Ist Yoga kulturelle Aneignung?
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Ist meine Yoga-Praxis „kulturelle Aneignung”?

Von Katharina Goßmann

Das Thema „kulturelle Aneignung” wird seit Jahren heiß diskutiert. Nun ist die westliche Yoga-Szene auf den ersten Blick ein Prototyp für „cultural appropriation” in all ihren Spielarten. Denn im durchschnittlichen Yoga-Studio werden nicht nur nur Asanas, Pranayama und Meditation geübt – sondern es sind auch Statuen hinduistischer Gottheiten, OM-Tattoos, Malas und vieles anderes zu finden, das seinen Ursprung nicht in Europa hat.

Da stellt sich die Frage: Ist Yoga, wie wir ihn im Westen praktizieren, unzulässige kulturelle Aneignung? Dürfen wir nicht-hinduistische Westler:innen überhaupt Yoga üben?

Zum Glück sind wir Yogi:nis. Wir verfangen uns nicht im Drama des Social-Media-und-Boulevard-Blatt-Gezankes, halten unsere Trigger im Zaum und atmen uns erst mal runter. Im Folgenden sehen wir uns die genaue Definition von kultureller Aneignung an, und was deren Auswirkungen sind. Wir lassen kluge Köpfe zu Wort kommen und analysieren, welche Aspekte der Yoga-Szene einer kritischen Reflektion bedürfen. Und überlegen, was das für praktizierende Yogi:nis bedeutet oder bedeuten kann. 

Was ist „kulturelle Aneignung”?

Die am weitesten verbreitete Definition von kultureller Aneignung stammt von der US-Juristin Susan Scafidi, die Cultural Appropriation dann sieht, „wenn sich eine Kultur an den Artefakten einer anderen Kultur bedient und sie entwertet, um daraus Profit zu ziehen und diesen der anderen Kultur vorenthält.” (s. Quellen 1.).

Auf Wikipedia wird der Begriff noch etwas ausführlicher erklärt (s. Quellen 2.). Kulturelle Aneignung wird hier in vier Aspekte ausgeschlüsselt:

  1. Zum einen in den „kultureller Austausch” von Symbolen, Ritualen und ähnlichem zwischen Kulturen, die über ähnlich viel Macht verfügen.
  2. Dann die „kulturelle Dominanz”, in der sich die Angehörigen einer unterworfenen Kultur an die Praktiken der dominanten Kultur anpassen. Beispiel: Inder:innen, die während der britischen Kolonialzeit ihren Kleidungsstil den englischen Gepflogenheiten anpassten.
  3. Dann gibt es die „Transkulturation”, bei der nicht mehr klar ist, welche Elemente einer Kultur aus welcher Ursprungskultur stammen – in der heutigen globalisierten Welt ein zunehmendes Phänomen. 
  4. Und schließlich kommen wir zur „kulturellen Ausnutzung”, bei der sich die dominante Kultur Aspekte der unterdrückten, schwächeren oder unterworfenen Kultur aneignet – ohne echten Austausch, ohne Erlaubnis oder Entschädigung. 

Während sich kultureller Austausch durch Wertschätzung und Respekt auszeichnet und meist im direkten Kontakt stattfindet, werden bei der „kulturellen Ausnutzung” Bestandteile der unterdrückten Kultur „zur Ware gemacht und damit trivialisiert” (s. Quellen 2.). Oft werden sie dabei zudem falsch oder verzerrt reproduziert, was Stereotype fördert. Diese kulturelle Ausnutzung ist es, um die es bei der aktuellen Debatte geht.

Woher kommt Yoga? Und wem gehört Yoga?

Aber zurück zum Yoga. In der sehr sehenswerten Sendung des SRF „Yoga – Im Einklang von Körper und Geist?” (s. Quellen 3., kostenlos verfügbar in der Mediathek) diskutieren unsere Yogalehrerin Anna Trökes und der indisch-stämmige Philosoph Vanamali Gunturu die Ursprünge des Yoga. Anna Trökes zitiert dabei das Forschungsprojekt „Hatha Yoga Project” (s. Quellen 4.), das die Ursprünge der Yogahaltungen erforscht hat und zu dem Schluss kam, dass zu Beginn des letzten Jahrhunderts zwischen dem Osten und dem Westen ein reger Austausch an Praktiken stattgefunden hat. Westliche Gymnastik und Atemtherapie etwa waren zu der Zeit in Indien sehr beliebt. Mark Singleton betont in Bezug auf die Studie in seinem Buch „Yoga Body. The Origins of Modern Yoga Practice” (s. Quellen 5.), dass es immer eine Besonderheit von Yoga war, dass es Einflüssen aus anderen Kulturen gegenüber sehr offen war. Yoga sei kein rein indisches Kulturgut, sondern ein „kulturelles Cross-over”, schließt Anna Trökes. „Es gibt nicht DEN Yoga.”, meint sie.

