
In deiner Mitte: Der Core im Yoga
Im Yoga geht es um Balance. Für die geistige Balance müssen wir das Gleichgewicht zwischen Erdung und der Verbindung mit dem Kosmischen finden, für die körperliche brauchen wir Harmonie zwischen Muskulatur, Wirbelsäule und Organen. Der Core spielt dafür eine entscheidende Rolle, denn unsere physische Mitte verleiht uns Stabilität. Haben wir einen kräftigen Core, richten wir uns automatisch auf. Und diese Aufrichtung verhilft uns auch auf energetischer und geistiger Ebene zu mehr Power.
Was genau ist der Core?
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„Core” kommt aus dem Englischen und bedeutet „Kern”. Wir beschreiben damit den Bereich des Körpers vom Beckenboden bis zum Zwerchfell, auf der Körpervorderseite begrenzt durch die Bauchmuskulatur, auf der Körperrückseite durch die Muskeln rund um die Lendenwirbelsäule.
Die Bauchmuskulatur und der untere Rücken agieren hier als Gegenspieler: Beide sind gleich wichtig und unterstützen einander. Oft denken wir beim Core nur an unseren Bauch. Ist unsere Muskulatur auf der Rückseite aber zu schwach, helfen uns die Muskeln am Bauch auch nicht. Gleichzeitig kann eine trainierte Bauchmuskulatur Schmerzen im unteren Rücken lindern.
Die gesamte Tiefenmuskulatur sorgt für die Stabilisierung und Entlastung der Lendenwirbelsäule, das Becken richtet sich so auf. Sind diese tief liegenden Stabilisatoren nicht ausreichend trainiert, übernehmen die darüber liegenden Mobilisatoren die Haltearbeit. Das führt zur einer muskulären Dysbalance, deren Folge häufig Verspannungen, Verkürzungen, Bandscheibenprobleme sowie eine Überlastung der Lendenwirbelsäule sind.
Welche Muskeln zählen zur Core-Muskulatur?
- Bauchmuskulatur:
- M. rectus abdominis (gerader Bauchmuskel) – er beugt den Rumpf nach vorne.
- M. transversus abdominis (querverlaufender und tiefster Bauchmuskel) – er stabilisiert das Becken und die Wirbelsäule.
- M. obliquus internus & externus abdominis (innere und äußere schräge Bauchmuskeln) – stabilisieren, rotieren und beugen den Rumps lateral
- Rückenmuskulatur
- M. erector spinae (Rückenstrecker) – stabilisiert die Wirbelsäulen und richtet sie auf.
- M. multifidus (tiefer Wirbelsäulenstabilisator) – stabilisiert vor allem die Lendenwirbelsäule.
- M. quadratus lumborum – verbindet Becken und Rippen und sorgt für seitliche Stabilität
- Beckenbodenmuskulatur – unterstützt die Organe, ist wichtig für Kontinenz, Stabilität und Haltung.
- Zwerchfell (Diaphragma), unser Hauptatemmuskel – arbeitet eng mit Beckenboden und tiefem Bauchmuskel zusammen.
- Hüftmuskulatur (teils zum Core gezählt)
- M. iliopsoas (Lenden-Darmbein-Muskel) – beugt die Hüfte, beteiligt an unserer Core-Stabilität.
- Glutealmuskulatur (M. gluteus maximus, medius, minimus) – besonders gluteus medius und minimus sind wichtig für Beckenstabilität.
Core Yoga für eine kräftige Körpermitte
Um den oben erwähnten Dysbalancen vorzubeugen oder sie auszugleichen, muss ein Rollentausch zwischen den tiefer liegenden Muskeln und den darüber liegenden her. Wichtig für einen starken Core ist der quere Bauchmuskel (lat. Musculus transversus abdominus, kurz oft TA genannt). Er zieht von der Wirbelsäule um den Bauch herum bis zur Vorderseite des Rumpfes.
Die Yoga-Praxis – und beispielsweise Pilates-Übungen – sprechen im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten genau diese Tiefenmuskulatur an. Sie sorgen so für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kraft und Beweglichkeit. Und deshalb sind viele Asanas nicht nur optimal, um den Core zu kräftigen – die gesamte Körpermitte spielt eine entscheidende Rolle in einer ausgewogenen Yoga-Praxis.
Es gibt einige Übungen, die die gesamte Körpermitte aktiv kräftigen, etwa die Planke. Eine Übersicht über die besten Core-Übungen findest du weiter unten.
