Upavistha Konasana – Sitzen mit Bäm

Von Dana Pukowski

Upavistha Konasana („Upavistha” = sitzen; „kona”= Winkel) ist eine sitzende Vorbeuge mit gegrätschten Beinen. Die deutsche Übersetzung, sitzender Winkel, gibt schon einen recht klaren Hinweis auf die Form der Asana: Deine Beine bilden bei dieser Haltung einen Winkel. Ein Geodreieck brauchst du für diese Asana aber nicht – wir Yogi:nis vertrauen ja sowieso lieber auf die Botschaften des Körpers.

Auch wenn der sitzende Winkel auf den ersten Blick unprätentiös wirkt, er ist nicht ohne Grund ein Liebling auf der Matte. Du profitierst in Upavistha Konasana von einer intensiven Dehnung deiner Beine, aber auch von der beruhigenden Wirkung der Vorwärtsbeuge. Mit dem sitzenden Winkel kannst du nicht nur einen Gang herunterschalten, sondern dich ganz der Reflexion hingeben. Deine Energie und Aufmerksamkeit wird automatisch von außen nach innen gelenkt, so dass es dir leichter fällt, dich still selbst zu beobachten. 

Aber Achtung: Übe dich im Hinblick auf die Dehnung in liebevoller Achtsamkeit. Ich weiß, das klappt nicht immer. Es ist schon großartig, wenn du lernst zu erkennen, dass du dich gerade mit mentalen Peitschenhieben gängelst. Am Anfang steht immer die Erkenntnis.

Upavistha Konasana ist eine gute Vorbereitung für andere sitzende Vorwärtsbeugen, aber auch für Standhaltungen in der Grätsche. Falls die Asana noch nicht zu deinen Lieblingsübungen zählt, ist sicher bei unserem bunten Strauß an Variationen was für dich dabei.

upavistha konasana

Wie du Upavistha Konasana A richtig ausführst

  1. Starte in Dandasana, der Stockhaltung
  2. Öffne deine Beine in eine weite Grätsche. 
  3. Greife mit deinen Händen jeweils einen Oberschenkel nahe an der Hüfte und drehe die Innenseite deines Oberschenkels Richtung Boden. So weitest du die Rückseite deines Oberschenkels. 
  4. Schiebe deine Fingerspitzen hinter dich in den Boden und finde deine natürliche Lendenlordose (natürliches Hohlkreuz), indem du deinen unteren Rücken nach innen und oben ziehst.
  5. Optional: Rolle über deine Sitzbeinhöcker nach vorne, um deine Beine weiter zu grätschen. 
  6. Kontrahiere deine Oberschenkelmuskulatur, indem du deine Kniescheiben nach oben ziehst. Deine Beinrückseiten haben Kontakt zum Boden. Beide Kniescheiben zeigen nach oben zur Decke. 
  7. Flexe deine Füße und schiebe aktiv deine Großzehenballen von dir weg.
  8. Richte dich über den Druck der Fingerspitzen einatmend auf, während du dich ausatmend aus dem Becken nach vorne beugst.
  9. Wandere mit deinen Händen zwischen den Beinen nach vorne. 
  10. Wenn dir das leicht fällt, greife mit deinen Daumen, Zeige- und Mittelfingern deine großen Zehen. 
  11. Verlängere deine Wirbelsäule erneut einatmend und vertiefe ausatmend – aktiv unterstützt über deine Arme – deine Vorwärtsbeuge. 
  12. Bleibe für fünf bis zehn Atemzüge und lass dich immer tiefer in die Haltung und dein Inneres sinken. 
  13. Um die Haltung aufzulösen, richte dich unterstützt von deinen Händen auf. Greife in deine Kniekehlen, um deine Beine zu beugen. 
  14. Als Gegenbewegung empfehlen wir die Kindhaltung Balasana, den halben Drehsitz Ardha Matsyendrasana oder den herabschauenden Hund Adho Muka Svanasana. Ganz nach Gusto. 