Philosoph Gunturu sieht die Ergebnisse des „Hatha Yoga Projects” deutlich kritischer – und spürt in Singletons Ausführungen den entwertenden Geist des Kolonialismus. Denn Yoga wurde in der Kolonialzeit der Briten (wenigstens zunächst) verboten und kriminalisiert. Auch der Sanskrit-Gelehrte und Yogalehrer Sriram erklärt in unserem Podcast „Ist Yoga im Westen kulturelle Aneignung?”, dass er hinter der Betonung des westlichen Einflusses auf die Entwicklung von Yoga und dessen anschließende Renaissance „eine kulturelle Entwendung” sieht: „So ein großes Tamtam darum zu machen, dass ein paar europäische Gymnastiklehrer vielleicht mal in Indien waren (..) ist kulturelle Arroganz, fast (...) kultureller Rassismus.” 

Im Zusammenhang mit westlichen Yoga-Praktizierenden spricht manch konservativer Inder sogar von Neokolonialismus – weil Yoga im Westen fest in weißen Händen ist und sich teilweise sehr deutlich unterscheidet von dem, was in Indien unter Yoga verstanden wird. Auch Sriram schmerzt es: „(...) dass Yoga populär wird auf eine Art, wo gewisse Essenzen (...) weggenommen werden und das dann ganz neu als eine Ware, als ein Produkt (...) dargestellt wird, das völlig entfremdet ist (...) von seinen Wurzeln.”


Kennst du schon unsere Podcast-Episode mit Sriram zum Thema: „Ist Yoga im Westen kulturelle Aneignung“


Es gibt sogar Stimmen, die sagen, dass Yoga nur von Hindus ausgeübt werden darf. Unter dem Motto „Take Yoga Back” agieren Organisationen wie die „Hindu American Foundation” (die oft auch mit Hindu Nationalismus assoziiert wird) – die unter anderem 2010 in einem Artikel in der Washington Post postulierten, dass Yoga das geistige Eigentum der Hindus sei. 

Anna Trökes hält dagegen: Der bekannte indische Yogalehrer T.K.V. Desikachar hätte bei seinem Unterricht im Westen stets betont, dass der Yoga allen Menschen gehöre. Philosoph Gunturu hält fest, dass etwa Patanjalis Yoga-Sutra nichts mit Religion zu tun habe und zitiert ein Sutra, in dem Patanjali explizit sagt, dass Yoga unabhängig von Rasse, Land, Kultur, Zeit und historischen Umständen geübt werden darf. „Das yogische Wissen ist etwas, das Raum und Zeit transzendiert, ewige Wahrheiten für alle Menschen.” fasst der indische Philosoph zusammen. „Es ist Unsinn, dass nur die Inder Yoga üben sollen.”

Diese Haltung spiegelt sich auch in der aktuellen Politik Indiens wider – konkret manifestiert in „Yogaminister” Shripad Yesso Naik, der Yoga und Ayurveda als indisches Kulturgut in die Welt tragen und verbreiten soll. 


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Was ist das „wahre” Yoga?

Allerdings ist Philosoph Gunturu der Meinung, dass Yoga nur von solchen Menschen praktiziert werden sollte, die den eigentlichen Zweck von Yoga dabei nicht aus den Augen verlieren: Die Erkenntnis, dass wir alle nur reines Bewusstsein sind, und die Materie, die uns umgibt, nur Illusion ist. 

Laut Gunturu gibt es also eine „richtige” und eine „falsche” Art, Yoga zu praktizieren. Hier die guten Philosophie-Yogi:nis, dort die faken Sport-Yoga-Übenden. 

Ich fühle mich mit dieser Einteilung unwohl. Zum einen stört mich ihr hoher Anspruch, zum anderen der realitätsferne Ansatz. So habe ich mit Yoga in einem Fitnesscenter begonnen, und zwar weil ich Verspannungen hatte. Hätte mich vor meiner ersten Stunde ein „spiritueller Türsteher” gezwungen zu unterschreiben, dass alle Materie Illusion ist, wäre ich schreiend davongelaufen – und hätte nie die heilende Kraft des Yoga erfahren dürfen. 