In Rückbeugen wie der Kobra oder dem Rad ist die Aktivierung der tiefen Bauchmuskeln wichtig, um die Lendenwirbelsäule zu schonen. Die Muskulatur wirkt als Widerstand gegen den Druck auf die Bandscheiben – im schlimmsten Fall könnten sonst die Wirbelkörper abknicken.
Dann gibt es einige Yoga-Übungen, bei denen du nicht sofort siehst, wie wichtig ein starker Core ist. Dazu gehören Armbalancen wie die Krähe oder Umkehrhaltungen wie der Handstand oder Kopfstand. Denn wenn du dich an diese fortgeschrittenen Asanas heranwagst, merkst du schnell: Nur Armkraft reicht nicht. Für die Balance sind vor allem die Core-Muskeln zuständig.
6 Yoga-Übungen für einen starken Core
1. Planke (Phalakasana)
Die Planke (auch Brett oder schiefe Ebene genannt) ist eine ganz wunderbare Übung zur Kräftigung des gesamten Körpers. Richtig ausgeführt kommt aber besonders die Core-Partie auf ihre Kosten. Annika Isterling zeigt dir hier, wie das geht:
Wenn du den Fokus noch mehr auf die Bauchmuskulatur statt auf die Arme legen möchtest, leg dich am besten auf die Unterarme.
2. Seitstütz (Vasisthasana)
Im Seitstütz aktivierst du besonders die seitliche Bauchmuskulatur, also den Musculus transversus abdominus. Hier zeigt dir Wanda, wie du die Asana gut und sicher ausführst:
3. Boot (Navasana)
Eine der bekanntesten (und offensichtlichsten) Core-Übungen: das Boot. Annika Isterling zeigt dir im Video mehrere Varianten, unter anderem auch für die queren Bauchmuskeln:
4. Drehsitz (Matsyendrasana)
Der Drehsitz wirkt durch die kleine Massage der Bauchorgane nicht nur entgiftend, du dehnst dabei auch den unteren Rücken und richtest die Wirbelsäule sanft auf. Marina Pagel zeigt dir, wie du die Asana ausführst:
5. Kapalabhati Pranayama
Eine wahre Wunderwaffe ist die Feueratmung. Sie wirkt ebenfalls entgiftend, macht dich frisch und wach – und aktiviert durch das schnelle Atmen die Bauchmuskulatur. Anna Trökes zeigt dir in diesem Video, wie Kapalabhati geht:
6. Uddiyana Bandha
Uddiyana Bandha heißt wörtlich übersetzt „das nach oben fließende Bandha“ und gilt als das stärkste der drei Bandhas. Seine Aktivierung trägt die Energie entlang der Wirbelsäule nach oben. In dieser kurzen Sequenz zeigt dir Dr. Ronald Steiner, wie du dein Uddiyana Bandha stärken kannst:
Der Core auf geistiger Ebene
Wie wichtig dein Core für deine Wirbelsäule und deine Haltung ist und wie du ihn trainierst, weißt du jetzt. Aber auch auf mentaler Ebene ist deine Körpermitte immens wichtig. Wir sagen nicht ohne Grund, dass wir „in unserer Mitte“ sind, wenn wir uns gut und entspannt fühlen.
Körperliche und geistige Aufrichtung
Die körperliche Aufrichtung verhilft dir auch zu einer geistigen Aufrichtung – und Zentrierung (da ist sie wieder, die Mitte!). Ein ganz wunderbares Beispiel dafür ist der Meditationssitz. Wenn du schon einmal lange im Sitzen meditiert hast, weiß du: Du kannst dich viel konzentrierter in Achtsamkeit üben, wenn du mit aufgerichteter Wirbelsäule sitzt. Ein runder Rücken macht es dir definitiv schwerer, deinen Geist zu fokussieren.
Bauchgefühl und Intuition
Auch unser „Bauchgefühl“ heißt nicht ohne Grund so. Um unsere Intuition gut spüren zu können – und so „auf unseren Bauch zu hören“ – müssen wir in gutem Kontakt mit uns selbst sein. Dazu gehört auch das Thema Essen. Instinktiv wissen wir, welche Lebensmittel uns guttun und welche nicht. Wir haben nur oft verlernt, wirklich darauf zu achten.
Wir sollten auf unseren Bauch hören und uns fragen:
- Habe ich wirklich Hunger oder ein emotionales Bedürfnis?
- Würde mir jetzt etwas Warmes guttun, das mich nährt und beruhigt?
- Brauche ich vielmehr einen knackigen Salat mit viel frischer Lebensenergie?
Stattdessen essen wir aus Stress schnell etwas Abgepacktes – oder trinken einen Kaffee, der uns nur noch mehr aus dem Gleichgewicht bringt.