In diesem Video erklärt dir die Anusara-Yogalehrerin Lalla Turske, wie du den sitzenden Winkel korrekt ausführst: 


Meine Tipps: 

  • Auch wenn es so wirkt, als ob körperlich der Fokus auf den Beinen liegt, spielt die Länge in deiner Wirbelsäule eine ebenso wichtige Rolle. Gefühlt sollte deine Vorderseite also mit jeder Einatmung länger werden als deine Oberkörperrückseite. Wie bei allen Vorwärtsbeugen liegt der Schwerpunkt darauf, die Bewegung der Vorbeuge aus dem Becken zu initiieren und dabei die Länge im Oberkörper beizubehalten. Blicke dafür direkt nach vorne (mit leichter Tendenz nach oben) und stell dir vor, dass dein Bauchnabel als Allererstes den Boden berühren wird und nicht deine Nase. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob dein Bauchnabel dort jemals ankommen wird. Merke: Nichts an deinem Leben wird sich verändern, nur weil du dich wie ein Klappmesser zusammenfalten kannst. 
  • Du rollst trotzdem hinter deine Sitzbeinhöcker, dein Rücken wird rund und du wünschst dich in die nächste Asana? Setze dich als Unterstützung auf die Kante einer gefalteten Decke. Jetzt ist es bestimmt leichter, die Länge im Rumpf zu halten. Auch wenn du dich nicht entspannt im Sitzen aufrichten kannst, nutze die Decke, um die Öffnung in deiner Hüfte zu unterstützen. 
  • Ist die Stimulation in deinen Beininnenseiten zu stark, verkleinere den Winkel deiner Beine.
  • Kreischen deine Knie oder Kniesehnen, winkle deine Beine leicht an. Noch angenehmer ist es, zwei kleine gerollte Handtücher unter die Kniekehlen zu legen, um die Knie zu entlasten. 
  • Wenn dein Rücken sich rundet, vergiss das Vorbeugen. Optional kannst du dich mit dem Rücken an eine Wand setzen.
  • Kannst du schon den Boden knutschen? Dabei gehen gerne Uddiyana Bandha und das Fundament flöten. Schiebe deine Sitzbeinhöcker aktiv in den Boden, ziehe deinen Bauchnabel bewusst nach oben innen und aktiviere so Uddiyana Bandha wieder.

Anusara Alignment mit Barbra Noh – YogaEasy Academy


Welche Wirkungen hat der sitzende Winkel im Yoga?

Lass es mich so sagen: Wenn du regelmäßig Upavistha Konasana übst, hat das fast denselben Effekt wie ein Besuch im Spa. Es fehlt nur das Apfel-Marmor-Peeling.

Primär kommen deine Beininnenseiten (Adduktoren) und deine Hamstrings (ischiocruale Muskulatur) in den Genuss intensiver Dehnung. Beides oftmals verhärtete Muskeln, die sich über Entspannung vom Alltag freuen. Vor allem aber die kontemplative und beruhigende Wirkung auf dein gesamtes Nervensystem ist pure Erholung. Und das gratis und ohne Wellness-Bohei. Und nicht nur das. Der sitzende Winkel lädt förmlich dazu ein, dich intensiv selbst zu beobachten und in die Stille hinabzusteigen. Eine kleine Stille, um deinen Tag zu reflektieren, oder eine große Stille, um deine Limitierungen aufzulösen. 

Körperliche Wirkungen

  • Streckt deine Oberschenkelrückseiten (ischiocruale Muskulatur)
  • Dehnt intensiv deine Beininnenseiten (Adduktoren) 
  • Fördert die Mobilität deiner Hüftgelenke, erhöht also damit deine Bewegungsfreiheit
  • Streckt deine Kniesehnen (Innen- und Außenband)
  • Stärkt deine Rückenmuskulatur und „erfrischt” deine Wirbelsäule
  • Kann Ischiasschmerzen lindern, da du deinen Rumpf, deine Kniesehnen und auch deine Hüftmuskulatur stimulierst
  • Verbessert die Blutzirkulation im Körper, insbesondere in der Beckengegend

Psychische Wirkungen

  • wirkt kontemplativ, beruhigt deinen Geist und dein gesamtes Nervensystem
  • lädt dich ein, in die Stille zu tauchen 
  • hilft dir Stress und Müdigkeit abzubauen 
  • lehrt dich liebevoll auf die Signale deines Körpers zu achten
  • stärkt dein Körperbewusstsein, insbesondere für die Aufrichtung deines Beckens und deiner Wirbelsäule, aber auch für deine Beine
  • erhöht durch das flächige Fundament dein Gefühl von Sicherheit 
  • verbessert deine Konzentration und erhöht deine Präsenz im Alltag

Energetische Wirkungen

Kontraindikationen: Wann ist Vorsicht geboten?