Ein Aspekt, der Yoga so wertvoll macht, ist, dass es alle dort abzuholen vermag, wo sie eben gerade sind, und allen das bietet, was sie gerade brauchen. Deshalb ist es auch nicht zielführend, wenn sich die Vertreter:innen unterschiedlicher Yogastile gegenseitig abwerten und einander beweisen wollen, dass Yoga nur „richtig” ist, wenn es nach ihren Vorstellungen geübt wird. 

Nun wird sicher nicht jede:r wird den Weg vom Fitnesscenter-Yoga zur Erleuchtung finden – aber die Chance zum Hineinschnuppern in die Welt des Yoga bekommen wenigstens die meisten, wenn es sportliche Yoga-Klassen und an den westlichen Geschmack angepasste Yogastile und -studios gibt. 

Übrigens lassen sich die meisten im Westen und den USA populären Yogastile auf den legendären T. Krishnamacharya zurückführen. Und der vertrat zeitlebens das Prinzip „Lehre was für den Einzelnen angemessen ist” und gilt als der Erfinder des Vinyasa (Ashtanga) Yoga – das kaum Meditation beinhaltet und dafür Asanas und Atemkontrolle zu einem kraftvollen Flow verbindet. Diese Art der Yoga-Praxis wurde von Krishnamacharya speziell für junge Männer entwickelt, um sie zu kräftigen und ihre jugendliche Energie zu binden – hatte also ein eher weltliches Ansinnen, das mit der Auflösung von Illusionen wenig zu tun hatte. Auch sein berühmter Schüler B.K.S. Iyengar entwickelte seinen Yogastil zunächst nur, um seine gesundheitlichen Probleme zu heilen.

Wer darf Yoga üben?

Während niemand bestreiten würde, dass die Wiege von Yoga in Indien liegt, ist die Frage, welche Aspekte des modernen Hatha Yoga wirklich indisch sind und was denn nun „echtes” Yoga ist und was nicht, also nicht ganz so einfach zu beantworten. Auch wenn sich viele Elemente recht klar auf die Upanischaden, die Bhagavad Gita, die Yoga Sutra und die Hatha Yoga Pradipika zurückführen lassen: Im Yoga gibt es keine zuständige Instanz, die festlegt, was der Yoga genau ist (wie etwa der Vatikan, der das für das katholische Christentum übernimmt). Was klar ist: Der Hatha Yoga, wie wir ihn heute praktizieren, ist nicht „rein indisch” und hat sich im Laufe der Jahre und aufgrund seiner Verbreitung im Westen verändert und entwickelt. 

Wie übrigens so gut wie alle Kulturpraktiken, die nicht nur von einem extrem abgeschiedenen Naturvolk praktiziert werden. Unsere Welt ist und war schon immer geprägt von interkulturellem Austausch. Früher haben sich die Kulturen primär durch Kriege, Eroberungen, Kolonialismus und Missionare oder durch Heirat innerhalb verschiedener Königshäuser vermischt. Heute sorgt unsere globalisierte Welt samt Internet dafür, dass sich Menschen, Waren und Kulturpraktiken weltweit vermischen, befruchten, verändern. Ich persönlich empfinde diesen Austausch als ungemein bereichernd, inspirierend und beglückend. 

Wollten wir aber trotzdem festlegen, dass Kulturpraktiken nur von Mitgliedern eben der betreffenden Kultur ausgeübt werden dürfen, hätte das – meiner Meinung nach katastrophale – Konsequenzen. Dann müssten wir nämlich exakt definieren, wer zu einer Kultur gehört und wer nicht. Und so ein „Kulturzugehörigkeits-Kontroll-Raster” wäre in unserer globalisierten Welt nicht nur albern, sondern auch praktisch kaum umsetzbar.

Hier ein paar Fragen, die sich dann stellen würden: Darf der in der Schweiz geborene Enkel eines Jamaikaners Reggae spielen? Darf die in Deutschland geborene Tochter einer Afrikanerin, die sie hier direkt nach der Geburt zur Adoption freigegeben hat, einen Turban mit afrikanischen Motiven tragen? Und muss ich, die ich in Bayern geboren und aufgewachsen bin, Dirndl tragen und aufs Oktoberfest gehen – obwohl ich mich der bayerischen Kultur nicht im geringsten verbunden fühle und mich in Leggings und im Ashram viel wohler fühle?

