
Vastu – das indische Feng Shui
Das Ziel von Vastu ist der Einklang aller Energien, und zwar in deinem Wohn- und Arbeitsumfeld. Denn wenn in den Räumen, in denen du dein Leben verbringst, die feinstofflichen und feststofflichen Elemente ein harmonisches Umfeld schaffen, wirkt sich das auf jede Zelle in deinem Körper, auf jeden und jedes deiner Gedanken und Gefühle aus. Dein Zuhause sollte ein Ort sein, der dich schon beim Betreten glücklich macht!
Aus dem Sanskrit übersetzt bedeutet Vastu „Stätte”, „Anwesen”, „Platz”, „Gut”/„Besitz”, „Objekt”, aber auch „Thema” oder „Substanz”. Seit etwa 5.000 Jahren bewährt sich Vastu millionenfach in Indien, doch auch im europäischen Raum wurde sein Wert bereits im ersten Jahrhundert vor Christus vom römischen Architekten Marcus Vitruvius Pollio erkannt und seine Prinzipien angewendet. In der Renaissance schätzten besonders florentinische Baumeister wie Andrea Palladio (1508 – 1580) die harmonischen Konzepte des Vastu und setzten sie in zahlreichen Gebäuden um.
Die Grundlagen von Vastu
Vastu ist eine holistische Lehre, die in der Zeit entstanden ist, als sich in der vedischen Kulturepoche Indiens alle Weisheit um die Schöpfung, das Leben auf Erden sowie Ayurveda-Wissen und Yoga-Philosophie verbreitete. Den Menschen nicht als Einheit mit der umgebenden Natur und seinem Lebensplatz zu sehen, wäre damals niemanden in den Sinn gekommen – also völlig gegensätzlich zu unserer heutigen Lebensweise und unserem Umgang mit der Umwelt. Wir sehen heute unsere Wohn- und Arbeitsstätte inklusive aller Interieurs als unbelebte Materie an und leben infolgedessen nicht mit, sondern „nur” in ihr – und oft auch gegen sie.
In der vedischen Epoche Indiens wusste man von der energetischen Wechselwirkung zwischen der äußeren Welt und dem inneren Sein des Menschen. Der Bewusstseinsweg des Yoga und die Lehre des Vastu gehen insofern Hand in Hand.
„Alles, was ein Mensch in der äußeren Welt als Begebenheiten erlebt,
wird zuvor in seiner inneren Welt unbewusst oder bewusst erschaffen.”
Vastu Prinzip
Die Elemente von Vastu
Vastu lehrt das wechselseitige Energieprinzip zwischen Mensch und Raum.
1. Element: Der Körper des Menschen
Der menschliche Körper ist durchwoben von feinstofflichen Energiebahnen (Nadis) und Energiezentren (Chakras), die nicht nur Lebensbringer und Lebenserhalter, sondern auch Energieempfänger und -sender sind. Der Körper des Menschen nimmt feinstoffliche Energiefelder wahr und beeinflusst sie auch.
2. Element: Die Natur
Die natürliche Umgebung ist das größte Energiefeld, das vom Energieempfänger Mensch wahrgenommen wird. Dazu gehören der kleine Garten oder der städtische Park genauso wie der Wald und das Wasser aus Flüssen, Seen und Meeren. Auch die Erde ist ein belebtes, kosmisches Wesen, das mit feinstofflichen Energiebahnen (Ley-Linien) gleich der Nadis im Körper ausgestattet ist und Energiezentren wie Chakras (Kraftorte) hat. Zur Natur, die Einfluss auf unser Wohl hat, zählen im Vastu auch die Energiewellen von den Planeten des Universums, die der Körper empfangen und spüren kann.
„Ist die Natur in der Lebensumgebung eines Menschen mit Häusern und Straßen bebaut, wird der Fluss der feinstofflichen Lebensenergie gemindert und muss mit natürlichen Energiebringern ausgeglichen werden.”
