Yoga im Jahreskreis – Teil 1: Frühling

Von Janine Schneider

Das Spiel der Jahreszeiten – Frühling, Sommer, Herbst, Winter und ihre Übergänge – ist wohl das erlebbarste Beispiel für die Kräfte des Lebens, die um und damit auch in uns tanzen. Denn die wechselnden Kräfte der Natur verändern nicht nur das, was wir „draußen“ sehen und erleben, sondern auch unser Energielevel, die Verdauung, den Hormonhaushalt, unsere Gemütslage und so vieles mehr.

Bestimmt hast du selbst schon wahrgenommen, wie die Jahreszeiten dich beeinflussen: Viele kennen etwa ein größeres Schlaf- oder Rückzugsbedürfnis im Winter, wenn es dunkler und kälter wird. Im Sommer bist du dagegen wahrscheinlich aktiver und hast mehr Lust auf soziale Kontakte und Bewegung. Makrokosmos und Mikrokosmos schwingen in Einklang, das Außen spiegelt das Innen – und umgekehrt.

Natürlich bekommen auch Stadtmenschen, die den ganzen Tag im beheizten oder klimatisierten Büro sitzen, die Jahreszeiten mit. Oft sind wir modernen Mensch aber so von der Natur abgeschnitten, leben  mehr im Kopf als im Körper, und haben uns weit vom Einklang mit den natürlichen Rhythmen entfernt. Das hat teils dramatische Folgen für unser psychisches und physisches Wohlbefinden und unser Energielevel. Wenn du dich aber bewusst mit den Kräften der Natur synchronisierst, vielleicht sogar gezielt mit ihnen arbeitest, bringt dich das wieder in Kontakt mit deiner inneren Natur – und in deine natürliche Kraft und Lebensfreude.

Yoga und die Jahreszeiten

Yoga im Frühling

Yoga ist dabei ein äußerst hilfreiches Tool, denn es macht unsere Verbindung mit der Umwelt erlebbar. Es hilft uns nicht nur, in Kontakt mit unserem Körper zu kommen, sondern öffnet auch unser Herz und unseren Blick für das, was um uns ist. 

„Nicht der Mensch muss sich dem Yoga anpassen, sondern der Yoga dem Menschen“, sagte Yogameister T. Krishnamacharya. Im Kontext der Jahreszeiten heißt das für uns Yoginis und Yogis, die individuelle Yoga-Praxis in den Kreislauf des Jahres einzubetten und damit an die sich konstant verändernden äußeren Faktoren anzupassen – oder besser: Mit ihnen zu schwingen.

Darum widmen wir uns in vier Artikeln den Qualitäten der Jahreszeiten und den energetischen Übergangspunkten einiger der großen Feste im Jahreskreis. Dabei schaffen wir den Bezug zur Yoga-Praxis – sanft oder kraftvoll, Yin oder Yang, mal mit dem Fokus auf Ruhe, mal auf Bewegung, aber immer verbunden mit den Elementen.

Wir starten mit dem Frühling und dem keltischen Fest Ostara, benannt nach der germanischen Frühlingsgöttin. Ostara ist der Tag der Frühlings-Tagundnachtgleiche (Äquinoktikum) und fällt immer auf einen Tag zwischen dem 20. bis 23. März – im Jahr 2023 etwa auf Montag, den 20. März. Ostara steht für die Wiederkehr des Lebens, für Fruchtbarkeit und Freude, für Wiedergeburt. Hier sind Tag und Nacht gleich lang, es ist der Beginn des lichten Halbjahres. Mit einem Ritual an diesem Tag (ein Vorschlag für dich weiter unten) kannst du dem Frühling ganz bewusst deine inneren Türen öffnen.


