Yoga & Krafttraining – die perfekte Kombi (besonders für Frauen!)

Von Corina Rhodovi und Kirsty Tomlinson

Traditionell wird Krafttraining als Männerdomäne angesehen. Frauen wurde bis vor kurzem – subtil oder explizit – die Botschaft vermittelt, dass ein straffer Körper ihr Ziel sein sollte und zu viele Muskeln sie dick oder „bullig“ aussehen lassen würden. Dabei stimmt es nicht, dass Muskeln groß sein müssen, um stark zu sein. Krafttraining ist auch nicht gleichzusetzen mit Bodybuilding. Und es gibt immer mehr Belege dafür, dass Krafttraining einen immensen Einfluss auf die physische und psychische Gesundheit und Lebensdauer – besonders bei Frauen.

In diesem Artikel erfährst du:

  • was Krafttraining ist und was du beachten musst,
  • welche Vorteile es – besonders für Frauen – hat
  • und wie du Yoga praktizieren solltest, um Kraft und Muskelmasse aufzubauen.

Feel the Burn – Yoga trifft Krafttraining


Was ist der Unterschied zwischen Kraft- und Widerstandstraining?

Krafttraining ist ein Teilbereich des sogenannten Widerstandstrainings. Beide beinhalten das Anspannen der Muskeln gegen einen Widerstand – zum Beispiel mit Gewichten, Widerstandsbändern und Geräten im Fitnessstudio. HIIT, Pilates und Yoga zählen aber auch zum Widerstandstraining. Hier wird primär mit dem Körpergewicht als Widerstand gearbeitet.

Krafttraining als Unterart des Widerstandstrainings zeichnet sich dadurch aus, Muskelkraft und -wachstum zu maximieren, indem die Widerstands-Gewichte immer weiter erhöht und die Wiederholungen reduziert werden.

Was sagen Expert:innen?

Unabhängig vom individuellen Fitnessziel sind sich Expert:innen einig: Krafttraining ist entscheidend für unsere Knochengesundheit, die Muskelfunktion und ein langes Leben.

Dr. Gabrielle Lyon, Expertin für Muskelgesundheit, betont, dass unsere gesellschaftliche Fixierung auf Gewichtsverlust den Fokus auf Muskelaufbau verdrängt hat. Skelettmuskulatur macht etwa 40 Prozent unseres Körpergewichts aus, wird jedoch oft übersehen. Dabei ist sie nicht nur für Bewegung essenziell, sondern wirkt auch als hormonelles und metabolisches Kraftzentrum, das Einfluss auf alles von Insulinresistenz bis hin zur Herzgesundheit hat.

„Unser Fokus auf Körperfett als Krankheitsursache – etwa bei Fettleibigkeit, Alzheimer oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen – ist fehlgeleitet. Der eigentliche Ursprung dieser Krankheiten liegt in der Skelettmuskulatur. Insulinresistenz ist keine Folge von Übergewicht, sondern eine Erkrankung der Muskulatur. Das Beste: Wir haben willentliche Kontrolle über unsere Muskeln und können sie durch bewusstes Handeln direkt beeinflussen.“

Warum ist Krafttraining wichtig?

Ein modernes Leben ist oft bequem und bewegungsarm. Wenn wir also keine körperlich fordernden Jobs haben oder kleinen Kindern hinterherjagen, müssen wir gezielt Unbequemlichkeit in unser Leben einbauen: Mehr Bewegung, größere Bewegungsradien, Anstrengung, Atemlosigkeit, schweres Heben.

Das klingt nicht für alle verlockend, aber es lohnt sich: Krafttraining kann nicht nur die Lebenserwartung erhöhen, sondern vor allem die Lebensqualität im Alter sichern. Ab dem 30. Lebensjahr verlieren wir Muskelmasse – es sei denn, wir tun etwas dagegen.


Yoga Conditioning Programm


5 (überraschende) Vorteile von Krafttraining

1. Krafttraining stärkt unsere Knochen

Beim Krafttraining werden Muskeln und Sehnen beansprucht, was wiederum Druck auf die Knochen ausübt. Das regt die Knochenbildung an und erhöht langfristig die Knochendichte. Besonders wichtig für Frauen, die nach der Menopause ein erhöhtes Risiko für Osteoporose haben – eine Erkrankung, bei der die Knochen brüchig werden. Krafttraining stärkt gezielt Hüfte, Wirbelsäule und Handgelenke und damit die häufigsten Bruchstellen.

2. Krafttraining reduziert den Muskelabbau im Alter

Je älter wir werden, umso mehr sind wir von Muskelabbau betroffen. Speziell bei Frauen führt der reduzierte Östrogenspiegel während und nach der Menopause zu einer stark reduzierten Muskelmasse. Lange ging man davon aus, dass dieser Abbau unvermeidbar ist. Neue Studien zeigen jedoch, dass Krafttraining den Verlust signifikant verlangsamen oder sogar verhindern kann. Zudem kann es viszerales Bauchfett – das gefährliche Fett um die Organe – reduzieren, die Herzgesundheit fördern und durch die Ausschüttung von Glückshormonen Schlaf, Stimmung und Ängste verbessern.

