Besser als Schlaf: Alles über Yoga Nidra

Von Kristin Rübesamen und Merle Blankenfeld

Nicht ganz wach, nicht ganz weg: Als Yoga Nidra wird die Methode und zugleich der Zustand zwischen Wachsein und Schlaf beschrieben, der eine tiefgreifende, integrale Tiefenentspannung ermöglicht. Yoga Nidra ist sozusagen eine Form der Meditation, bei der Körper und Geist auf allen Ebenen wirklich entspannen können.


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Woher kommt Yoga Nidra – und was will es erreichen?

„Nidra“ ist ein Sanskrit-Wort und bedeutet übersetzt „Schlaf“. Bekannt aus den Schriften des Patanjali und dem tibetischen Tantrimus als Methode, Glückseligkeit zu erlangen, hat sie im vergangenen Jahrhundert Swami Satyananda Saraswati ins Repertoire der von ihm gegründeten „Bihar School of Yoga“ aufgenommen und den Bedürfnissen einer modernen Welt angepasst.

Traditionell verbinden wir unser Bewusstsein nicht nur mit Wachsein, im Gegenteil: Um Erkenntnisse über unseren Seelen- und Geisteszustand zu gewinnen, stürzt sich die Forschung auch auf andere Bewusstseinszustände, allen voran die Schlafforschung. Die vorherrschende Methode dabei konzentriert sich auf die Messung der Gehirnströme durch die Aufzeichnung der sogenannten EEG-Signale:

  • Im wachen Beta-Zustand befinden wir uns in normaler Alltagssituation. 
  • Im Alpha-Zustand befinden wir uns in leichter Entspannung, Tagträume sind möglich und werden auch das „Tor zur Meditation“ genannt. 
  • Im Theta-Zustand befinden wir uns im Unbewussten.
  • Tiefen Schlaf, die niedrigste Frequenz an Schwingungsfrequenzen (gleich EEG-Signalen), finden wir im Delta-Zustand, der auch in einer Trance oder tiefen Hypnose vorherrscht.

Yoga Nidra wird zwischen Alpha und Beta, also zwischen dem Wachzustand und dem entspannten Wachzustand eingeordnet.


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Was genau ist Yoga Nidra und welche Wirkung hat es?

Tatsächlich ist der yogische Schlaf ein ganz besonderer Zustand, denn es ist ein bewusst herbeigeführter psychischer Schlaf, der Körper, Geist und Seele in einen Zustand bewusster Ruhe bringt. Dieser Ruhezustand ist aber viel mehr als der, in den wir unsere Handys, Computer und anderen technischen Geräte bringen:

„Entspannung bedeutet nicht Schlaf. Entspannung bedeutet einen glückseligen Zustand, der kein Ende hat. Ich nenne Glückseligkeit absolute Entspannung. Schlaf ist etwas anderes. Schlaf bringt nur dem Verstand und den Sinnen Entspannung. Glückseligkeit entspannt den Atman, das innere Selbst. Deshalb ist im Tantra Yoga Nidra der Schlüssel zu Samadhi.“

Swami Satyananda Saraswati

Dieser Zustand wird im Yoga Nidra durch Nyasa, Körperreisen oder Bodyscans, Achtsamkeit, Energielenkungen und Visualisierungen erreicht. Jeder Mensch kann Yoga Nidra üben – du brauchst keinerlei Vorkenntnisse im Yoga oder in der Meditation. Wie genau Yoga Nidra funktioniert geht, erfährst du weiter unten im Artikel und im Video.