Vastu Prinzip
3. Element: Das Energiefeld des Hauses/ Raumes
Das Haus, die Wohnung, die Räume des Alltags bestehen nicht aus unbelebter Materie. Alles, selbst künstlich von Menschenhand Hergestelltes, wurde aus Elementen der Erde erschaffen. Materie ist ebenso ein bioenergetisches Feld wie ein Körper oder die Natur, gegebenenfalls jedoch mit minimierter Leitfähigkeit. Ein Haus, eine Wohnung oder ein Raum sind Mittler zwischen dem enormen Energiefeld der Natur und dem bewusstseinsfähigen Energiefeld des Menschen. Ein Haus kann ein guter Schutz vor schädlichen Einflüssen sein oder gegenteilig wie ein Brennglas wirken und schädliche Energien aus dem Umfeld konzentriert auf die Bewohner übertragen.
Idealerweise sollten Häuser, Wohnungen, Arbeitsräume vor ihrer Entstehung als energetisch belebte Umgebung angesehen, behandelt und als solche gebaut werden. Leider ist es für die meisten von uns nicht möglich ein individuelles Biofeld als Wohn- oder Arbeitsraum zu erbauen. Du kannst jedoch deine räumliche Umgebung mit Vastu-Prinzipien zumindest so gestalten, dass diese dir nicht schadet, sondern deine Lebens- und Schaffenskraft verstärkt. Nochmals zur Erinnerung: Du bist ein oder eine Energieempfänger:in und Energiesender:in.
Wie kann ich Vastu in meinem Zuhause anwenden?
Dieser kurze Artikel mag dich nicht zum Vastu-Experten oder zur Vastu-Spezialistin machen, dennoch kannst du (mit deinem Yoga-Feeling!) einiges in deinen Räumlichkeiten erkennen und ändern. Du kannst auch professionelle Vastu-Berater:innen beauftragen, die Himmelsrichtungen einordnen können, die bauliche Proportionen, das Baumaterial und den Einfluss von Licht, Farben und zudem die astrologischen Beziehungen zwischen dir und deinen Raumbedürfnissen zu analysieren wissen. Allerdings kennst du dich selbst am besten und hast auch ein Gefühl für deine Umgebung. Verlass dich auf deine bisherige Yoga- und Meditationserfahrung, die dir bei deiner jetzigen oder zukünftigen Raum-Analyse helfen werden. Yoga ist eben weit mehr als nur Körperbewegung.
1. Fühle den Raum
Statt ihn zu sehen oder zu denken, mache in jedem Raum, ob zu Hause oder am Arbeitsplatz, eine kleine Meditation mit geschlossenen Augen. Atme, fühle deinen Körper, spüre dich und erweitere dann deine Wahrnehmung auf den gesamten Raum. Fühle, was der Raum dir sagen möchte, erspüre feinstoffliche Energieflüsse oder Blockaden. Wo stockt die Energie? Wo fließt sie ungenutzt hinaus?
2. Mache dir Notizen
Notiere dir nach deinen Meditationen, was du gespürt hast und konzentriere dich als erstes darauf, Blockaden aufzulösen und mit belebenden Elementen auszugleichen (siehe unten). Mach dir eine umsetzbare To-Do-Liste pro Raum und berücksichtige dabei die Aufgabe des Raumes und seine Nutzungsintention, etwa als Arbeitsplatz (das kann auch nur dein Schreibtisch in einem Büro sein), als Wohnraum oder Schlafraum. Auch Garage und Keller sind Lebensräume!
3. Vor Veränderungen Raumenergie reinigen
Wenn du schließlich kleine oder große grundlegende Veränderungen angehst (etwa aus einem zum Schlafen ungeeigneten Raum ein Arbeitszimmer machst), steht unbedingt eine profunde Raumenergie-Klärung an. Dafür kannst du entweder jemanden beauftragen, das ist aufgrund der objektiven Distanz effektiver, oder du kannst sie selbst vornehmen. Ein Austausch von Objekten und Wohnelementen oder das Umstellen von Möbeln wird keine neuen Kräfte fließen lassen, wenn alles noch von alten Energieablagerungen förmlich verklebt ist.