3. Krafttraining steigert unsere Gehirnleistung

Krafttraining fördert nicht nur den Stoffwechsel und die Gewichtsregulation, sondern auch das Gehirn. Studien zeigen, dass Krafttraining die kognitive Funktion verbessert, das Gedächtnis stärkt und das Risiko für Alzheimer senkt. Verantwortlich dafür sind sogenannte Myokine – Botenstoffe, die bei Muskelkontraktionen freigesetzt werden. Einige dieser Myokine überqueren die Blut-Hirn-Schranke und regen dort die Bildung des „Gehirn-Düngers“ BDNF (Brain Derived Neurotrophic Factor) an.

4. Krafttraining kann unsere Lebenserwartung verlängern

Dr. Lyon bringt es auf den Punkt: Je gesünder unsere Muskeln, desto höher unsere Überlebenschancen. Und das unabhängig von der Krankheit. Eine Studie zeigte, dass Frauen, die Krafttraining betrieben, ein 30 Prozent geringeres Risiko hatten, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben – bei den Männern waren es immer noch 11 Prozent.

5. Es ist nie zu spät, mit Krafttraining anzufangen

Auch wenn du schon im Ruhestand bist – Krafttraining lohnt sich immer! Eine Studie aus dem BMJ Open Sport & Exercise Medicine zeigte, dass selbst ein Trainingsstart im Rentenalter (z. B. dreimal wöchentlich Gewichte heben) den Muskelschwund im Alter deutlich verlangsamen kann. Besonders wichtig ist dabei das Training der Beinmuskulatur, denn schwache Beine sind ein klarer Risikofaktor für Pflegebedürftigkeit und frühzeitigen Tod.


In ihrem „Full Body Workout” zeigt dir Yogalehrerin Lucie Beyer eine kraftvolle 30-Minuten-Sequenz zum Muskelaufbau:


Wie intensiv sollte Krafttraining sein?

Es gibt verschiedene Formen der Kraft, zum Beispiel Schnellkraft, Maximalkraft, Explosivkraft etc. Für funktionelle Fitness oder Alltagskraft ist oft ein Mix aus Kraftausdauer und Muskelaufbau (Hypertrophie) ideal:

  • Kraftausdauer ist die Fähigkeit, über eine längere Zeit eine möglichst hohe Kraftleistung aufrechtzuerhalten. Beim Training geht es also darum, viele Wiederholungen (pro Übung 2 bis 4 Sätze mit je 15 bis 30 Wiederholungen) zu machen bzw. eine Übung länger (30 bis 60 Sekunden) zu halten. Entsprechend muss die Übung bzw. das Gewicht etwas leichter sein (40 bis 60% der Maximalkraft), damit du die Zeit  bzw. Wiederholungen schaffst. 
  • Muskelaufbautraining hat zum Ziel, die Dicke der Muskelfasern, vor allem der sogenannten Typ-II-Fasern (schnellzuckende Fasern), zu erhöhen. Hierfür braucht es schwerere Übungen bzw. Gewichte. Sie sollten so schwer sein, dass du pro Übung nicht mehr als 3 bis 5 Sätze à 6 bis 12 Wiederholungen schaffst (60 bis 80% der Maximalkraft). 

Für eine Kombination aus Muskelaufbau und Kraftausdauer empfiehlt sich ein Trainingsbereich von 60 bis 75 % der Maximalkraft. Du musst dir also Übungen heraussuchen bzw. Gewichte auswählen, mit denen du 8 bis 15 Wiederholungen pro Satz mit 3 bis 4 Sätzen und Pausen von 60 bis 90 Sekunden schaffst.

Reicht es aus, mit dem eigenen Körpergewicht zu trainieren?

Krafttraining mit dem eigenen Körpergewicht („Bodyweight Training“) kann absolut ausreichend sein für funktionelle Fitness, Alltagskraft und auch Muskelaufbau. Allerdings hängt die Wirksamkeit stark von der Übungsauswahl, dem Bewegungsumfang, der Intensität und der Progression (Steigerung) ab.

Körpergewicht reicht aus, wenn du die Muskulatur gezielt bis zur Ermüdung belastest und sie progressiv erschwerst. Dazu kannst du tun durch: 

  • Mehr Wiederholungen
  • „Time under Tension“ erhöhen, also die Zeit, in der der Muskel angespannt wird (durch langsameres Tempo oder isometrisches Halten in einer Position)
  • Schwierigere Varianten (z. B. explosive Ausführung (z.B. Springen); einbeinige Varianten)
  • Kombinierte Belastung (Supersätze (z.B. zwei Übungen für die gleiche Muskegruppe ohne Pause); Kombination von dynamischer Bewegung und isometrischen Haltephasen)

Tolle Yoga- und Bodyweight-Übungen für mehr Kraft sind zum Beispiel: 


Lese-Tipp: In diesem Artikel stellen wir dir die 10 besten Übungen für einen starken Körper vor.