Je nach politischer Vergangenheit der eigenen Kultur würden sich aus dieser Art Kultur-Zugehörigkeits-Regeln sogar noch kompliziertere Konsequenzen ergeben. So fragt Susmita Arp in ihrem Kommentar „Mein Yoga, dein Yoga” auf Spiegel Online provokativ (s. Quellen 6.): „Müssen die Nachfahren von britischen Kolonialherren Abstand von Yoga (…) nehmen, während Deutsche, deren Vorfahren Indien nie unterjocht haben, ohne schlechtes Gewissen im Lotussitz verharren dürfen?” 


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Yoga ist Verbindung – nicht Trennung

Ein essenzieller Bestandteil der Yoga-Lehre ist die Idee der Verbindung. Wer sich mit Yoga beschäftigt, stößt früher oder später auf die Vedanta-Philosphie, die im Kern eine Botschaft hat: Alles ist eins. Es gibt viele philosophische Richtungen, vor allem in der östlichen Kultur, die in der (gefühlten) Trennung die Wurzel allen Leids sehen. Wenn wir einander beschimpfen, abwerten und ausschließen, weil wir uns stören an Frisuren, Kleidung, Praktiken, dann ist das das Gegenteil von Yoga. Wenn wir festlegen, wer definieren darf, was Yoga ist, dann bringt uns das nicht weiter. Wenn wir Menschen abwerten, die Yoga nicht so praktizieren, wie wir uns das aus unserer Perspektive vorstellen, dann stemmen wir uns gegen den Fluss des Lebens, die ständige Veränderung von allem, und halten dogmatisch fest an Vorstellungen, die am Ende wahrscheinlich vor allem egozentrisch und engstirnig sind. 

Wäre es nicht sinnvoller, in Kontakt zu bleiben – auch und besonders mit Menschen, deren Verhalten wir doof finden? Würde es uns allen nicht gut tun, wenn wir – statt von allen Menschen perfekte Selbstreflektion und Informiertheit zu erwarten – an unserer eigenen Reaktivität, an unserem Dogmatismus, unseren hohen Ansprüchen zu arbeiten? Wäre es nicht wunderbar, wenn wir dadurch wertfrei und respektvoll Missstände ansprechen könnten und so gute, gemeinsame Lösungen ermöglichen würden?

Was können westliche Yoga-Praktizierende konkret tun?

Denn das eigentliche Ziel von allen, die sich gegen Cultural Appropriation engagieren, ist ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe mit allen Kulturen, Religionen, Völkern. Und an diesem Ziel können alle Yogi:nis, alle Yogalehrenden täglich mitarbeiten – indem sie sich informieren, sich weiterbilden und ihr Verhalten kontinuierlich reflektieren.

Die indisch-stämmige US-Yogalehrerin Arundhati Baitmandalkar führt in ihrem Artikel „How We Can Work Together to Avoid Cultural Appropriation in Yoga” (s. Quellen 7) konkrete Tipps auf, wie du kulturelle Aneignung im Yoga vermeiden kannst. Sie betont dabei vor allem, dass du bei allen Elementen deiner Yoga-Praxis und deines Unterrichts genau wissen solltest, was sie bedeuten und gute Gründe für ihre Verwendung haben solltest. 

Die Bedeutung von Namasté

Namasté ist in der indischen Kultur eine formelle Begrüßung, erklärt Arundhati Baitmandalkar, die eher im Tempel gegenüber Würdenträgern oder Älteren benutzt wird. Insofern ist es nicht korrekt, wenn Namasté als Verabschiedung zum Ende der Yogastunde genutzt wird – Sinn macht es eher zu Beginn. Ich persönlich finde die Bedeutung dieser Begrüßung wunderschön – „Das Höchste in mir grüßt das Höchste in dir” – und nutze sie wahnsinnig gerne. Sriram sagt dazu: „Namasté ist wie Handgeben, es ist alltäglich und kein tiefes religiöses Symbol. (...) Wenn Inder:innen sich die Hände schütteln dürfen, warum dürften Westler:innen dann nicht Namasté sagen? Im Gegenteil, ich finde das sogar schön.” Aber vielleicht merkst du, dass du das Namasté eigentlich gar nicht brauchst in deinem Unterricht. Dann lass es doch weg.

