
Yoga bei Schlafstörungen: Tipps & Yoga-Übungen
Es ist so ungerecht. Während die einen einfach so und überall in einen tiefen, erholsamen Schlaf sinken, quälen sich manche jahrelang damit einzuschlafen oder wieder einzuschlafen. Zwischen sechs und zehn Prozent der deutschen Bevölkerung leiden unter chronischen Schlaflosigkeit. Viele von ihnen leiden länger als zehn Jahre darunter, haben bereits mehrere Medikamente ausprobiert und können ohne Tabletten nicht schlafen.
Häufige Ursache für Schlafstörungen: Unsere 24-Stunden-Gesellschaft
Es gibt die unterschiedlichsten Formen von Schlafstörungen. Manche Menschen haben Probleme einzuschlafen, andere schlafen mühelos ein, wachen aber nach ein paar Stunden auf und können nicht mehr einschlafen, und andere finden überhaupt keine Ruhe. Die Ursachen liegen in der Regel in unserem Lebensstil – einer Überstimulation durch Computer, Social Media, Essen, Alkohol bis zur letzten Minute – anhaltendem Stress oder einem chaotischen Schlafrhythmus.
Es können aber auch biochemische Gründe sein, die verantwortlich für Schlafstörungen sind. Das Hormon Melatonin, das von der Zirbeldrüse produziert wird, steuert den Schlaf-Wach-Rhythmus. Es wird ausgeschüttet, sobald es dunkel wird, das Melatonin-Level steigt durchschnittlich gegen 21 Uhr als Reaktion auf die einsetzende Dunkelheit und bleibt auf einem bestimmten Level, bis das Tageslicht das Signal gibt, die Hormonausschüttung wieder herunterzufahren. In unseren Zeit, in der es rund um die Uhr durch künstliches Licht hell ist, in der Menschen viel reisen und ein „natürlicher“ Schlaf-Wach-Rhythmus schon fast ein Luxus ist, kann unser Melatoninlevel niedrig bleiben, obwohl sich Körper und Geist dringend nach Ruhe sehnen. Ein erschöpfter Körper mag dafür sorgen, dass wir einschlafen, aber ein ruheloser Geist schreckt auf, obwohl noch längst nicht erholt, und lässt uns nicht wieder einschlafen.
Die Lichter in der Wohnung schon früher zu dimmen, elektronische Geräte (Fernseher, Laptop, Smartphone etc.) deutlich vor dem Zubettgehen ausschalten oder auch ein abendlicher Spaziergang in der Dunkelheit erinnern Körper und Geist daran, dass es dunkel ist und Zeit zu schlafen. Melatonin in Tablettenform zu nehmen, wäre ebenfalls eine Option – allerdings ohne dass es zur Gewohnheit werden sollte.
Cortisol, das wichtigste Anti-Stress-Hormon des Körpers und an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt, wird immer dann ausgeschüttet, wenn wir in einer akuten Stresssituation sind. Wenn unser Leben und/oder unsere Arbeit uns so in Atem halten, dass wir uns in einer permanenten Stresssituation befinden, bleibt das Cortisol-Level hoch, selbst wenn wir schlafen. Sobald die Melatonin-Produktion heruntergefahren wird, signalisiert unser kluger Körper, mit der Produktion des Cortisol-Hormons loszulegen, damit wir in der Lage sind, aufzustehen und bereit sind, unsererseits loszulegen. Das Cortisol-Level steigt etwa eine halbe Stunde, bevor wir aufwachen, und sinkt dann den Tag über bis auf seinen niedrigsten Punkt um Mitternacht. Wenn wir permanent in hormoneller Alarmbereitschaft stehen, wird das Cortisol-Level nie sinken und die Chance auf einen ungestörten Schlaf sinkt damit ebenfalls.
Mit Yoga & Achtsamkeit gegen Schlafstörungen
Yoga ist nur eine Möglichkeit, Körper und Geist immer wieder miteinander in Einklang zu bringen und sowohl einen hyperaktiven Geist als auch einen verspannten Körper zu entspannen, aber als integrale Methode die effektivste unserer Meinung nach. Sie hilft dir nicht nur, eine einfache Bestandsaufnahme zu machen (Was beschäftigt mich? Was quält mich? Was tut mir gut? Was fühlt sich wie an?), sondern sie gibt dir durch Asanas, Pranayamas und Meditationen handfeste Techniken, wie du diesem Zustand der „Über-Spannung“ entkommen kannst.