  • bei Bandscheibenvorfällen
  • bei Rücken-, Hüft- oder Knieverletzungen oder -schmerzen
  • bei Verletzungen in den Ansätzen der ischiocruralen Muskulatur (Hamstrings)
  • während der Schwangerschaft und nach der Geburt
  • bei Gebärmuttersenkung

Wie du dich mit Upavistha Konasana neu erfährst

Wir alle haben die Angewohnheit, gemütlich in unseren Erfahrungsmustern und Schubladen hängen zu bleiben. Wir haben uns entschieden, wie das Leben ablaufen und die Welt sich drehen darf. Viele kleine Routinen, aber auch große Glaubenssätze geben uns ein Gefühl von Stabilität. So ein Sicherheitsnetz ist grundsätzlich nicht falsch. Allerdings hindert es uns, innerlich zu wachsen. 

Vorwärtsbeugen, wie der sitzende Winkel, können dich dabei unterstützen, eigene Limitierungen loszulassen. Wie schön wäre es, wieder vorurteilsfrei durchs Leben zu schreiten. Kleinkinder machen noch keine Unterschiede. Sie sehen alles zum ersten Mal. Für sie gibt es unzählige Möglichkeiten, für uns nur sehr wenige. Und genau um diesen Anfänger:innen geist geht es. 

Inspirationen: Öffne dich deiner Yoga-Praxis

1. Yoga ist eine Erfahrungswissenschaft. Dieser Gedanke hilft mir, mich zu erinnern, dass ich mich selbst erkunde. Niemand hat das zuvor jemals getan. Du selbst bist unerforschtes Terrain. Nicht als Mensch, aber als Individuum. Stell dir vor, du bist auf einer einzigartigen Expedition. 

2. Die einzige Konstante im menschlichen Leben ist, dass sich jeder Zustand immer wieder verändert. Alles was du erforschst, wird sich wieder verändern. Jede Asana fühlt sich jeden Tag anders an. Erlaube dir das zu fühlen, erlaube dir dich frei zu machen von dem, was du glaubst, was du kannst, was du schon gefühlt und erlebt hast, was du nicht kannst.  

Variationen und Alternativen für Upavistha Konasana

Vermutlich liegt Upavistha Konasana bei dir schon in irgendeiner Schublade. Bei mir hat sie den Stempel „Schöner Klassiker zum Runterkommen”. Wenn das für dich langweilig klingt, dann mach die Schublade auf und hole Upavistha Konasana raus. Denn ohne Label erlaubst du dir andere, neue Erfahrungen. Nicht nur auf der Matte. 

Wobei Langeweile nichts Schlechtes ist. Manchmal ist es genau das Richtige, sich durch die Langeweile zu atmen. Und manchmal braucht es Inspiration, um sich selbst wieder zu motivieren. Deshalb stellen wir dir hier die schönsten Variationen von Upavistha Konasana vor.

Seitlich verdreht im Winkel: Parivritta Upavistha Konasana

Parivritta Upavistha Konasana

Du möchtest ein Gefühl von Ausdehnung und Länge spüren? Diese Variation mit seitlichem Twist öffnet deinen Brustraum, deine Hüfte und deine gesamte Flanke. Auch deine Atemhilfsmuskulatur wird stimuliert. 

  • Starte in der Stockhaltung Dandasana, grätsche deine Beine, finde eine natürliche Aufrichtung deiner Wirbelsäule. Mit deiner Ausatmung twiste dich in Richtung linkes Bein. 
  • Hebe deinen rechten Arm und neige dich mit deiner Ausatmung seitlich zum linken Bein. Greife mit der linken Hand deinen linken Fuß. Wenn du so deinen Brustkorb nicht öffnen kannst, lege alternativ deinen linken Arm ganz entspannt an der Innenseite des linken Beines ab. Dann nimm deine rechte Hand an deinen Hinterkopf und schiebe deinen Kopf aktiv gegen die Hand. Arbeite daran, den Brustkorb in Richtung Himmel zu öffnen. 
  • Fundament nicht vergessen: Halte den rechten Oberschenkel und Sitzbeinhöcker geerdet.

  • Wechsle dann zur anderen Seite.

Vorbeuge über ein Bein im Winkel: Parshva Upavistha Konasana (ohne Bild)

Diese verdrehte Vorbeuge über jeweils ein Bein ermöglicht dir noch mehr Öffnung in deinen Hüften und dehnt intensiv deine Oberkörperrückseite.  

