Breathwork – klar und entspannt durch Atemarbeit

Von Tina Scheid

Was ist Inner Axis Breathwork?

Inner Axis Breathwork ist eine von Yogalehrer und Atem-Experte Max Strom entwickelte Methode, die Atemübungen, atem-initiierte Bewegung, Yoga und verschiedene Entspannungsmethoden kombiniert. Auch Meditation, Yoga Nidra, Visualisierungen und Journaling werden beim Inner Axis Training mit einbezogen.
 

Was ist das Besondere an Breathwork?

Es gibt verschiedene Arten von Atmung: die Zwerchfellatmung, die Brustatmung und die Schlüsselbeinatmung – bei einem vollständigen, yogischen Atemzug laufen die drei Varianten nacheinander ab. Eine Besonderheit beim Inner Axis Breathwork ist der Fokus auf die tiefe Atmung im Brustkorb. Dieser schafft Zugang zu tief sitzenden Emotionen, die wir hier erleben, aber auch teilweise zurückhalten.

Viele von uns haben den Umgang mit Gefühlen – den eigenen und denen unserer Mitmenschen – nie wirklich gelernt. Wir wissen oft nicht, wie wir mit Angst, Scham, Trauer oder Verlust umgehen sollen. Was wir jedoch oft gelernt haben, ist gewisse Emotionen zu unterdrücken – uns unauffällig und angepasst zu verhalten, was nicht selten bedeutete, unsere situationsbedingten Emotionen eben nicht zu zeigen. Überall auf der Welt geben gesellschaftliche Normen vor, welche Emotionen akzeptiert und erwünscht sind, und welche es besser zu unterdrücken gilt. In der Öffentlichkeit zu weinen beispielsweise, gilt in der Gesellschaft oft als unangebracht.

Nicht er- und durchlebte Emotionen speichern wir aber in unserem Körper. Wut und Angst etwa im Bauch und im unteren Rücken (Filmtipp: Der Dokumentarfilm „All the Rage“ von Michael Galinsky über die Arbeit von Dr. John Sarno). Im Brustkorb, dem Kraftfeld unserer Emotionen, sitzen Trauer, Herzschmerz, Kummer und Unruhe. Aber hier erleben wir auch Inspiration, Lachen, Vergebung, Freude, Mitgefühl und tiefe Dankbarkeit. Wenn wir Emotionen immer und immer wieder zurückhalten, bauen wir uns – oft unbewusst – einen emotionalen Schutzpanzer auf. Der Schutzpanzer soll uns vor Schmerzen, Enttäuschung und Verletzungen bewahren.

In akuten Krisensituationen macht das durchaus Sinn, um uns vor emotionaler Überforderung zu schützen. Wenn wir jedoch kontinuierlich immer mehr Emotionen dort verstauen, wird aus dem Schutzpanzer ein Käfig – ein Käfig, in dem wir unser Herz einsperren. Ein Zeichen für die Existenz dieses emotionalen Schutzpanzers kann das Gefühl von Einsamkeit und Isolation sein. Oder wenn wir es nicht mehr schaffen, Menschen in unser Herz zu lassen, sie zu umarmen und ihnen zu sagen, dass wir sie lieben.
 

Breathwork Programm Tina Scheid AnmeldungJe mehr Gefühle wir verstecken, umso größer wird die Angst, den Schutzpanzer zu lösen, das Verstaute anzusehen und liebevoll zu transformieren. Unser Herz wieder zu enthüllen fällt uns oft sehr schwer, denn dabei fühlen wir uns verletzlich. Dies ist ein ungewohntes und zuerst einmal ein ungemütliches und fast beängstigendes Gefühl – und gleichzeitig ein wichtiger Schritt zur persönlichen Entwicklung. Verletzlichkeit zu zeigen ist also etwas Sinnvolles, etwas Mutiges und hat nichts mit Schwäche zu tun. Vielmehr zeigen wir dadurch unsere Stärke, dass wir uns um uns selbst kümmern und selbstbestimmt und mutig leben wollen. 

Wie sieht eine typische Breathwork-Stunde aus?

Wie bei allen Atemübungen geht es beim Inner Axis Breathwork darum, einen wesentlichen Bereich von uns selbst wieder in den Fokus unserer Wahrnehmung zurückzubringen: unser Atembewusstsein. Dies erfolgt durch eine sich wiederholende Abfolge von fünf bis sieben Atemübungen, die im Stehen geübt werden und die Bewegung des Körpers integrieren.
Danach folgt eine sanfte und dennoch kräftigende Yogasequenz. Im Anschluss gibt es meist eine Meditation, Visualisierung oder Yoga-Nidra-Sequenz mit danach ausreichend Zeit für die wichtigen Fragen im Leben, zur Reflexion und zum Journaling.