Wenn du YogaEasy nutzt, kennst du diese effektiven Übungen bereits. Eigengewichtsübungen wie Planks, Kniebeugen oder Liegestütze sind Formen von Widerstandstraining, mit denen du funktionelle Kraft aufbauen kannst – ideal für den Alltag und besonders wenn du mit Krafttraining beginnst. Yoga-Übungen stärken die Körpermitte, Beine, Hüften und Füße, was nicht nur die Wirbelsäule stabilisiert, sondern auch Balance und Koordination fördert – wichtig zur Sturzprävention im Alter.

Wie oft sollte ich trainieren?

Laut WHO, dem American College of Sports Medicine und dem British Journal of Sports Medicine sollten Frauen mindestens zwei Krafttrainingseinheiten pro Woche absolvieren – zusätzlich zu regelmäßigem Ausdauertraining wie flottem Spaziergehen oder Joggen.

Wenn du doch jetzt fragst, wo du die noch in deinem Alltag unterbringen sollst, dann beherzige doch einfach unsere Tipps von oben und modifiziere dein Yoga so, dass du maximal Kraft aufbaust. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung ist eine kraftvolle Körperroutine kein Widerspruch zu einer authentischen Yoga-Praxis. Zu oft wird Krafttraining gleichgesetzt mit Pumpen zu lauter Musik im Fitnessstudio. Deine Muskeln brauchen aber weder dröhnenden Techno noch Proteinshakes aus der Dose. Es reicht völlig, wenn du dich aus deiner sicheren Komfortzone wagst und deinem Körper mit herausfordernden Übungen das Signal sendest, dass da noch so viel mehr Kraft in dir steckt, als du bisher dachtest.

Also lass die Muskeln zittern und beachte dabei die folgenden Tipps:

  • Bleibe im Kontakt mit deinem Inneren – behalte vor allem dein Ego im Auge, das liebt es sich stark und mächtig zu fühlen!
  • Achte die (Schmerz-, Kreislauf- etc.) Signale deines Körpers – Selbstliebe ist (wie immer) das höchste Gebot
  • Bewege dich achtsam im Einklang mit deiner Atmung – kontrolliert und exakt ausgeführt sind die Asanas umso wirkungsvoller
  • Integriere immer Meditation und Pranayama in deine Praxis – wenn du Yoga nur auf der Ebene der Körperbewegungen praktizierst, lässt du dir das Beste entgehen!
  • Vernachlässige Nachspürpausen und Schlussentspannung nicht – so bekommst du direktes Feedback zu deiner körperlichen Praxis und hilfst Körper und Geist die kraftvolle Praxis zu integrieren und zu regenerieren

Probier es einfach mal aus. Du wirst merken, wie wohltuend es für Körper und Geist ist, gefühlte Grenzen zu erweitern und – achtsam und ohne Ego-Ehrgeiz! – in deine wahre Größe, deine volle Power zu kommen. 

Corina Rhodovi
Corina Rhodovi

Corina ist seit 2021 Content Managerin bei YogaEasy. Gemeinsam mit ihrem Team sorgt sie dafür, dass du im Yoga-Magazin, im Newsletter und auf unseren Social-Media-Kanälen regelmäßig inspirierende, fundierte und unterhaltsame Inhalte findest – allesamt dafür gedacht, dich noch tiefer mit deiner Yoga-Praxis zu verbinden. Als zertifizierte Yogalehrerin in Vinyasa Yoga, Tantra Yoga und Yin Yoga bringt Corina nicht nur fachliches Know-how, sondern auch Herz und Hingabe in ihre Arbeit ein. Ihre Wurzeln in der Sportwissenschaft – sie hat an der Deutschen Sporthochschule Köln studiert – spiegeln sich in einem tiefen Verständnis für anatomisch gesunde Ausrichtung und die physiologischen Wirkungen der Asanas wider. Ihre besondere Leidenschaft gilt dem Sound Healing mit Klangschalen und Gongs – ein Bereich, in dem sie ihre spirituelle Heimat gefunden hat. Verbinde dich mit Corina auf www.frequency-yoga.de und über Instagram unter @corina_frequency_yoga.

Kirsty Tomlinson
Kirsty Tomlinson

Kirsty ist ausgebildete Yogalehrerin mit E-RYT 500-Stunden-Zertifizierung und hat zahlreiche Weiterbildungen in den Bereichen Meditation, Anatomie, Achtsamkeit und Yoga Nidra absolviert. Sie zog 2015 von Großbritannien in die Niederlande, um bei EkhartYoga (heute YogaEasy) in den Bereichen Texterstellung und Lektorat sowie in der Content-Erstellung arbeitet.