.”
Mary Quandt (geb. 1930), Modedesignerin und Erfinderin des Minirocks
Was sind häufige Knieprobleme und ihre Symptome?
- Knirschen ist in der Regel harmlos, da hier nur Ablagerungen in den Gelenkspalten zerrieben werden. Gezielte Bewegung hilft.
- Steifheit tritt nach längerem Sitzen oder nach der Nachtruhe auf, ändert sich aber kurzfristig wie langfristig mit ausreichend Bewegung.
- Schmerzen in Ruhepositionen deuten auf Bewegungsüberlastungen durch zu viel Stehen, Gehen, Wandern, auf untrainierte Muskeln oder auch auf zu viel Körpergewicht bei gleichzeitig untrainierten Muskeln hin.
- Heiße Schmerzen sind ein Indiz für entzündliche Prozesse, chronische Arthritis oder Vitamin- und Calciummangel (siehe unten).
- Überdehnte Bänder bewirken über kurz oder lang einen unsicheren Gang und wackeliges Auftreten, besonders auf unebenem Terrain. Durch Bewegungsruhe, Yogapause und Sportabstinenz plus physiotherapeutische Massagen können und sollten sich die Bänder wieder regenerieren – auch um schlimmere Schäden (Bänderriss) zu vermeiden.
- Schmerzhafte Risse oder Abrisse treten bei unfallartigem Umknicken, hartem Aufkommen beim Springen, seitlichem Abkanten (Skifahren) oder plötzlichen Stopps bei gleichzeitigem Richtungswechsel (z.B. Squash) auf. Da helfen nur noch Fachärztinnen oder -ärzte, die genaustens diagnostizieren, was, wo und wie gerissen ist und gegebenenfalls operiert werden muss.
Diese sanfte Hatha-Yoga-Sequenz für die Knie von Anna Trökes ist optimal, wenn du Knieproblemen vorbeugen willst:
Knieprobleme: Bewegung ist das A und O
Du siehst: Mit gezielter Bewegungstherapie kannst du einiges wieder gutmachen – und (chronische) Knieprobleme meist verhindern. Theoretisch kann dabei eine regelmäßige Yoga-Praxis die perfekte Bewegungsart für Knie sein. Gerade, wenn du schon Knieprobleme hast, solltest du dir aber von Yoga-Therapierenden ein individuelles Yoga-Programm zusammenstellen lassen. Denn tatsächlich ist manches, was im Yoga üblich ist, durchaus auf Dauer für die Knie schädigend.
Tipp: Wärme deine Knie auf!
Bevor du schwierige Asanas übst, sollten deine Knie immer aufgewärmt sein. Also nimm dir Zeit für Aufwärmübungen. Zum Beispiel kannst du die Knie mit beiden Händen an den Innen- und Außenseiten reibend massieren. Die Knie leisten im Alltag viel – ein bisschen haptische Liebe tut den Gelenken gut und bereitet sie auf die intensiven, so gar nicht alltäglichen Bewegungen im Yoga vor.
Schaukelnde Knieübung zur Lockerung (besonders bei knirschenden Kniegelenken empfehlenswert):
- Gehe in den Kniestand (am besten auf einem Kniepad, siehe unten).
- Rechtes Bein wie in der Ausgangshaltung zum „Mond” nach vorne stellen. Das Kniegelenk muss dabei nicht (wie oft gelehrt) senkrecht über dem Sprunggelenk des Fußes ausgerichtet sein, denn deine individuelle Ausgangsposition hängt von den Längen und damit der Proportion deines Unterschenkels zum Oberschenkel ab.
- Senke das Becken nun ohne Druck ab und lass dabei das Kniegelenk nicht nach innen oder außen abweichen.
- Richte deinen Kopf auf, deine Arme hängen seitlich locker nach unten.
- Nun bewege in dieser Haltung sanft den Oberkörper und das Becken nach vorne und wieder zurück. Das Kniegelenk beugt sich nun nach vorne schaukelnd in einen engeren Winkel und nach hinten öffnet es sich in einen größeren Winkel.
Yoga- und Anatomie-Experte Dr. Ronald Steiner hat dieses Tagesprogramm für Menschen mit Knieproblemen entwickelt:
Wie übe ich knieschonendes Yoga?
- Die Ausrichtung der Kniegelenke bei Stehhaltungen wie Krieger, Mond oder Dreieck sollte nie seitlich nach links oder rechts der Fuß-Beinachse ausweichen. Das belastet die Innen- und Außenbänder des Kniegelenks unnötig und lässt sie ausleiern – statt die Beinmuskeln zu trainieren.
- Bei allen stehenden Übungen (etwa Berg oder Baum), wenn das gesamte Körpergewicht auf beiden Knien oder nur einem Knie lastet, ist es immer ratsam, die Kniegelenke nicht einzurasten, sondern stets etwas Spiel zu lassen, also die Kniekehlen nicht bis zum äußersten durchzudrücken.