Wirkung von Yoga Nidra

Das regelmäßige Praktizieren von Yoga Nidra hat viele positive Auswirkungen auf unsere körperliche und geistige Gesundheit. Dazu gehören:

  • gesteigerte Konzentrationsfähigkeit
  • die Fähigkeit körperlich und seelisch Loszulassen
  • innerlich unabhängig zu werden von äußeren Einflüssen
  • weniger Müdigkeit und mehr Energie
  • Lösen von körperlichen Verspannungen
  • mehr Gelassenheit und weniger Stimmungsschwankungen
  • bewussterer Umgang mit dir selbst und deinen Gefühlen
  • bewussterer Umgang mit anderen in deinem Umfeld

Anleitung: So läuft Yoga Nidra ab

  1. Grundsätzlich kannst du Yoga Nidra in jeder Position und Situation ausführen, sofern du dich entspannen kannst. Am besten übst du aber in Rückenlage auf deiner Yogamatte – so bist du optimal geerdet.
  2. Du solltest es bequem haben und nicht frieren. Wenn du zu Schmerzen im unteren Rücken neigst, lege dir ein Bolster oder Kissen unter die Knie. Decke dich mit einer leichten Decke zu und zieh dir warme Socken an.
  3. Finde dein Sankalpa, also deinen individuellen Vorsatz oder Entschluss. Das kann zum Beispiel sein „Ich bin immer ruhig und gelassen“ oder „Ich bin voller Dankbarkeit für alles, was in meinem Leben geschieht“. Du kannst dir aber auch etwas ganz anderes überlegen, das du während deiner Übung verinnerlichen und mit in den Alltag nehmen willst. Dein Sankalpa sollte kurz, prägnant und im Präsens formuliert sein.
  4. Antar Mouna: Als Nächstes folgt eine kurze Einstiegsentspannung, bei der du dich auf deinen Atem konzentrierst und ganz im Moment ankommst.
  5. Nyasa: Im zweiten Teil richtest du deine Achtsamkeit – und damit dein Prana – im schnellen Wechsel von Körperteil zu Körperteil durch den gesamten Körper.
  6. Chidakasha: Hier übst du nun nur noch am Rande im tatsächlichen Körpergefühl und befindest dich stattdessen im „Raum des Bewusstseins“ (das bedeutet Chidakasha nämlich).

Wie genau das geht, erfährst du in diesem Video, in dem dich Yogalehrerin Ranja Weis durch eine wunderschöne Yoga-Nidra-Einheit leitet:


Erreiche ich mit Yoga Nidra mein Unbewusstes?

Es heißt, dass Yoga Nidra nicht nur Körper, Geist und Seele vollständig regenerieren kann, sondern auch unser Unbewusstes „umschreiben“, sprich: alte und qualvolle Gedankengänge und Kindheitsmuster ändern. Wie ein Computerprogramm, das umprogrammiert wird. Hmm, ganz schön große Versprechungen, finden wir. Schaden kann es aber ganz sicher nicht, einen „Sankalpa” während des yogischen Schlafs ins Bewusstsein rieseln zu lassen. Und das Schönste an der Idee, alte Muster durch gute, frische Vorsätze (am besten nur einen!) zu brechen, ist, dass Yoga Nidra eine wunderbar erholsame und angenehme Technik ist, die jede und jeder ohne Vorwissen und besondere Fertigkeiten anwenden kann. Also: Probier es einfach mal aus!

Kristin Rübesamen
Kristin Rübesamen

Kristin Rübesamen ist zertifizierte Jivamukti- und Om-Yoga-Lehrerin. Sie hat über ein Jahrzehnt in New York und London gelebt und ihre Ausbildungen noch bei Sharon Gannon und David Life (Jivamukti) und Cyndi Lee (Om Yoga) persönlich gemacht. Als Yoga-Aktivistin, Chefredakteurin von YogaEasy und Yogalehrerin unterrichtet sie seit fast 20 Jahren einen sehr konzentrierten, gleichwohl herausfordernden Stil. Sie ist Autorin von „Alle sind erleuchtet” und „Das Yoga-ABC” .

Merle Blankenfeld
Merle Blankenfeld

Merle verbindet bei ihre Leidenschaft für Yoga mit einem Faible für alles Digitale. Deshalb schreibt sie über die Themen, die ihr am Herzen liegen: Yoga, Spiritualität und Gesundheit. Wenn sie nicht gerade vor einem Bildschirm sitzt, steht sie entweder auf der Yogamatte oder vergräbt ihr Gesicht in einem Buch (okay, manchmal ist es auch ein E-Reader...).