Yoga in unterschiedlichen Kulturen
Shutterstock und African Yoga Project

Wie Yoga in verschiedenen Kulturen gelebt wird

Von Christiane Eitle

300 Millionen Menschen weltweit praktizieren Yoga. In den meisten Regionen und Städten dieser Welt findet sich ein vielfältiges Yoga-Angebot, von modern bis traditionell. In manchen Ländern ist Yoga eher elitär, gehört zum Lifestyle der Privilegierten, und Yogalehrausbildungen kosten das Äquivalent von einem Kleinwagen. In einigen, vor allem muslimisch geprägten Ländern und streng christlichen Institutionen ist Yoga nicht gern gesehen oder sogar komplett untersagt. Und etliche beliebte Reiseziel leben vom Yogatourismus, obwohl Yoga niemals Teil der Landeskultur war.

Es ist schon faszinierend, wie Yoga sich in der westlichen Welt ausgebreitet hat – und anschließend in sein Mutterland Indien quasi reimportiert wurde. Seit der indische Yogi Swami Vivekananda im Jahr 1893 Vedanta nach Amerika brachte und Paramahamsa Yogananda in den 1920er-Jahren dort indische Ashrams gründete, um Kriya Yoga zu lehren, ist viel geschehen. In den 1930ern wurde Hatha Yoga zunehmend in Europa bekannt und Swami Vishnudevananda eröffnete 1957 die ersten Sivanada-Yogastudios in den USA. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfreuten sich dann dank T. Krishnamacharya und seiner Schüler Sri K. Patthabi Jois und B.K.S. Iyengar körperorientierte Yogastile wie Ashtanga, Vinyasa oder Iyengar Yoga immer größerer Beliebtheit. 

Heute ist Yoga ein (fast) weltweites Phänomen. Komm mit auf eine Reise durch die Yogawelt des 21. Jahrhunderts – von Afghanistan bis Malaysia, von Afrika bis Israel, von Bali bis Indien.


Yoga in Israel Yoga auf der Welt

Yoga in Israel – finde den Frieden in dir

Schon seit den 1960ern ist Yoga in Israel beliebt. Heute wird es dort wie überall auf der Welt von Menschen jeden Alters praktiziert. In Tel Aviv finden sich sowohl moderne Hippies als auch Soldaten auf den Yogamatten wieder. Es werden weltweit bekannte Yoga-Festivals in der Wüste veranstaltet und auch orthodoxe Gemeinschaften üben Yoga. Israel ist ein Land der Gegensätze, gefangen zwischen modernem, fortschrittlichem Leben und einem schier unlösbaren Konflikt, der immer wieder in Krieg und Unsicherheit resultiert. Auf der Yogamatte suchen junge und alte Israelis ein wenig Frieden in sich selbst.

Dennoch fragen auch in Israel traditionelle Rabbis danach, wie koscher Yoga ist. Ist es vereinbar mit jüdischer Ideologie oder birgt die Verehrung von Hindu-Göttern, wie sie in einigen Yogastilen praktiziert wird, eine Gefahr für den jüdischen Glauben? Im Zentrum solcher Diskussionen steht immer die Frage, ob Yoga als Religion, spirituelle Praxis, Entspannungsübung oder säkularer Freizeitsport einzustufen ist. Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten. Hier ist die Vielfalt von Yoga sowohl die Lösung als auch das Problem. Denn Yoga hat trotz seiner unterschiedlichen Erscheinungsformen immer dasselbe Ziel und ähnliche Effekte auf Körper und Geist.

Tatsächlich finden sich im jüdischen Glauben und in der Kabbalah-Mystik Parallelen zur Philosophie des Yoga. Jüdische Feiertage wie Sukkot, Rosh Hashanah und Yom Kippur laden dazu ein, in sich zu kehren, das eigene Leben und Sein zu reflektieren und die Freude des gegenwärtigen Moments zu erleben. Das sah wohl auch Israels erster Premierminister David Ben Gurion so, denn er praktizierte regelmäßig Yoga und übte noch persönlich bei Moshe Feldenkrais. 