- Längeres Sitzen im Fersensitz ist nicht zuträglich fürs Kniegelenk, da die Menisken zu sehr beansprucht werden – auf Dauer können sie sogar ihren Stammplatz verlassen und innerhalb des Gelenks abreißen.
- Übungen im Vierfüßler oder als Ausgangsposition für den herabschauenden Hund können knieschonend ausgeführt werden, wenn die Kniescheiben nicht die Yogamatte berühren, sondern minimal darüber schweben – das stärkt auch noch Arme, Bauch und Beine!
- Meiner Meinung nach sollte das Kamel nie in seiner extremsten Form – auf den Fersen sitzend mit nach hinten abgelegten Oberkörper – ausführt werden. Dafür sind die Knie als Scharniergelenk mit ihrem minimalen Drehradius nicht geschaffen. In dieser abgelegten Form der Kamel-Asana auch obendrein noch die Unterschenkel nach außen abzugrätschen ist über kurz oder lang das Aus für Innenbänder und Menisken.
- Eine wirklich schöne und beliebte Yoga-Übung ist die Taube – bei der du aber das angewinkelte Knie sehr sorgsam behandeln und gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Hilfsmittel wie einer weichen Decke unterstützen solltest!
- Bei Vinyasas oder anderen Flows ist es ratsam, das exakte Alignment der einzelnen Yogapositionen vorab separat zu üben – und zwar solange bis du alle Asanas korrekt ausgeführt kannst. Auch wenn du gerade zügig durch einen Flow gehst, dürfen die Knie nämlich nicht seitlich nach links oder rechts wegrutschen. Nur bei korrekter Ausrichtung sind Flows wohltuend!
- Der Lotussitz in Vollendung ist meiner Erfahrung nach nicht förderlich für die Gesundheit der Kniegelenke, vor allem wenn du längere Zeit in ihm verweilst. Weiche also lieber auf gelenkschonendere Sitzpositionen für die Meditation aus.
Lese-Tipp: Wenn du mehr wissen willst, lies unseren Artikel „Yoga für gesunde Knie: So übst du knieschonend”
Welche sinnvollen Hilfsmittel für die Knie kann ich nutzen?
Vor allem bei empfindlichen oder vorbelasteten Knien solltest du dir etwas unterlegen, wenn du auf deinen Knien stehst. Decken oder kleine Kissen rutschen gerne weg und sind oft nicht genau gleich hoch. Viele Yogi:nis schlagen ihre Yogamatte um – das solltest du nur machen, wenn die Matte von beiden Seiten sehr rutschfest ist und du mit einmaligem Umschlagen eine adäquate Polsterung erzielst.
Optimal sind rutschfeste Kniepads. Von denen gibt es verschiedene Ausführungen: Zum einen die Variante mit zwei weichen, runden Scheiben von etwa 15 Zentimeter Durchmesser. Empfehlenswerter sind meiner Erfahrung nach rechteckige Pads (etwa 50 x 25 Zentimeter), da diese nicht umständlich einzeln auf der Yogamatte positioniert werden müssen. In jedem Fall sollten die Pads mindestens 4 bis 4,5 Zentimeter hoch sein.
Last but not least ist die Wahl der Schuhe entscheidend für deine Knie (mehr dazu findest du in meinem Artikel über „Das Sprunggelenk im Yoga”).
Osteoporose: Vitamin D und Mineralien
Auch Osteoporose kann Gelenkschmerzen zur Folge haben. Dieser schleichende Abbau der Knochensubstanz aufgrund von Calciummangel ist längst nicht mehr nur eine Begleiterscheinung des Alterungsprozesses. Durch Stoffwechselerkrankungen, Fehlernährung, exzessiven Sport und Untergewicht sind heute bereits mehr und mehr (auch jüngere) Menschen von Osteoporose betroffen. Eine ganz essentielle Rolle spielt bei Erkrankungen wie Osteoporose und Arthrose der minimierte Calciumeinbau in die Knochensubstanz, der jedoch nur im Zusammenspiel mit dem Vitamin-Hormon D erfolgen kann.
Wer jetzt denkt „Ich bin ja durch die Sonne mit Vitamin D versorgt", irrt. Die Verweildauer unter freiem Himmel hat sich im modernen Arbeitsleben extrem reduziert. Zusätzlich verhindern Kleidung und Sonnencremes die körpereigene Vitamin D-Produktion. Zudem sorgt unsere anstrengende, auslaugende Lebensweise dafür, dass unser Körper deutlich mehr Mineralien und Vitamine verbraucht. Gleichzeitig liefern Lebensmittel in vielen Gegenden dank Massenackerbau und industrieller Verarbeitung weniger Nähstoffe.