  • Starte in Dandasana, grätsche deine Beine und twiste dich nach links. 
  • Setze deine linke Hand neben dein Gesäß und die rechte Hand weiter vorne an der Innenseite des linkes Beines auf. Komme auf die Fingerspitzen. 
  • Während die rechte Hand nach vorne in den Boden schiebt, zieht die linke Hand zu dir. Nutze den Widerstand, um dich optimal über deinem linken Bein zu positionieren und deine Flanken gleichmäßig in die Länge zu atmen, bevor du dich über dein Bein beugst.
  • Achtung: Das Bein, das gerade nicht im Blickfeld ist, macht gerne was es will. Halte deinen rechten Oberschenkel und Sitzbeinhöcker bewusst am Boden.
  • Optional: Greife mit beiden Händen deinen Fuß und schiebe deinen Fußballen gegen die Hände.

  • Wiederhole die Übung über dem rechten Bein. 

Der halbe sitzende Winkel, Ardha Upavistha Konasana

Ardha Upavistha Konasana

  • Die halbe Variante ist großartig, wenn deine Adduktoren eine extra Einladung benötigen. Auch morgens ist das ein sanfter Einstieg in die Dehnung der Beininnenseiten.
  • Starte in Dandasana, grätsche beide Beine, beuge ein Bein und lege die Ferse nah zum Damm (wie in der Kopf-zum-Knie-Haltung, Janu Sirsasana). 
  • Du bist Knie-sensibel? Natürlich darfst du den Winkel variieren oder eine Decke unter dein Knie legen, wenn es sich vom Boden abhebt. 
  • Verneige dich vom Becken aus mittig nach vorne.

  • Wiederhole die Übung mit dem anderen Bein. 

Der „fliegende” Winkel, Upavistha Konasana B

Upavistha Konasana B

Upavistha Konasana B ist Teil der ersten Serie des Ashtanga Yoga und legt den Fokus auf deine Balance. 

  • Komme in eine sitzende Grätsche. Zieh dein Sitzfleisch nach hinten, so dass du stabil auf deinem Sitzhöckern sitzt. 
  • Kippe dein Becken ganz bewusst so, dass dein unterer Rücken ganz gerade und fest ist.
  • Aktiviere nun deine Core-Muskulatur und beuge dich achtsam nach vorne.
  • Beuge deine Knie leicht, greife deine Fußaußenkanten und lass beide Beine langsam nach oben abheben. Balanciere dabei auf deinem Becken und blicke nach oben. Strecke die Bein jetzt achtsam wieder aus.
  • Schiebe die Füße in deine Hände, halte die Länge im unteren Rücken und weite den Raum zwischen deinen Schlüsselbeinen. 

Ist ganz schön kippelig? Suche dir einen Drishti (Fixpunkt) und lasse zu Beginn die Beine gebeugt. Erst wenn du dein Lot gefunden hast, strecke Arme und Beine zur Seite. 

Selbst wenn sich Upavistha Konasana bei dir erst mal nicht wie ein Besuch im Spa anfühlt: Deine Adduktoren genießen die Dehnung auf jeden Fall auch, wenn du gerade keinen Spaß hast. Für uns Yogi:nis sind flexible Beininnenseiten die Eintrittskarte für viele hüftöffnende Asanas. Das Wichtigste ist, dass wir uns darin üben, unsere Schubladen immer wieder zu öffnen und uns daran zu erinnern, dass es mehrere Möglichkeiten gibt. Je weniger du erwartest, desto überraschender und positiver wird deine Erfahrung sein. Upavishta Konasana ist einfach eine Asana, wie alle anderen auch. Kein Stempel, keine Schublade, keine Präferenz. Einfach Yoga. 

Dana Pukowski
Dana Pukowski

Dana Pukowski ist Yogalehrerin, Weltenbummlerin, Projektmanagerin und war 6 Jahre Teil der YogaEasy Familie. Sie unterrichtet Meditation, Vinyasa und Yin Yoga seit mehr als 7 Jahren in Hamburg. Als Unternehmensberaterin fand sie im Yoga das wieder, was sie heute in ihren Yogastunden und Retreats teilt, den Mut zur Pause, das Nichtstun als kreative unerschöpfliche Quelle für Inspiration und Visionen. Dana bummelt um die Welt, liebt Herausforderungen als Projektmanagerin und bereichert unser YogaMag auch heute noch mit ihren yogischen Wortzaubereien.

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