Yoga in Malaysia Yoga auf der Welt

Yoga in Malaysia – ist Yoga eine Religion?

Tropische Strände, wunderschöne Inseln und eine multikulturelle, lebendige Metropole machen Malaysia theoretisch zu einer Top-Destination für Yoga-Interessierte aus aller Welt. Auch praktizieren zwölf Prozent der malaysischen Bevölkerung Yoga. Es gibt zahlreiche Yoga-Studios in Kuala Lumpur. Inseln wie Borneo oder Langkawi bieten Yoga-Retreats und -Kurse. Dennoch hatte Yoga es in Malaysia schwer: Im Jahr 2008 verbot der nationale Fatwa-Rat Yoga für die Muslime des Landes, die zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen. Die Befürchtung, dass Yoga eine Religion sei und den muslimischen Glauben korrumpieren würde, wurde jedoch von vielen angezweifelt. Nach vehementen Protesten konnte das Verbot (das nicht rechtlich bindend ist) etwas gelockert werden und rein körperliches Yoga ohne religiöse Elemente wie Chanten und das Verehren von Hindu-Göttern, wurde gestattet. 


Yoga auf Bali Yoga auf der Welt

Yoga in Indonesien und Bali – Spiritualität als Lebensart

Auch in Indonesien ist Yoga den muslimischen 90 Prozent der Bevölkerung nur gestattet, wenn es rein körperlich geübt wird. Religiöse Praktiken hinduistischen Ursprungs würden den islamischen Glauben schwächen, so die Begründung. Für den Beschluss wurden Yoga-Studios im ganzen Land besucht, um einzuschätzen, inwiefern hinduistische Rituale Muslime beeinflussen.

Wie kann es also sein, dass jedes Jahr Millionen von Menschen auf die indonesische Insel Bali fliegen und dort ein unfassbar vielfältiges Yoga-Angebot mit Yogaschulen, Retreats, Yoga-Ausbildungen, Ashrams und Yoga-Festivals vorfinden? Die Erklärung: Bali ist im Gegensatz zu Rest-Indonesien hinduistisch geprägt. Die balinesische Kultur ist wie der Hinduismus in Lebenseinstellung und Alltag von Spiritualität und einer Liebe zu Ritualen geprägt. Zudem ist Bali mit seinem dichten Dschungel, Bergen, grünen Reisfeldern und endlosen Stränden ein echtes Paradies. Diese Kombination aus atemberaubender Natur, zahllosen Tempeln, dem Glauben und der Lebensart der Balinesen kreiert eine besondere und heilsame Atmosphäre – in der sich internationale Yogi:nis offensichtlich sehr zu Hause fühlen. Vor allem in der „Yoga-Hauptstadt“ Ubud, wo in so manchem Yoga-Studio, etwa dem bekannten Yoga Barn, gut 100 Yogakurse pro Woche angeboten werden.


Yoga in Africa Yoga auf der Welt

Yoga in Afrika – kommt Yoga eigentlich aus Afrika? 

Yoga wird in vielen afrikanischen Staaten wie Sudan, Äthiopien, Ruanda oder Kenia bewusst gefördert. Traumasensibles Yoga wird genutzt, um den zahlreichen Opfern von Vergewaltigung, Kriegen, Genozid, HIV, Gewalt und Armut dabei zu helfen, ihre Erfahrungen zu bewältigen und wieder Selbstwert, Sinn und Vertrauen in das Leben zu finden. Das „The Africa Yoga Project“ unterstützt die Verbreitung von Yoga durch die Ausbildung Hunderter neuer afrikanischer Yogalehrer und -lehrerinnen und ermöglicht diesen so einen Weg aus der Armut