Durch regelmäßige Praxis wird die sich immer wiederholende Abfolge zu einer praktischen Erfahrung, die unsere Selbsterkenntnis enorm bereichern kann. Wir erschaffen ein inneres Bewusstsein für Prana, die Lebensenergie, die unser ganzes Wesen prägt und erleben somit einen Aspekt des Seins, von dem wir vorher gar nicht wussten, dass es ihn gibt. 

Welche sind die wichtigsten Breathwork-Übungen? 

Die typische Inner Axis Session findet im Stehen statt. Hier stelle ich kurz die sieben wichtigsten Atemübungen vor – es handelt sich dabei nicht um Übungsanleitungen, sondern nur einen kurzen Überblick über die grundsätzliche Technik.


Wenn du die Breathwork-Übungen genauer kennenlernen möchtest, dann kannst du dieses Video mit mir üben:


1. Horizon Breath (Horizont-Atmung)

Der Horizon Breath weitet deinen Blick auf dich und das Leben. Du kannst dich selbst gefühlt im Raum und im Leben stehen sehen.

Du stehst im weiten stabilen Stand, Knie gebeugt, nimmst erste tiefe Atemzüge in die seitlichen Rippenbögen, bewegst die Arme sanft und ruhig horizontal zur Seite, dein Blick ist entspannt und weit. 

2. Opening Chest (Brustbein-öffnende Atmung) 

Die Übung fördert den Sauerstoffaustausch und erwärmt den Körper sanft.

Deine Beine sind gestreckt und aktiv, du hebst abwechselnd den linken und den rechten Arm, atmest dabei tief ein, hältst die Atmung an und lehnst dich zur Seite, atmest dann noch einmal komplett ein, hältst den Atem dann wieder an und gehst ausatmend langsam zurück in die Ausgangsposition.

3. Half Salutations (Halbe Sonnengrüße)

Die Übung aktiviert den Körper und fokussiert den Geist durch atem-initiierte Bewegung im Raum.

Die Half Salutations ähneln Sonnengrüßen, du stehst dabei aber die ganze Zeit. Die Übung legt den Fokus auf atem-initiierte Bewegung. Das bedeutet, dass jede Bewegung kurz nach dem Start der Ein- oder Ausatmung beginnt: Du nimmst die Arme seitlich hoch, Vorbeuge, halbe Vorbeuge, Vorbeuge, und wieder hoch. 

4. Centering Breath (Zentrierende Atmung)

Centering Breath ist eine atem-initiierte Meditation und wirkt beruhigend und zentrierend.

Nimm die Arme seitlich hoch in Diamant-Haltung, atme aus und führe die Arme nach unten, die Finger zeigen zueinander. In der kurzen Atempause nach der Einatmung entspanne immer wieder die Gesichtsmuskulatur und Schultern. Kann auch mit geschlossenen Augen geübt werden.

5. Calming the Storm (Den Sturm beruhigen-Atmung)

Diese Übung beruhigt das gesamte Nervensystem. 

Deine Handrücken zeigen nach vorne, die Ellbogen sind gebeugt, du nimmst einatmend die Arme nach vorne bis auf Höhe deines Gesichts, ausatmend führst du sie wieder runter. Atme auch dann noch tief in die seitlichen Rippenbögen, wenn die Arme nach vorne kommen! Eventuell auf Ahhhh oder Hmmmm ausatmen, das verlängert die Ausatmung und unterstützt den beruhigenden Effekt.

6. Fountain Breath (Fontänen-Atmung)

In dieser Übung verteilst Du deine Liebe, Dankbarkeit, Freude an die Welt. Die Übung wirkt sehr erheiternd!

Einatmend ziehst du die Hände wie eine Schale von der Hüfte bis vors Herz, drehst die Hände und führst die Arme mit der Ausatmung wie eine Fontäne nach oben und zu den Seiten.

7. Alpha Breath (Alpha-Atmung)

Diese stark aktivierende Atemübung macht wach!
Du stehst mit aktiven Beinen in einem stabilen Stand, deine Arme sind ebenfalls gestreckt und du führst sie in V-Form nach rechts und links oben. Atme tief und kraftvoll in die Rippenbögen, dabei sind Ein-und Ausatmung aktiv. Gerne kannst du die Übung mit geöffnetem Mund praktizieren. 


Hier kannst du Tina im YogaEasy-Podcast „Besser Leben mit Yoga“ hören: 


Welche Wirkungen hat Breathwork auf Körper und Geist?