Boden und Füße gelten als unrein

Interessant ist es auch zu wissen, dass Böden und Füße in Indien als unrein gelten. Nie würde ein:e Inder:in deshalb die Füße in Richtung eines Altars oder einer Respektsperson wie einem Lehrer oder der Großmutter strecken. In einigen Yogastilen drehen deshalb die Schüler:innen am Ende der Yogastunde in Shavasana ihren Kopf in Richtung des/der Lehrenden. Und die bekannte Yoga-Influencerin Rachel „Yoga Girl” Brathen ließ ihr OM-Tattoo am Knöchel entfernen, als sie darauf hingewiesen wurde, dass das heilige Symbol Om durch die Position am Fuß abgewertet wird.

Religiöse Objekte sind keine Deko

Religiöse Statuen und Objekte wie Malas sollten deshalb auch nicht irgendwo auf dem Boden platziert, sondern respektvoll auf speziellen Altären präsentiert werden. Diese Orte sollten dann auch sauber gehalten werden und aus Respekt sollten auch keine Alltagsobjekte wie Handys und ähnliches darauf abgelegt werden. 
Selbstverständlich machen Malas und Statuen von Gottheiten nur dann Sinn, wenn du ihre Bedeutung kennst und voll hinter ihr stehst. Die Statuen sollten also nicht nur Dekoration sein. Und deine Mala solltest du zum Meditieren verwenden und nicht als Schmuck. Sriram sagt in unserem Podcast, dass es schwer für ihn zu ertragen ist, wenn etwa ein Kissen mit OM bestickt ist: „Om ist ein sehr starkes Symbol in Indien.” erklärt er, „Wenn ich sehe, dass jemand da seinen Arsch drauf plaziert, dann stört das meine Augen mächtig.”
Denk immer dran: Diese Objekte machen dich nicht zur besseren Yogini und haben nichts mit der die Qualität deines Yoga-Unterricht zu tun. Wenn du die Bedeutung dieser Objekte nicht wirklich verstehst und dir nicht sicher bist, wie du sie respektvoll in dein Yoga integrieren kannst, dann kommt dein Studio oder Yoga-Platz auch gut ohne sie aus. 

Lieber keine Playlist?

Beim Yoga geht es um Erdung, die Kontrolle des Geistes, um das bewusste Steuern von Prana. Wenn du deinen Unterricht mit einer flotten Mischung aus Hip Hop und Rock beschallst, dann kann das deinen Schüler:innen zwar einen Kick geben – ihre Achtsamkeit wird es aber nicht fördern. Das heißt nicht, dass du keine Musik beim Yoga spielen darfst. Du solltest dir aber der Auswirkungen bewusst sein und wissen, dass es den Fokus der Praxis verändert. Ich gehe hin und wieder sehr gerne zum Jivamukti Yoga, um mich zur kunstvollen Symbiose aus Asana-Flow und Musik in Ekstase zu yogen. Danach fühle ich mich allerdings nicht glücklich, klar und ganz bei mir, wie sonst nach der Praxis, sondern so ausgepowert und high, als hätte ich gerade 90 Minuten im Club abgetanzt. Das ist nicht per se schlecht – aber vielleicht nicht ganz im Sinne des traditionellen Yoga. Was dagegen immer geht: Klangschalen, Gong und Co.

Yoga als (reines) Geschäft

Es spricht nichts dagegen, mit Yoga Geld zu verdienen. Wer authentischen, inspirierenden, heilende Yoga-Unterricht gibt, wer Workshops und Ausbildungen mit Substanz anbietet, des soll dafür auch entsprechend entlohnt werden. Ganz ehrlich: Die meisten Yogalehrer:innen laufen nicht Gefahr, reich zu werden… Es gibt aber Firmen, die – vor allem mit Yogakleidung, überteuerten Props und Accessoires – immens viel Geld machen, während sie in ihrem Geschäftsgebaren alle yogischen Werte mit Füßen treten. Ich möchte hier keine Namen nennen. Es ist aber immer sinnvoll zu reflektieren, für was du dein Geld ausgibst und welche Werte und Strukturen du damit unterstützt. Denk vielleicht noch mal darüber nach, warum Aparigraha eines der fünf Yamas ist. Ich jedenfalls freue mich über jede löchrige Bio-Baumwoll-Legging, die ich in Yoga-Studios sehe. Vergiss nie: Yoga ist keine Fashion-Show und du brauchst kein Designer-Outfit um Yoga zu üben!