Yoga gibt es aber nicht erst seit Kurzem in Afrika: Wandbemalungen mit Yoga-Körperhaltungen in ägyptischen Tempeln und Texte aus Hieroglyphen belegen, dass in Ägypten bereits vor 7.000 Jahren Yoga oder besser gesagt „Smai Tawi” praktiziert wurde. Es wird sogar diskutiert, ob diese ägyptische Form des Yoga älter ist als das indische. Wie auch im Yoga war das Ziel des Smai Tawi, durch Bewegung, kontrollierte Atmung und Meditation Selbsterkenntnis, Heilung und die Vereinigung von Körper, Geist und Seele zu erreichen. In den 1970er-Jahren entwickelten Dr. Asar Hapi und Meister Yirser Ra Hotep darauf basierend das moderne Kemetic Yoga (Kemet = „altes Ägypten“). Der Fokus bei diesem Yogastil liegt vor allem auf der Bewegung von Energien, langsamen Bewegungen und Chakra-Arbeit, um sich mit dem höheren Selbst und dem Göttlichen zu verbinden. Kemetic Yoga hält auf besondere Art afrikanisches Kulturgut am Leben und soll Ägyptern und Ägypterinnen helfen, sich mit ihren Wurzeln zu verbinden.


Yoga in Afghanistan – wenn Frauen ihr Leben riskieren

Die 70er-Jahre, in denen Sinn-suchende Westler auf dem Hippie-Trail durch Afghanistan reisten, um nach Indien zu gelangen, sind lange vorbei. Heute ist das Land von Jahrzehnten Krieg, Terror und Konflikten gezeichnet und zu gefährlich für Tourist:innen. Vor allem Frauen waren und sind – besonders in Zeiten der Taliban-Herrschaft – Opfer von häuslicher Gewalt und sozialer Unterdrückung und Ausgrenzung. Bis zum vergangenen Jahr gab es in Afghanistan genau ein Yogastudio. 2016 eröffnete Fakhira Momtaz das Momtaz Yoga Center in der Hauptstadt Kabul, um Frauen einen sicheren Hafen zu bieten. Ihr Ziel war es, jungen und alten Afghaninnen einen Weg aus Depression und Verzweiflung zu zeigen, sodass sie Frieden und Kraft in sich selbst finden. Trotz der Herausforderungen, in einem konservativen, frauenfeindlichen und muslimischen Land wie Afghanistan eine „un-islamische religiöse Praxis“ wie Yoga anzubieten, konnte sie das Studio einige Jahre offenhalten. Seit die fundamentalistischen Taliban im August 2021 Kabul übernahmen, lebt sie jedoch im Exil in Pakistan. Derzeit läuft eine gofundme-Kampagne, um Geld für sie und ihre Familie zu sammeln. Denn Fakhira wird als Frauenaktivistin von den Taliban als Ketzerin angesehen und muss um ihr Leben fürchten. 


Yoga in Indien Yoga auf der Welt

Yoga in Indien – wie beliebt ist Yoga in seiner Heimat? 

Seit 2014 gibt es in Indien einen Yoga-Minister. Denn entgegen der gängigen Meinung, dass Inder:innen auch Yogi:nis sein müssten, praktizieren nur etwa sieben Prozent der indischen Bevölkerung regelmäßig Yoga (zum Vergleich: In Deutschland sind es fünf Prozent). Vor allem unter jüngeren Inder:innen ist Yoga beliebter als bei der älteren Generation. Interessanterweise praktizieren trotz der hinduistischen Einflüsse im Yoga mehr Jainas und Sikhs als Hindus oder indische Buddhist:innen, Muslim:innen und Christ:innen.

Um den gesundheitlichen und präventiven Nutzen von alternativen Therapien zu fördern und wieder in das Bewusstsein der indischen Bevölkerung zu bringen, richtete der Premierminister Narendra Modi das AAYUSH-Ministerium (Ayurveda, Yoga, Naturopathy, Unani, Siddha and Homeopathy) ein. Das Wissen um Yoga ist Jahrtausende alt, jedoch wurde Yoga in der Form, wie wir es im Westen kennen, erst in den letzten Jahrzehnten auch in Indien langsam populär. Durch die im Westen vorherrschende Reduzierung von Yoga auf körperliche und fitnessorientierte Asana-Praxis wurde Yoga stark kommerzialisiert. So entstand in den letzten beiden Jahrzehnten ein milliardenschwerer Markt, von dem verständlicherweise auch die Inder:innen gerne profitieren möchten. 