Vastu und Purusha
Purusha ist der Sanskritbegriff für den ursprünglichen, ewigen Menschen; die Essenz des Menschen; das höchste Wesen als göttliche Personifizierung.
Purusha als göttliches Ur-Energiefeld des Seins sollte sich in allen Umgebungsräume widerspiegeln, also die Essenz des ewigen Menschen in sich tragen, um die derzeitige körperliche Inkarnation auf Erden aus Körper, Geist und Seele, die die Räumlichkeiten bewohnt, gesund und glücklich zu bewahren. Purusha in deinen Räumen (Einzelraum, Wohnungs- oder Hausgrundriss) zu etablieren und zu beleben ist dein Weg zum Wohl-Wohnen.
Stell dir vor, du liegst als göttliches Wesen in einem Raum (s. Grafik), in dem du gerade diesen Artikel liest.
Hinweis: Die meisten Räume sind rechteckig oder quadratisch, die Lage der Himmelsrichtungen kannst du dir anhand des Sonnenverlaufs vorstellen oder eine Kompass-Handy-App zu Rate ziehen.
- Weniger ist mehr: Die Vastu-Weisheit stellt die Wirkung des Raumes vor die Wirkung von Gegenständen. Das ist in unserer europäischen, neuzeitlichen Wohnkultur eher umgekehrt nach dem Motto „Ich habe tolle Möbel, die sollen auffallen.”
- Stell dir deinen Raum für einige Augenblicke ganz leer vor. Fühlst du dich schwerer oder leichter?
- Würdest du, dort wo der Kopf Purushas eingeordnet ist, ein schweres Möbel platzieren?
- Sollte das nicht eher an einem Fenster mit Blick zum Himmel liegen oder ein Sofa zum Lesen stehen, sodass dein Intellekt angeregt wird? Auch ein Esstisch für Kommunikation mit Mitmenschen wäre eine mögliche Möblierung.
- Purushas Arme sind ebenso wie bei dir aktive Körperteile, deren ausführende Energie bei Tätigkeiten verstärkt wirkt, so diese Aktivitätszonen im nördlichen und/oder westlichen Bereichen angesiedelt werden, also etwa ein Schreibtisch oder eine Küchenzeile.
- Beine und Füße, die naturgemäß kräftiger sind als Arme und Hände, sind ideale Zonen, um solche Möbel zu platzieren, die Bewegungsruhe unterstützen, etwa Sofas oder Betten.
- Die Mitte des Raumes ist wie dein Nabel eine sehr empfindliche Zone. Das Nabel-Chakra und das Herz-Chakra sollten auch in Räumen Blockadefrei sein, also weder mit Möbeln noch Teppichen verdeckt werden. Dies gilt auch für die vertikale Betrachtung des Raumes. Lampen an der Decke in der Raummitte sind Störenfriede und sollten besser in Richtung Westen oder Südwesten platziert werden. Habe Mut zur Leere.
- Haus- oder Raummitte sind Zonen der Kraft und der Verbindung mit der Urquelle, ein idealer Platz zu meditieren, zur Positionierung eines Mandalas am Boden oder zum Aufstellen einer Kristallpyramide.
Vastu und die Naturelemente
Falls du nicht gerade ein Haus neu baust und die Grundprinzipien des Vastu bei der Planung berücksichtigen kannst, hast du Möglichkeiten, in allen deinen Räumen mit Wissen um die Wirkung der Naturelemente Veränderungen vorzunehmen.
Die Naturelemente stehen in Verbindung mit den Himmelsrichtungen und bewirken – weise platziert – befreiende, förderliche Energieflüsse in deinen Lebens- und Arbeitsräumen, was die am häufigsten nötige Korrektur von Raumenergie ist. Manchmal können auch Minimierungen nötig sein.