Bei Nahrungsergänzungsmitteln und pharmazeutischen Präparaten hängen die Angebote den neuzeitlichen Entwicklungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen hinterher. Amerikanische und australische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen empfehlen Vitamin D-Dosierungen von täglich 5.000-10.000 I.E. (internationale Einheiten). Dadurch wird nicht nur die Knochendichte des Körpers bewahrt, sondern auch viele andere Vorgänge gewährleistet, für die Vitamin D und Calcium essentiell sind. So zum Beispiel die Funktion des Nervensystems, die Konzentrationsfähigkeit und die effektive Verdauungsarbeit. (Quelle und Buchempfehlung: Evelyn Laye „Die 10 besten Nahrungsergänzungsmittel”)
Anatomie des Kniegelenks
Schauen wir uns zuletzt noch den Aufbau des Kniegelenks an. Es ist das größte Gelenk im Körper und zählt zu der Gruppe der Scharniergelenke, was bedeutet, dass es im Wesentlichen wie eine Tür Bewegungen wie „auf” (stehend) oder „zu” (sitzend angewinkelt) vollziehen kann – natürlich mit allen Abstufungen dazwischen. Außerdem ermöglicht das Kniegelenk minimale Drehungsgrade des Unterschenkels. Bei jedem Schritt und Treppenanstieg oder Abstieg winkeln sich die Kniegelenke an und strecken sich wieder. Sie hieven dabei das gesamte Körpergewicht nach oben oder unten. Dazu bedarf es eines sehr stabilen und doch beweglichen Konstruktes.
Knochen des Kniegelenks
Das Kniegelenk verbindet drei Knochen miteinander. Der große Oberschenkelknochen knüpft an den Unterschenkel an, der aus zwei Knochen (Schienbein vorne und Wadenbein seitlich hinten) besteht.
Kniescheibe
Damit die Knochen und die umhüllenden Muskeln miteinander agieren können, ist die darüberliegende Kniescheibe (Patella) unerlässlich. Ohne diese Überleitung (Hypomochlion genannt) würden bei jeder Bewegung Sehnen, Bänder, Muskelfasern, Nervenbahnen und Blutgefäße zwischen Oberschenkel- und Unterschenkelknochen schmerzhaft eingeklemmt werden. Die knöcherne Kniescheibe ist fest und doch beweglich in die große Sehne des Oberschenkelmuskels (Quadrizeps) eingebettet, die sich über das Knie hinweg am Schienbein entlang und bis zum Fuß fortsetzt.
Seitliche Kniebänder
Die Knochenverbindungen des Kniegelenks werden erst beweglich durch die Bänder, die jeweils am Oberschenkelknochen und den Unterschenkelknochen, also Schienbein oder Wadenbein, ansetzen. Die seitlichen Bänder auf der Innenseite und Außenseite der Knie sind neben der Patellasehne der einzige umhüllenden Halt dieses großen Gelenks. Faszinierend ist, dass die Bänder zugleich stabil und reißfest und dabei beweglich sind.
Kreuzband
Zwischen den Knochen des Ober- und Unterschenkels (deren Köpfe von Faserstrukturen umhüllt sind, um die Knochensubstanz vor Abreibung zu schützen) liegt eingebettet das Kreuz„band”, das tatsächlich aus zwei Bändern besteht. Diese Bänder im Inneren des Kniegelenks überkreuzen sich und bilden ein „X“, das den bindenden Halt verstärkt. Dieses Kreuzband ermöglicht sanfte (!) Drehungen oder minimales (!) seitliches Kippen des Unterschenkelknochens zum Oberschenkelknochen.
Menisken
Zwischen den Köpfen des Oberschenkel- und Unterschenkelknochens sind zwei Menisken eingelagert, die Polster- und Abpufferungsaufgaben ähnlich der Bandscheiben in der Wirbelsäule erfüllen.
Kleine Visualisierungsübung:
Schau jetzt mal bitte einen Moment auf deine Knie und betaste sie, fühle die Knochen, die Kniescheiben und die Muskelstrukturen unter denen das Gelenk in eine Gelenkkapsel eingebettet ist. Versuch dir die dünnen Bänder und kleinen Menisken im Inneren deiner Kniegelenke vorzustellen. Dann schau auf die Größe und Umfang deines Körpers. Ist es nicht atemberaubend, was die filigran konstruierten Kniegelenke ein Leben tragen und lang leisten können?
Knie lieben, achtsam üben
Eine regelmäßige Yoga-Praxis ist zweifellos eine wundervolle Weise, die Gelenke des Körpers geschmeidigt zu halten – so auch die wichtigen großen, essenziellen Kniegelenke. Aber spür in dich hinein, ob es deinem Körper zuträglich ist, den klassischen Yogameistern oder den heutigen Yoga-Akrobatinnen nachzueifern – oder ob du den spezifischen Effekt einer Asana auch durch eine sanfte, für dich passende Variante erreichen kannst? Das Zauberwort lautet wie immer Achtsamkeit. Denn wenn du achtsam übst, verzaubert Yoga nicht nur deine Kniegelenke, sondern dein ganzes Leben.
Love and light,
Birgit Feliz Carrasco
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