Energie sparen? Was Hatha Yoga wirklich kann

Von Kristin Rübesamen

Ausgerechnet jetzt, wo wir alle sparen müssen und uns schmerzlich bewusst wird, wie wertvoll Energie ist, erscheint ein Buch, das sich mit dem „Yoga der Energie“ beschäftigt. Das klingt erst mal vertraut – denn wir sind es gewohnt, immerzu unseren Energiezustand zu messen und uns entweder völlig erschöpft oder voller Energie zu fühlen. Dieser Parameter einer auf Leistung getrimmten Gesellschaft lässt einen Aspekt außer Acht, den Anna Trökes, Pionierin des deutschen Yoga (und euch allen durch ihre Präsenz bei YogaEasy wohl bekannt) mit diesem Buch ins Licht rückt. Sie untersucht, worin Hatha Yoga oder eben das Yoga der Energie eigentlich gründen, besonders die Lehren des tantrischen Hatha Yoga (nicht zu verwechseln mit dem als Sex-Praxis missverstandenen „Neo-Tantra“ der Selbsterfahrungskultur der 1970er Jahre).


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Was zum Beispiel ist Vjiana Bhairava und warum sollten wir uns dafür interessieren? Was steckt eigentlich hinter den vielzitierten „feinstofflichen Konzepten des Yoga der Energie”? Erstmal nur eine Theorie. Und zwar die Lehre von den verschiedenen „Körperhüllen“, auch Koshas genannt. Dieses Konzept wurde in der Zeit der „Upanishaden“ entwickelt, die sich aus den Veden herausgebildet haben und uns ab etwa 750 vor Christus überliefert sind. Wörtlich übersetzt mit „nahe sitzen“ ist hier ein reger Austausch zwischen Guru und die bei ihm sitzenden Schüler aus gutem Hause (aus der Kaste der Brahmanen und der Krieger) gemeint. Ein archaischer Chatroom, in dem die wichtigen Fragen des Lebens (Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Wie soll ich leben?) diskutiert wurden. 

Anna Trökes ist erfolgreiche Autorin, unterrichtet seit Jahrzehnten Yoga und hat es irgendwie geschafft, dabei nicht eingebildet zu werden, und – vielleicht noch wichtiger – neugierig zu bleiben. Im nicht geschützten Yogalehrberuf, in dem viele ihre fehlende Kenntnis hinter großen Versprechungen verstecken, hat sie sich zudem etwas Schwärmerisches und zugleich zutiefst Handfestes bewahrt. Alle diese Facetten schimmern in ihrem jüngsten Buch durch. 

Wer interessiert sich sonst für das legendäre „Hatha Yoga Project“, ein fünfjähriges interdisziplinäres und internationales Forschungsprojekt unter Leitung der Londoner School of Orient and African Studies (SOAS)? Jüngste Erkenntnisse in London, die mit Hilfe neuer Quellen die Entwicklung des Hatha Yoga nachvollziehen, und die soziologischen und religionswissenschaftlichen Begleitumstände der Erfolgsstory des Yoga untersuchen. Ist der körperliche Yoga genauso alt wie die Quellentexte? Oder ist er vielmehr ein Resultat spätkolonialer Körperkonzepte? Anna Trökes hat mit den jüngsten Forschungsergebnissen im Kopf die dringend nötige Renaissance der Methode und der Geschichte des Hatha Yoga vorgelegt, ohne akademisch abzuheben. 


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Vor allem die beiden Kapitel über die Energiekonzepte und die feinstoffliche Anatomie des Hatha Yoga liegen der Autorin am Herzen. Wer denkt, alles über Prana und die fünf Quellen der Energie zu wissen, wird sich wundern. Und wie klug, direkt eine „Yogapraxis zur Erfahrung von Prana, Polaritäten und Mudra“ anzuschließen!

Abschließend apropos Polaritäten: Anna Trökes kann sich auch ärgern, und zwar über „Übende und Lehrende, die sich ganz bewusst vom politischen Geschehen abwenden“. Ist nicht auch der Erfolg von Pseudowissenschaftlern und Transformationsgurus wie Joe Dispenza, ehemals Chiropraktiker, gefährlich, der Menschen weismacht, in kürzester Zeit das Gehirn umprogrammieren zu können? „Das halte ich für ein Versprechen, das nicht den Tatsachen entspricht. Unser Gehirn ist in der Tat überaus plastisch. Es braucht aber Zeit, um neue neuronale Netzwerke anzulegen, die die alten Muster zuverlässig abzulösen vermögen.“ 

Das größte Missverständnis in Bezug auf Hatha Yoga ist, dass viele Leute – oft mit einem entschuldigenden Unterton – auf die Frage, in welcher Tradition sie üben, immer noch antworten „nur Hatha Yoga.“

Von wegen.


Buch Yoga der Energie

Yoga der Energie. Der Hatha-Yoga als ganzheitlicher Übungsweg in Theorie und Praxis.” von Anna Trökes ist bei O.W. Barth erschienen.

 

 

 

 

 

 

 

Kristin Rübesamen
Kristin Rübesamen

Kristin Rübesamen ist zertifizierte Jivamukti- und Om-Yoga-Lehrerin. Sie hat über ein Jahrzehnt in New York und London gelebt und ihre Ausbildungen noch bei Sharon Gannon und David Life (Jivamukti) und Cyndi Lee (Om Yoga) persönlich gemacht. Als Yoga-Aktivistin, Chefredakteurin von YogaEasy und Yogalehrerin unterrichtet sie seit fast 20 Jahren einen sehr konzentrierten, gleichwohl herausfordernden Stil. Sie ist Autorin von „Alle sind erleuchtet” und „Das Yoga-ABC” .

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