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Hast du bei deiner meditativen Analyse deiner Umgebungsräume etwa zu viel Feuer, also Spannungen, gespürt (vielleicht am Arbeitsplatz), solltest du entsprechende Repräsentanten der Elemente (siehe unten) entfernen oder Umgebungsfarben ändern.
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Hast du gespürt, dass feinstoffliche Energie ungenutzt zu einem großen Fenster hinausfließt? Setze Pflanzen auf der Fensterbank oder Fensterprismen ein, um den Energieabfluss zu minimieren.
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Gibt es Zonen in deinen Räumen, die du nicht gerne betrittst oder nutzt? Dann ist vielleicht dort das Naturelement der Erde zu stark repräsentiert in Form von Holzmöbeln. Platziere Lampen als Gegenmaßnahme, falls du das Möbelstück nicht entfernen kannst oder willst.
Himmelsrichtungen und Naturelemente
Jede Himmelsrichtung ist mit unterschiedlichen elementaren Energieformen verbunden. Den Naturelementen sollte es möglich sein, sich innerhalb eines Raumes in der Himmelsausrichtung frei zur entfalten, um der Harmonie zwischen Natur, Haus und Mensch zu dienen.
Naturelement Erde
Als Energierepräsentanten der Erde gelten Wohnaccessoires wie Pflanzen in Tontöpfen, Edelsteine, Bilder mit Bergen und Erdfarben sowie auch Gegenstände und Möbel aus Naturholz.
Naturelement Wasser
In Räumlichkeiten wird die energetische, fließende Kraft des Wassers durch kleine Brunnen, Behälter mit stets frischem Wasser, Vasen mit Blumen, Bilder mit Wellenformen oder Fotos von Wasser sowie blaue Farbtöne wiedergegeben.
Naturelement Feuer
Spitze Formen ähnlich einer Flamme repräsentieren die Energie des Feuers, aber auch Kerzen, Kamine, elektrische Geräte wie Fernseher, Computer und ähnliches sowie Bilder mit Feuer und Orangetöne fördern das Feuer-Element. Daher ist eine süd-östliche Ausrichtung gut für Schreibtische.
Naturelement Luft
Luft bedeutet Bewegung und kann von Bildern mit Wolken, einem Windspiel sowie anderen beweglichen Gegenständen oder einem Schaukelstuhl aktiviert werden. Die Ausrichtung Nord-West ist ein idealer Platz für deine Yogamatte, auf der du Bewegungen in Form von Asanas und Pranayama praktiziert.
Naturelement Äther
Äther ist das Feld, das uns unsichtbar umgibt, gleich ob in einem Raum, auf der gesamten Erde und im Universum. Als solches wird Äther leider kaum wahrgenommen und ist dennoch das essentielle Element des Prana, der Lebensenergie, die der Äther in sich trägt und alles in der Schöpfung vorkommende mit Prana durchwebt und belebt. Diese unsichtbare Lebensenergie kann am besten durch harmonische Klänge, durch spiegelnde Oberflächen und durch Leere (also freigehaltenen Raum) oder Leere im Kopf in Form von regelmäßiger Meditation (am besten in der Mitte des Raumes) gestärkt werden.
Vastu in deinem Yogaraum
Für deine Yoga-Praxis in deinem Yogaraum oder Yogabereich zu Hause oder in deinem professionellen Yogastudio ist es hilfreich alle fünf Naturelemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther in angemessener Form zu integrieren. Die fünf Elemente sind nicht nur Bestandteile der Natur, sondern auch eines jeden Menschen als Körper-Geist-Seelen-Einheit. Diese Ganzheit und Harmonie im Menschen als Energieempfänger:in und in seiner oder ihrer Umgebung als Energiesender:in zu verstärken, ist das Ziel allen Yogas.
Love and Light,
Birgit Feliz Carrasco