Exkurs: 
Der Jahreskreis
und seine Feste

Unsere Vorfahren feierten acht große Feste innerhalb des Jahres. Sie markieren jeweils einen Zeitpunkt, bei dem energetisch das Tor zu einer anderen Welt offensteht, so die Sagen,

dazu gehören

 vier Sonnenfeste

: 

  • Frühlings-Tagundnachtgleiche (Ostara)

  • Sommersonnenwende (Litha)

  • Herbst-Tagundnachtgleiche (Erntedank)

  • Wintersonnenwende (Julfest)


sowie dazwischen vier Mondfeste: 

  • Walpurgis (Beltane)
  • Schnitterfest (Lughnasad)
  • Allerseelen (Samhain)
  • Lichtmess (Imbolc)

Deine Yoga-Praxis im Frühling

Jetzt ist die Zeit, das Dunkle und Schwere des Winters abzuschütteln, mit der Energie langsam wieder mehr nach außen zu gehen und zu schauen, was in dir lebendig werden und erblühen darf. Eine integrative Yoga-Praxis unterstützt dich dabei!

Die Qualitäten des Frühlings können wir leicht ableiten, wenn wir bewusst nach draußen in die Natur schauen. Wir sehen: Es wird wieder heller, die Tage werden länger. Die Natur erwacht aus ihrem Winterschlaf, die ersten Blumen sprießen, die Tiere kommen zurück oder sind wieder aktiver. Es ist die Zeit, den Boden vorzubereiten und Samen in die Erde zu geben.

Das sind Aspekte, die du mitnehmen kannst auf deine Yogamatte: 

Reinigung: Der Frühlingsbeginn lockt uns raus aus der Trägheit und Schwere des Winters. Der Frühjahrsputz steht nicht nur für die Wohnung an, sondern auch körperlich und mental-emotional

Neubeginn: Die dunkle Jahreszeit steht symbolisch auch für den Tod. Nach der Stille, Kälte und Dunkelheit des Winters ist jetzt eine besonders gute Zeit, um Intentionen zu setzen und die Frische des Frühlings für einen Neubeginn zu nutzen.


Wachsen und Aufblühen: So wie die ersten bunten Krokusse sich ihren Weg durch das restliche Laub vom Herbst und den noch kalten Boden nach oben bahnen, blühen auch wir im Laufe des Frühlings wieder auf und kommen in unsere volle Kraft.


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Asanas für den Frühling

Auf der Yogamatte geht es im Frühling vor allem um Reinigung (auch Detox genannt), in Bewegung kommen, Schweres abschütteln, sich dem Leben öffnen und das innere Feuer anheizen. Das übersetzt sich unter anderem in folgende Asanas oder Übungen, die du mehr in deine Praxis integrieren kannst.

1. Klärende Meditation

Beginne mit einer Meditation, um den Geist zu klären. Wenn du zu einem speziellen Frühlingsthema meditieren willst, kannst du dabei auch Reflektionsfragen (s.u.) nutzen. 

2. Aktivierende Pranayama-Übungen

Aktivierende Atemübungen sind wie ein innerer Waschgang für die Zellen. Perfekt eignet sich etwa der Feueratem Kapalabhati, der auch dein inneres Feuer Agni anheizt:

3. Lösende Übungen

Danach kannst du Verspannungen und Blockaden lösen, indem du deinen Körper von oben bis unten abklopfst oder schüttelst – hier mag ich besonders die aktive Kundalini-Meditation von Osho.

4. Komm in den Flow

Mit fließenden Bewegungsabläufen feierst du nicht nur den Fluss des Lebens, den stetigen Wandel, sondern bringst auch deinen Körper in Schwung. Übe zu Beginn deiner Asana-Praxis einige Male den Sonnengruß (Surya Namaskara) und baue Übungen wie die Sufikreise in deine Frühjahrssequenz ein.   

5. Herzöffner

Hallo Leben! Öffne dein Herz mit Rückbeugen wie dem Kamel (Ustrasana), der Schulterbrücke (Setu Bandha Sarvangasana) oder Anahatasana:

6. Drehhaltungen

Twists sind ideal zur Reinigung. Baue also gerne mehr als sonst Übungen wie den halben Drehsitz (Ardha Matsyendrasana) in deine Praxis ein. Der optimale Abschluss deines Frühlings-Flows ist das Krokodil (Makarasana).