Alle Arten der Atemarbeit haben einen Einfluss auf unseren Körper, unser Nervensystem und unsere Emotionen. Die Breathwork-Übungen können dabei helfen, unsere körperliche, mentale und emotionale Gesundheit nachhaltig zu erhalten oder zu verbessern. Sie kräftigen den Atemapparat, beruhigen das Nervensystem und harmonisieren den feinstofflichen Energiefluss unserer Emotionen. 

Die körperliche Wirkung von Breathwork

Die Atmung hält den Körper am Leben. Ein gesunder Atemapparat ist also essentiell für ein gesundes Leben. Die beiden Hauptmechanismen, durch die Luft in die Lungen transportiert wird, sind die Bewegung des Zwerchfells nach unten und das Dehnen der Rippenbögen nach außen. Das Einatmen wird durch die Atemmuskulatur ermöglicht, die wir durch Breathwork trainieren können.

Und was führt zur Ausatmung? Ganz einfach: Entspannung. Hierzu werden bei der natürlichen Atmung keinerlei Muskeln benötigt. Die Lungen verhalten sich bei der Ausatmung vollkommen elastisch und sie schrumpfen wieder auf ihre ursprüngliche Größe. Die Interkostal- und Bauchmuskeln können eine Ausatmung verstärken, beschleunigen und vertiefen, aber es ist die Fähigkeit der Lunge, sich selbständig und elastisch in die Ausgangsform zurückzuziehen. Und auch dabei hilft Breathwork, denn die Atemübungen entspannen nicht nur unseren Geist, sondern lösen auch körperliche Blockaden und Verspannungen, so dass wir wieder frei und gelöst (aus)atmen können.

Zudem können wir mit Atemarbeit unser Lungenvolumen beeinflussen. Das ist besonders für Menschen relevant, die chronische Lungenprobleme haben. (Achtung: Kläre unbedingt vorher mit deinem Arzt oder deiner Ärztin ab, welche Übungen für dich passend bzw. unpassend sind und übe unter Anleitung von einer:m erfahrenen Lehrer:in!) Ein normaler Atemzug hat ein Volumen von ca. einem halben Liter, mit Atemarbeit kannst du die Vitalkapazität deiner Lungen auf drei bis vier Liter erhöhen. Leistungsschwimmer:innen haben sogar bis zu acht Liter Lungenvolumen, der Apnoetaucher Herbert Nitsch bis zu zehn Liter. (Filmtipp: Dokumentation „Zurück aus der Tiefe“ von Herbert Nitsch)

Die Wirkung von Breathwork auf das Nervensystem und deine Energie

Lass uns kurz die Funktionsweise des vegetativen Nervensystems betrachten. Das vegetative Nervensystem steuert und reguliert alle biologischen, innerkörperlichen Vorgänge und Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Puls, Verdauung und Stoffwechsel automatisch. Es kann jedoch indirekt beeinflusst werden durch vegetativ wirksame Verfahren wie Yoga, Atemübungen, Meditation, Biofeedback, Qi Gong, Autogenes Training oder auch durch mentale Techniken wie Hypnose.

Das vegetative Nervensystem unterteilt sich in Sympathikus und Parasympathikus:

  • Der Sympathikus ist allgemein als „Kampf und Flucht“-System bekannt. Der Blutdruck steigt, das Herz schlägt schneller, der Puls erhöht sich, das Blut wird von den Verdauungs- und Ausscheidungsorganen in die Muskeln geleitet, diese spannen an, die Atemfrequenz beschleunigt sich, Stresshormone Adrenalin und Kortisol überschwemmen den Körper.
  • Der Parasympathikus ist der Gegenspieler: Er wird in Regenerationsphasen aktiv, senkt den Blutdruck, beruhigt das Herz, verlangsamt Puls und Atem und schickt das Blut (das ja gerade nicht in den Muskeln für die Flucht gebraucht wird) in lebenswichtige Systeme wie Verdauung, Drüsen und Immunsystem.

In der modernen Welt leiden viele Menschen unter Stress und fehlenden Pausen. Die Folge: Das Nervensystem befindet sich in andauernder Alarmbereitschaft, es entsteht chronischer Stress. Dadurch wird die Atmung hastig und flach und wir nutzen nur einen ganz kleinen Teil der Kapazität der Lunge. Das führt zu Sauerstoffmangel und kann verschiedenste Probleme hervorrufen wie etwa Herzprobleme, Schlafstörungen, verminderte Leistungsfähigkeit oder Müdigkeit. 

Atmung ist das Bindeglied zwischen Körper und Geist. Davon war schon die Philosophie des Ostens überzeugt und bis heute ist das die Basis jeder Atemarbeit. Zudem ist unsere Atmung der einzige physiologische Prozess, der vom ersten bis zum letzten Atemzug automatisch abläuft, sich aber auch relativ einfach willkürlich beeinflussen lässt. So können wir unserem dauergestressten Nervensystem durch einen gleichmäßigen und tiefen Atem signalisieren: Gefahr gebannt, alles okay.