Trotz all dem ist Indien die Wiege des Yoga, wie die heiligen Texte der 5.000 Jahre alten Rig Veda bezeugen. Weltweit folgen Yoga-Paktizierende und Yogaschulen mehr oder weniger den Prinzipien des Yoga Sutra von Patanjali mit seinem achtgliedrigen Pfad zur Befreiung. Auf diesem Pfad ist die körperliche Asana-Praxis nur die dritte von acht Stufen. Im traditionellen indischen Yoga sind die sechs Yogawege – Hatha, Bhakti, Jnana, Raja, Karma und Kundalini – sehr viel präsenter als in westlichen Yogaschulen. Statt reiner körperlicher Hatha-Praxis wird Yoga als eine Art zu leben adaptiert und viel Wert gelegt auf Kontemplation, Hingabe und Klärung des Geists. Die „Welt-Yoga-Hauptstadt“ Rishikesh, am Fuße des Himalayas, ist mit dem heiligen Ganges und zahlreichen Ashrams, Tempeln und Yogaschulen heute mehr denn je das Hauptreiseziel vieler Pilger:innen, Suchender und Yogi:nis aus West und Ost. 


Das Beste vom Yoga für dich nach Hause – 7 Tage gratis


Yoga: Ein weltweites Phänomen

Das Nachzeichnen der Entwicklung von Yoga auf globaler Ebene kann immer nur eine Momentaufnahme sein. Yoga entwickelt sich rasant mit den unterschiedlichen Bedürfnissen und Limitierungen der Welt-Gemeinschaft weiter. Viele Menschen haben den Kontakt zu sich selbst und die Verbindung zu ihrem Körper verloren. So kann die erste Begegnung mit bewusst ausgeführten Asanas im Fitnessstudio schon lebensverändernd sein. Oft öffnen die Bewegungen und Präsenz auf der Matte ein ungeahntes Tor zu mehr Bewusstheit und ein überraschendes Gefühl von Einheit, das Lust auf mehr macht. Viele Yogastile bieten aber nicht nur Asanas und viele westliche Yoga-Interessierte wenden sich mehr und mehr der Achtsamkeitspraxis und Meditation zu.

Egal ob wir ein Yoga-Studio in Kapstadt betreten, die Matte auf einer tropischen Insel ausrollen oder in Israel Kopfstand üben – Yoga ist mittlerweile in (fast) jeder Ecke der Welt zu finden. Das Gefühl des Ankommens ist überall dasselbe, denn die Essenz von Yoga ist universell, unabhängig von Kultur, Yogastil, Geschlecht und Religion. Auch in Ländern, die wir vielleicht nicht als Tourist:innen besuchen können, weil sie vom Krieg gebeutelt sind oder religiöse Restriktionen Mantren verbieten, wird Yoga geübt. Denn Yoga heilt, vereint und stärkt uns auf allen Ebenen. Manche Menschen brauchen Yoga wie die Luft zum Atmen, um sich in unserem hektischen modernen Leben, in den aktuellen unsicheren Zeiten wieder selbst zu spüren. Yoga schenkt inneren Frieden, Vertrauen und Sinn. Wir lassen das chaotische Karussell dort draußen für eine Weile hinter uns und spüren, was wirklich da ist. Wahrheit, Authentizität und innere Kraft warten jenseits unserer Gedankenwelten auf uns, wenn wir es nur zulassen.

Christiane Eitle
Christiane Eitle

Christiane praktiziert seit ihrem 17. Lebensjahr Yoga und Meditation. Ihr tiefes Verständnis für Yoga, Achtsamkeit, Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht es ihr, dieses Wissen als Online Content-Managerin und Texterin für Lehrer:innen, Coaches und Therapeut:innen einzusetzen. Ihre Empathie und Fachkenntnisse machen sie zur idealen Partnerin, um hochwertige und zielgruppenorientierte Inhalte zu erstellen. Mehr Informationen zu Christiane findest du unter www.christianeeitle.com.