Rituale für den Frühling

Räuchern

Ein Ritual für deine Frühlings-Tagundnachtgleiche kann das Räuchern sein. Räuchern reinigt nicht nur, sondern verbindet uns auch auf besondere Weise wieder mit Pflanzen, unseren Sinnen und der Natur. Als Räucherpflanzen empfiehlt Marlis Bader in ihrem Buch „Räuchern mit heimischen Kräutern“ (s.u.) unter anderem Alant, Thymian oder Copal (reinigend) sowie Myrrhe, Rose und Weihrauch (segnend). 

Reflektieren

Reflexionsfragen für deinen Frühlingsbeginn, die du zum Beispiel in einer Journaling-Übung aufgreifen kannst, könnten sein:

    •    Welche Altlasten will ich loslassen?
    •    Was in mir will zum Erblühen kommen?
    •    Welche Intention setze ich mir für den Frühling?


Gesünder leben mit Ayurveda und Yoga – YogaEasy-Programm mit Dr. Janna Scharfenberg


Der Frühling aus ayurvedischer Sicht

Ritucharya heißt im Ayurveda, die Ess- und Lebensgewohnheiten an die jeweiligen Jahreszeiten anzupassen. Im Frühling überwiegt das Kapha-Dosha mit seinen Eigenschaften schwer, feucht, süß, fettig oder auch dicht. Kapha steht für die Elemente Erde und Wasser und sorgt damit unter anderem für Stabilität. 

Der Ayurveda empfiehlt im Frühling besonders Reinigungskuren (Panchakarma), um wieder in Schwung zu kommen.

Gerade Symptomen von Frühjahrsmüdigkeit – die auf den ersten Blick im Gegensatz zu den Qualitäten des Frühlings zu stehen scheint – wie Abgeschlagenheit, Antriebslosigkeit oder Kopfschmerzen, die durch die Umstellung des Hormonhaushalts (und laut Ayurveda einem Übermaß an Kapha) kommen, kannst du mit viel Bewegung, Zeit an der frischen Luft und in der Sonne, leichterem Essen oder einer typgerechten Panchakarma-Kur gut entgegenwirken. 


Ganz im Sinne der Frühlingsenergie wünsch ich dir viel Schwung auf deiner Matte und im Blick auf das „große Ganze“ viel Sensibilität für deine eigenen, ganz individuellen Bedürfnisse im Jahreskreis. Lass dich von den Kräften des Frühlings tragen – vielleicht entdeckst du auch in dir noch einen Samen, der auf sein Aufblühen wartet. 


Dieser Artikel ist Teil einer Serie – lies hier unsere Artikel zu Yoga im Sommer, Herbst und Winter


Lese-Tipps:

  • Roswitha Stark: Rituale im Jahreskreis. Harmonisierung und Selbstheilung im Rhythmus der Natur. Mankau Verlag 2020.
  • Marlis Bader: Räuchern mit heimischen Kräutern. Anwendung, Wirkung und Rituale im Jahreskreis. Goldmann 2003.
  • Kerstin Rosenberg, Lea Johanning: Ritucarya. Mit Ayurveda durch das Jahr. Königsfurt Urania 2019.
Janine Schneider
Janine Schneider

Janine Schneider ist freie Journalistin und Yoga-Lehrerin verwurzelt im Grünen bei Berlin. Sie liebt Themen rund um weibliche Spiritualität, ganzheitliche Gesundheit, emotionale Intelligenz und achtsame Nachhaltigkeit. In ihren Texten und Yogastunden versucht sie Brücken zu bauen zwischen den Tantra- und Yogatraditionen und modern gelebter Spiritualität.
Mehr über Janine erfährst du unter www.yoursoulspace.org und www.wortschaetze.org.