Und nicht nur das. Denn wenn wir mithilfe unseres Atems unseren Körper beeinflussen, können wir so auch Einfluss nehmen auf unser Prana, unsere Lebensenergie. Unsere Atmung ist das Vehikel für Prana, deshalb heißen die klassischen yogischen Atemübungen auch Pranayama. Pranayama bedeutet „das Ayana (Erweiterung oder Manifestation) von Prana (pra: erste Einheit; na: Energie). Pranayama vermittelt also Wissen über die Kontrolle von Prana. Und wer lernt, Prana zu kontrollieren, lernt damit auch, den eigenen Körper und Geist zu kontrollieren. (Quelle: Swami Rama, Die Wissenschaft vom Atem, Kapitel 4)

Immer dann, wenn wir uns gestresst fühlen, unruhig oder nervös sind oder nicht einschlafen können, können wir unseren Atem nutzen, um Entspannung zu finden und Energie zu tanken. Meine Lieblings-Atemübung ist die sog. 4-7-8-Atemübung. Dabei zählt man und atmet auf 4 Zähler ein, hält für 7 Zähler und atmet auf 8 Zähler aus. Nach einigen Minuten beruhigt sich der Puls, der Körper nimmt mehr Sauerstoff auf und der Geist entspannt sich. 
Wichtig: in der Schwangerschaft, bei Bluthochdruck oder aktueller Unruhe bitte die Übung so anpassen, dass auf 4 eingeatmet und direkt auf 8 ausgeatmet wird - die Atempause wird also ausgelassen.

Die Wirkung von Breathwork auf die Emotionen 

Wie oben beschrieben, hilft Inner Axis Breathwork uns dabei, Zugang zu unseren Emotionen zu finden und diese heilsam und sanft zu transformieren.

Interessant ist auch die „emotionale Sprache” der Atmung: Wenn wir freudig überrascht sind, atmen wir kurz und abrupt ein, wenn wir traurig sind, atmen wir stockend ein und lang und unregelmäßig abrupt aus, wenn wir gerade an die Decke gehen, atmen wir mit hoher Frequenz durch die Nasenlöcher.

Dass intensive emotionale Zustände so gut wie immer mit der Veränderung unseres Atems einhergehen, macht noch mal deutlich, wie eng die Verbindung zwischen unserer geistig-emotionalen Ebene und unserem Atem ist.
 

Kann Breathwork von jeder Person geübt werden?

Die Inner Axis-Atemübungen sind sehr sanft und können von jeder Person geübt werden. Es sind keinerlei Vorkenntnisse nötig und die Methode kann jederzeit geübt werden. Dennoch ist auch bei dieser Atempraxis darauf zu achten, wie sich der/die Übende physisch und psychisch fühlt. Und es gibt es zahlreiche Varianten und Abänderungen der Atemübungen für Schwangere, für Menschen mit Bluthochdruck oder bei akuter Unruhe. 

Ganz allgemein sollten Atemübungen mit einem:r in der jeweiligen Methode geschulten Lehrer:in geübt werden, insbesondere die sogenannten transformierenden, also die eher aktiven und körperbetonten Atemübungen. Diese können starke, teilweise unvorhersehbare Reaktionen auf körperlicher, mentaler und psychischer Ebene hervorrufen, sodass die Betreuung durch eine:n entsprechend geschulte:n Lehrer:in unbedingt notwendig ist.

Breathwork: Verbindung zu deiner wahren Natur

Das wirklich wertvollste an Breathwork ist, dass es den Geist stärkt und uns ermöglicht, wirklich nach innen zu schauen. In dieser Introspektion finden wir nicht nur Antworten auf die wesentlichen Fragen des Lebens – Wie geht es mir gerade? Wo stehe ich in meinem Leben und wo kann es hingehen? Wer bin ich und was ist mein Auftrag in diesem Leben? – wir erkennen immer deutlicher unsere wahre Natur, unsere Verbindung zu allen Lebewesen und somit zu Gott.

Tina Scheid
Tina Scheid

Tina Scheid ist Yoga- und Breathwork-Lehrerin und unterrichtet seit 2013 in verschiedenen Yogastudios in Hamburg. Sie bietet Workshops, Retreats und Firmenyoga an und assistiert Max Strom bei Breathwork-Workshops und Lehrer:innenausbildungen. Tina ist zudem als Psychoonkologin und MHFA-Ersthelferin tätig und unterstützt Krebspatient:innen in herausfordernden Zeiten.

20% Rabatt für dich