Unser Bauchgefühl agiert natürlich auch in anderen Zusammenhängen. Je mehr Aufmerksamkeit wir unserer Mitte schenken und aktiv daran arbeiten, sie in Balance zu halten, desto verlässlicher wird unser Bauchgefühl uns in schwierigen Situationen als Ratgeber zur Seite stehen.
Schmetterlinge im Bauch: Unser Bauchgehirn
Das Bauchgehirn, auch bekannt als enterisches Nervensystem (ENS), ist ein faszinierendes Netzwerk von etwa 100 bis 200 Millionen Nervenzellen, das sich durch unseren gesamten Verdauungstrakt zieht – von der Speiseröhre bis zum Enddarm. Es steuert eigenständig die Verdauung, indem es die Bewegungen des Darms koordiniert und die Ausschüttung von Verdauungssäften reguliert, ohne dass unser Kopfgehirn eingreifen muss.
Interessanterweise produziert das Bauchgehirn auch eine große Menge des Glückshormons Serotonin, was erklärt, warum unser Verdauungssystem eng mit unseren Gefühlen verbunden ist. Redewendungen wie "Schmetterlinge im Bauch" oder "etwas schlägt auf den Magen" spiegeln diese Verbindung zwischen Bauch und Emotionen wider.
Das Kraftzentrum im Bauch: Hara – Sitz unserer Lebensenergie
In der fernöstlichen Philosophie wird das Hara als unser Kraftzentrum angesehen. Es befindet sich etwa zwei bis drei Fingerbreit unterhalb des Bauchnabels und wird als Sitz der Lebensenergie (japanisch „Ki“, chinesisch „Qi“) betrachtet. Konzentriest du dich bewusst auf das Hara, so kannst du deinen Geist beruhigen und Körper und Geist verbinden. Durch Atemübungen und Meditation, bei denen die Aufmerksamkeit auf das Hara gerichtet wird, kannst du die innere Balance stärken und die Lebensenergie harmonisieren.
Manipura Chakra: Im Bauch sitzt unsere Energie
An genau derselben Stelle wie das Hara sitzt in der indischen Philosophie unser Nabelchakra, das Manipura Chakra. Es steht energetisch neben der Intuition für unser Selbstbewusstsein, Leidenschaft und unsere Energie. Das Element dieses Chakras ist das Feuer.
Das bringt uns wieder auf die körperliche Ebene. Denn dem Nabelchakra wird auch der Stoffwechsel und die Verdauung zugeordnet, ayurvedisch gesehen Agni, das Verdauungsfeuer. Ist das Feuer zu schwach, leiden wir möglicherweise unter Verstopfung. Ist es zu stark, kann Durchfall die Folge sein. Auch hier geht es um die Balance, die gesunde Mitte zwischen diesen beiden Extremen, damit unsere Verdauung rundläuft und der Körper mehr Energie für andere Dinge aufwenden kann.
Mit Core-Yoga-Übungen bringst du das Nabel-Chakra wieder in Balance. So hast du durch körperliches Core-Training Einfluss auf dein emotionales und mentales Befinden. Es lohnt sich also auch bzw. vor allem, wenn wir uns energielos fühlen, die Yogamatte auszurollen und Core Yoga zu machen. Du wirst sehen, wie gut es dir danach gehen wird!
Unser Core Yoga Video-Tipp für dich:
Übe mit Kristin Rübesamen eine 20-minütige Core-Yoga-Sequenz für innere Stabilität:
Nabhi Kriya aus dem Kundalini Yoga
Auch mit der Nabhi Kriya kannst du deinen Core stärken und dein Nabelchakra aktivieren. Bei dieser kraftvolle Übungsreihe aus dem Kundalini Yoga stärkst du durch dynamische Bewegungen und bewusste Atmung die Bauch- und Rückenmuskulatur, regst die Verdauung an energetisierst deine innere Mitte. Regelmäßige Praxis kann nicht nur das körperliche Wohlbefinden fördern, sondern auch Selbstbewusstsein, Willenskraft und emotionale Balance stärken. Alle Übungen der Nabhi Kriya erklärt dir unsere Kundalini Yoga Expertin Jennifer Osendarp in diesem Artikel.
Du siehst: Der wunderbare Kreislauf unseres Körpers, unserer Seele und unserer Energie greift intuitiv ineinander. Das Prinzip der Balance, der starken Mitte, die alle Teile kraftvoll und harmonisch zusammenhält, findet sich auf allen Ebenen wieder. Brauchst du noch mehr Argumente, um deinem Core die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdient und braucht?