
Sankalpa: Deine Intention für 2024
Die meisten Menschen können es nicht leiden, keinen Plan zu haben. Ich bin da keine Ausnahme. Ich tue zwar gerne so, als sei ich ungeheuer spontan und locker, aber man muss mir morgens nur meinen Porridge wegnehmen und mir stattdessen ein Schinken-Käse-Croissant vorsetzen, und ich bekomme sehr schnell schlechte Laune.
Planlos zufrieden?
Dass wir in Wirklichkeit nicht planen können, haben wir in der Zeit der Corona-Pandemie schmerzlich lernen müssen. Mit überraschendem Ergebnis, falls ihr euch erinnert: Auf einmal haben wir Hymnen auf die Gegenwart gesungen. Wurden bescheiden. Selig über alles, was an frischer Luft stattfinden durfte, sind wir durch die stillen, fast dörflichen Innenstädte spaziert, haben einander angelächelt und fanden diese neue Demut herrlich. Planlos zufrieden war der Plan und eine Zeitlang ging er für nicht wenige Menschen auf. Sogar die Natur durfte kurz aufatmen. Keine Pläne zu schmieden, hatte (nicht für diejenigen mit Existenzsorgen und Schulkindern, ganz sicher nicht für die Mütter, die vom Staat im Stich gelassen wurden) auch etwas Befreiendes. Wir mussten lernen, Unsicherheiten auszuhalten und anzunehmen.
Intention für das Jetzt
Warum ist es trotzdem so wichtig, nicht planlos zu sein, sondern einen festen Plan zu haben oder, wie es im Sanskrit heißt, Sankalpa. Auch wenn du das Wort vielleicht nicht kennst, kennst du sicher diesen einen Moment, bevor die Asana-Praxis beginnt. Für viele von uns gehört es zum festen Ritual, sich für die Praxis eine Intention zu setzen, oft eine, die über die Asana-Praxis hinausgeht. Du fühlst dich gerade fahrig, nervös und erschöpft zugleich? Dann könntest du mit Sankalpa einen klaren Entschluss fassen, welche Qualität du stattdessen in dir stärken willst, und zwar jetzt direkt in deiner Praxis. Sankalpa führt dich also anders als Fünf-Jahres-Pläne nicht in die Zukunft, sondern direkt in die Gegenwart, zwingt dich gerade mit yogischer Ruhe, deiner Fahrigkeit etwas entgegenzusetzen. Atemzug für Atemzug.
Vom Plan zur Gewohnheit
Es ist leicht, ein Plädoyer für Pläne zu halten. Pläne geben uns Halt in unsicheren Zeiten. Pläne verdrängen Zweifel, Zaudern und Zögern. Pläne sind da, um ausgeführt zu werden. Wer immerzu Pläne schmiedet, gerät allerdings leicht in Gefahr, sie nicht auszuführen. Ideen bleiben abstrakt. Und schaden so unserem Selbstbewusstsein. Denn wenn wir immerzu Pläne aushecken, die nicht praktisch umgesetzt werden, setzt sich ein schales Gefühl fest. Bei mir ist es so mit dem Schwimmen. Ich habe in diesem Jahr endlich gelernt, zu kraulen, und mir fest vorgenommen, es auch in der Stadt regelmäßig zu tun. So fest verankert meine Yoga-Praxis ist – ich rolle meine Matte seit über 25 Jahren täglich aus –, so wacklig ist meine neue Schwimm-Routine. Jetzt zum Jahresende macht sich eine heftige Sehnsucht danach breit, neue Gewohnheiten zu etablieren, einen Plan auszuhecken, lang gehegte Wünsche wahr werden zu lassen. Und schon warnen Psychologen davor, dass Neujahrsvorsätze so schnell abkühlen wie ein Glühwein bei minus einem Grad.
Und dennoch kann es gelingen, deinen Plan Wirklichkeit werden zu lassen. Die Forschung zur Motivations- und Willenspsychologie skizziert dafür einen Prozess, über den du hier nachlesen kannst, wenn du mehr darüber wissen willst. Sicherlich hast du auch schon gelesen, dass du eine neue Gewohnheit über zwei Monate wiederholen musst, genauer 66 Tage, bis sie von alleine automatisch abläuft. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass neue Gewohnheiten eine gute Chance zu haben, wenn du sie an eine bereits bestehende Gewohnheit verknüpfst. So macht es auch meine 85-jährige Mutter, wenn sie beim Zähneputzen auf einem Bein balanciert.
Klare Wünsche, stete Umsetzung
Sankalpa ist ein mächtiges Instrument im Yoga. Sankalpa stärkt deine Willenskraft und hilft dir auch, einen festen Wunsch klar und deutlich zu formulieren. Du brauchst dazu keine Excel-Tabellen, um alle Risiken zu kalkulieren. Du brauchst lediglich die Gegenwart dazu. Nur wenn du vollkommen klar und ruhig bist, wirst du einen klaren Entschluss fassen können.
Sankalpa kann viel sein, es kann eine Qualität sein, die du in dir stärken willst. Es kann ein Mensch sein, der deine Zuwendung braucht. Es kann die klare Erkenntnis sein, dass du etwas ändern willst. Sankalpa braucht die Ruhe vor dem Entschluss, braucht die Stille vor dem Gedanken. Sankalpa fällt dir nicht einfach in den Schoß, Sankalpa ist aber auch nicht das Ergebnis zäher Verhandlungen. Es ist ein fester Entschluss, den du am besten nach der Praxis von Yoga Nidra fällst. Vielleicht sogar ein Sankalpa für 2024!
Auf geht's!
Zuletzt noch ein Geständnis: Bei Sankalpa dachte ich früher immer an Shampoo gegen Haarausfall. Ich sah einen alleinstehenden, älteren Herrn, der das Problem in den Griff zu bekommen suchte und keine Kosten scheute. Hätte er gute Freunde gehabt, hätten die ihm geraten, die Flucht nach vorne anzutreten, den Kopf zu rasieren oder eine lustige Kappe zu tragen. Aber da er alleine war, wuchs ihm das Problem über den, tja, Kopf. Sein Sankalpa wäre, denke ich heute: Ich bin voller Kraft.