Mach cultural appropriation zum Thema

Egal, ob privat, im Yoga-Unterricht oder beim Teacher Training: Wenn du kulturelle Aneignung zum Thema machst, bereichert das alle. Klick dich doch mal durch den Instagram-Kanal von Fuck Lucky Go Happy (s. Quelle 8.). Dort gibt südindische Yogalehrerin Sangeeta Lerner Tipps, wie du kulturelle Aneignung in deiner Yoga-Praxis und deinem Unterricht vermeiden kannst. Für alle, die mehr wissen wollen, bietet Sangeeta auch Online-Workshops zu dem Thema an.

Selbstkritisch reflektieren, bewusst entscheiden

Allgemein ist unglaublich wertvoll, die Praktiken, die uns unsere Lehrer:innen vermittelt haben oder die wir aus Büchern übernommen haben, mal unter die Lupe zu nehmen. Was bedeutet dieses oder jenes Mantra genau? Fühle ich mich eigentlich wohl, wenn ich meine Hände in der Gebetshaltung habe? Und an was glaube ich tief in meinem Herzen wirklich? Reinkarnation, Karma und Co. sind in Indien mehr als trendige Begriffe – und sollten das auch für dich sein, wenn du sie benutzt. 

Wenn wir unsere Yoga-Praktiken reflektieren, zeigt das nicht nur Respekt und Wertschätzung für den Yoga und seine Ursprünge. Wir vermeiden so auch, dass wir die Gefühle gläubiger Hindus verletzen. Schöner Nebeneffekt: Unsere Yoga-Praxis und unser Yoga-Unterricht gewinnen dadurch an Tiefe und Authentizität. 

Das heißt allerdings nicht, dass wir alle Regeln übernehmen sollen, einfach nur weil sie „aus Indien kommen” oder es eben ”traditionell so gemacht wird”. Das Ziel ist eine selbstkritische Reflektion und ein bewusstes, informiertes Entscheiden. Beispiel: Ich persönlich empfinde Füße nicht als unrein und mir ist es sehr wichtig, meinen Schüler:innen eine positive Einstellung zu ihrem ganzen Körper zu vermitteln. Meine Schüler:innen dürfen mir in Shavasana also jederzeit ihre hübsche Füße präsentieren. Oder eben ihre hübschen Köpfe. Da bin ich sehr tolerant. 

Fazit: Yoga für alle

Für uns Yogi:nis sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, mit allen Menschen und deren Kulturen respektvoll umzugehen. Ebenso selbstverständlich, wie dass wir uns selbst reflektieren, uns weiterbilden und uns gegenseitig liebevoll auf inkorrekte Informationen, Missverständnisse und Missstände hinweisen – kurz: dass wir kontinuierlich an dem Ziel arbeiten, Yoga in seiner heilendsten Form zu üben, zu leben und zu kultivieren. 

In diesem Sinne rufe ich uns alle auf: Lasst uns Yoga so leben und teilen, dass er dem Glück, der Freiheit und der Gesundheit aller dient. Lasst uns alle Menschen beim Yoga willkommen heißen. Und lasst uns unser Yoga in tiefer Dankbarkeit gegenüber allen üben, die die Praktiken des Yoga empfangen, erfunden, entdeckt, verbreitet oder weiterentwickelt haben.

In diesem Sinne: Lokah Samastah Sukhino Bhavantu!*

* Dieses Sanskrit-Mantra wird besonders oft beim Jivamukti Yoga gesungen und bedeutet übersetzt „Mögen alle Wesen überall glücklich und frei sein”.

Quellen:

  1. Spiegel online: Sollten weiße Musiker keinen Reggae spielen?
  2. Wikipedia: Defintion Kulturelle Aneignung
  3. SRF Sternstunde Religion: Darf man noch zum Yoga ohne rot zu werden?
  4. „Hatha Yoga Project” der SOAS University of London
  5. Mark Singleton „Yoga Body. The Origins of Modern Yoga Practice”
  6. Spiegel Online: Mein Yoga, dein Yoga.
  7. Yoga International: How we can work together to avoid cultural appropriation in yoga
  8. Yoga-Blog „Fuck Lucky Go Happy” auf Instagram

Lese-Tipps:

Katharina Goßmann
Katharina Goßmann

Katharina ist Mutter, Yogalehrerin und Psychologin. Bei YogaEasy ist sie das Herz der Redaktion und schreibt über Yoga, wahres Glück und Heilung. Ihre Artikel werden unter anderem im „Yoga Journal” und in der „Happy Way” veröffentlicht.

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