Während die klassische Verhaltenstherapie sogar so weit geht, Schlafprobleme als Symptom für Depression zu nehmen und mit Psychotherapie etc. versucht, den Patient:innen zu helfen, hat der englische Schlafforscher Guy Meadows einen aufsehenerregenden Ansatz formuliert, der ohne Medikamente auskommt: Die sogenannte Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Es geht dabei in einem Fünf-Schritte-Programm im Wesentlichen darum, die Schlaflosigkeit zu akzeptieren, um sie loszuwerden. Statt wie gehabt eine To-do-Liste (warmes Bad, kein Alkohol, keinen Kaffee, Armbäder etc.) abzuarbeiten, krampfhaft die Situation kontrollieren zu wollen, sollen wir sie akzeptieren und auch die Gefühle, die mit ihr einhergehen. Gelingt uns das, gibt es laut Meadows und der Londoner Sleep School keinen Kampf mehr.
Tipps gegen Schlafstörungen: Atemübungen im Bett
1. Verlängere die Ausatmung
Die „Faustregel“ für Atemübungen, die bei Schlafstörungen helfen, lautet schlicht, die Ausatmung zu verlängern.
- Lege dich in Shavasana der Länge nach auf dein Bett, entspanne den Brustkorb und alle Organe im Brustraum, entspanne auch den Bauch und alle Organe im Unterleib.
- Lege nun beide Hände flach auf den Unterleib unterhalb des Nabels, sodass die Ellenbogen entspannt bleiben können. Beginne, die Atmung in den Bauch zu ziehen. Lass die Atmung sanft in den Bauch strömen und passe Ein- und Ausatmung aneinander an. Vertiefe und verlängere so langsam die Atmung, ohne dass die Atmung anstrengend oder gepresst wird.
- Dann ändere den Rhythmus. Atme auf vier Takte ein und auf acht Takte aus. Modifiziere so, wie es dir richtig erscheint, aber behalte den 1:2-Rhythmus bei: Einfache Einatmung, doppelte Ausatmung.
- Die verlängerte oder „verdoppelte“ Ausatmung hilft dir, dich zu beruhigen und Körper und Geist auf den Schlaf einzustimmen.
2. Zähle deine Atemzüge
- Atme ruhig und gleichmäßig ohne den Atem zu „takten“. Atme 8 Atemzüge auf dem Rücken, 16 Atemzüge auf deiner rechten Seite, 32 Atemzüge auf deiner linken Seite.
3. Stärke und beruhige dein Herz
- Lege deine Hände flach übereinander auf dein Herz und spüre die Wärme deiner Hände.
- Visualisiere Menschen, die dir am Herz liegen, und wünsche ihnen Gutes und Schönes.
- Nun ziehe den Kreis größer, lass dein Bewusstsein größere Kreise ziehen, vom Herzen aus über die linke Körperseite hinüber nach rechts und zurück zum Herzen, und sende deine Wünsche an einen größeren Kreis. Mach es nicht zu kompliziert, lass einfach Liebe zirkulieren, bis sich dein Geist von alleine vom Kopf zurück zum Herzen bewegt und auf diese Weise beruhigt.
Yoga-Übungen: Beruhigende Asanas bei Schlafstörungen
Vor allem im Yin Yoga gibt es Sequenzen, die dir helfen, Köper und Geist zu beruhigen. Du brauchst dazu lediglich eine ruhige Ecke, ein paar Decken oder Kissen oder ein großes Yogabolster, falls du eines zur Hand hast.
Probier doch mal dieses Video, um dein Nervensystem vor dem Schlafengehen zu beruhigen. Anna Trökes zeigt dir, wie du so richtig runterkommst:
Oder du übst diese Asanas:
1. Prasarita Padottanasana – weite stehende Vorbeuge
Bringe deine Beine in eine weite Grätsche, lass die Knie leicht gebeugt, stütze die Hände auf den Boden, sodass du stabil bist. Lass Kopf und Schultern für ein paar Momente baumeln, dann wandere die Beine so weit auseinander, dass dein Kopf auf einem dicken Kissen oder Ähnlichem ruhen kann. Die Übung ist nur sinnvoll, wenn die Vorbeuge eine Erleichterung für Nacken und Schultern bedeutet. Sobald du um jeden Preis den Kopf Richtung Erde bringen willst, verlierst du den regenerativen Effekt.
2. Supta Baddha Konasana – liegender Schmetterling
Liege im liegenden Schmetterling so, dass ein dickes Bolster oder mehrere Kissen oder gefaltete Decken deinen Rücken und deinen Kopf gut stützen können, und eine länglich zusammengerollte Decke über den Füßen und unter den Knien liegt. Es geht in dieser Haltung nicht darum, die Hüften zu öffnen, sondern durch die Unterstützung der Knie ein Gefühl von „Integration“ der Beine im Becken zu spüren. Du öffnest Brustkorb und Herz, und schließt den Kreislauf mit Beinen und Becken.
Das Buch von Guy Meadows heißt: „Schlaf gut” und ist im Rowohlt Verlag erschienen.