Yoga für mehr Energie: Tipps & Übungen

Von Katharina Goßmann und Anna Rech

Vielleicht kennst du das: Du schleppst dich gestresst, erschöpft und verspannt in die Yogastunde – und verlässt sie gelöst, energiegeladen und guter Laune. Wie macht Yoga das nur?

Yoga ist ein natürlicher Energiebooster

Viele Menschen betrachten Yoga als gesundheitsfördernde Maßnahme – zum Muskelaufbau, Stressabbau, für eine bessere Haltung und mehr Beweglichkeit. Traditionell konzentrierte sich Yoga aber darauf, „Prana” – die Lebensenergie – zum Fließen zu bringen. Die yogischen Übungen hatten das Ziel, alles aufzulösen, was den gesunden Fluss der Lebensenergie blockiert. Sie sollten nicht nur physische Blockaden wie Verspannungen und Fehlhaltungen auflösen, sondern auch solche, die uns davon abhalten, in Kontakt mit unserem Inneren zu kommen. Sind diese Hindernisse aus dem Weg geräumt, spüren wir nicht nur, wie es uns körperlich geht. Es kommen auch festsitzende Stress-, Angst- und Trauergefühle ins Bewusstsein. Das fördert unsere körperliche und emotionale Gesundheit – und setzt wertvolle Lebensenergie frei.

Falls dir das zu esoterisch erscheint, betrachten wir einfach die Wirkung von Yoga aus wissenschaftlicher Sicht: Yoga regt den Stoffwechsel an, baut Verspannungen ab, sorgt für die Ausschüttung von Glückshormonen, aktiviert das Entspannungssystem des Körpers und versorgt ihn mit Sauerstoff. Entspannte tiefe Atmung, bewusste Bewegung und Entspannungsübungen beruhigen dein Nervensystem und deinen Geist. So fühlst du dich ruhig und klar.

Wenn die Prozesse in Körper, Seele und Geist in ihren natürlichen Fluss kommen, fühlst du dich lebendig. Du wirst dich nicht mehr matt oder (innerlich wie äußerlich) erstarrt fühlen. Stattdessen wirst du vielleicht Gefühle wie Freude, Inspiration, Lebendigkeit, Dankbarkeit und Liebe erleben. Oder du spürst, dass du traurig, wütend oder müde bist. Dann kannst du entspannt das tun, was dir genau in diesem Moment guttut – lachen, tanzen, kuscheln, weinen, stampfen, schlafen. Ohne Widerstand, ohne Bewertung, sondern in Annahme und Verbundenheit mit dir und der Welt.


Interview mit Yogalehrerin Anna Rech: „Alles, was existiert, ist Energie”

YogaEasy: Was ist Energie für dich und welche Bedeutung hat sie für dein und in deinem Leben?
 

Anna rech YogalehrerinAnna Rech: Alles, was existiert, ist eine Form von Energie: Der Stein am Wegesrand, die Blume, der Baum und jeder Mensch verkörpert eine bestimmte Energie, die sich natürlich jederzeit auch wieder verändern kann. Energie im Kontext von Yoga und Spiritualität bedeutet für mich Licht. Licht, das eine heilsame Kraft besitzt und Informationen auf feinstofflicher Ebene übertragen und somit unser Wohlbefinden, unsere Gedanken und Emotionen positiv beeinflussen kann. Mit unserer Yoga-Praxis bringen wir Licht ins Dunkle. Wir lassen unseren Körper, Geist und unsere Seele leuchten. Ich liebe es, Asanas mit goldener Lichtenergie zu praktizieren und natürlich auch zu unterrichten. Es bringt uns sofort in eine andere Stimmung bzw. Frequenz; wir bewegen uns aus dem Alltagsbewusstsein in ein höheres Bewusstsein. Ein ausbalancierter Energiehaushalt und ein möglichst klares Energiefeld sind essenziell für mein Leben und Grundlage für meine Arbeit als Yogalehrerin und angehende Gestalttherapeutin.

Welche yogischen Übungen geben dir einen Energie-Kick?

Auf meinen Organismus wirkt Kapalabhati Pranayama (Anmerkung der Redaktion: s.u.), wie ein Espresso Shot – und das ohne unangenehme Nebenwirkungen. Diese Atemtechnik klärt Körper und Geist, macht wach und warm. Auch Kundalini-Yogaübungen wie etwa Sat Kriya (zu sehen in meinem Video „Rise up your Energy”), dynamische Flows oder das Singen eines Mantras wie „Lokah Samastah Sukhino Bhavantu“ können sehr vitalisierend und erhebend sein.

Wie hältst du deine Energie im Alltag hoch?


Oft ist weniger wirklich mehr. In meinem Alltag lege ich regelmäßig Pausen ein, um mein Nervensystem zu kalibrieren, meinen physischen Körper zu entspannen und mich insgesamt neu auszurichten. (Fast) jeden Tag praktiziere ich für 20 bis 30 Minuten Savasana.
Neben meiner Yoga-Praxis unterstützen mich vegetarische Ernährung, Quellwasser, Mikronährstoffe und – sehr wichtig! – etwa acht Stunden Schlaf. Denn in der Nacht regenerieren wir am intensivsten. Zudem achte ich darauf, täglich Dankbarkeit und Frieden zu pflegen und mich möglichst mit Dingen und Menschen zu umgeben, die mir Freude bereiten. Auch die Qualität unserer Beziehungen beeinflusst unser Wohlbefinden und damit unser Energielevel.

Hast du Tipps, um (schnell) aus einem Energie-Loch zu kommen?

Ja, keep it simple! Die für mich einfachste und effektivste Methode ist, tief und bewusst über die Nase ein- und über den Mund auszuatmen; dabei kannst du gern etwas seufzen und tönen. Ein kurzes Dehnen, Recken und Strecken oder eine kleine Yoga-Sequenz können ebenfalls Wunder bewirken. Auch ein Spaziergang an der frischen Luft hilft, Müdigkeit loszulassen, den Kopf frei zu bekommen und neue Energie zu generieren. Kurz gesagt: Es geht immer wieder um die goldene Mitte – zwischen ausreichend Bewegung und Erholung. Aber hey, kein Mensch befindet sich dauerhaft im Gleichgewicht. Deshalb sei bitte geduldig, mitfühlend und wohlwollend mit dir selbst und der Welt.

Wir danken dir ganz herzlich für dieses inspirierende Interview, Anna!

Hier findest du alle YogaEasy-Videos mit Anna Rech. Mehr über Anna erfährst du unter annarech.de.


Atem & Energie – untrennbar verbunden

Die Atemübungen im Yoga heißen Pranayama. „Prana“ bedeutet Lebensenergie, „ayama“ lässt sich mit „kontrollieren“ übersetzen. Diese Übersetzung zeigt, dass Yogis schon vor vielen Jahrhunderten wussten, dass wir unsere Lebensenergie über den Atem beeinflussen können. Auch heute legen viele erfahrene Yogi:nis ihren Fokus auf Pranayama und nicht auf die Asana-Praxis – weil sie wissen, wie wirkungsvoll und mächtig die yogischen Atemübungen sind.  

Probiere es selbst aus mit dieser simplen Atemübung:

  1. Setze dich aufrecht hin und entspanne die Schultern.
  2. Ziehe das Kinn leicht zur Brust und lasse den Nacken lang werden.
  3. Atme tief und entspannt durch die Nase ein – ganz ohne Druck, sondern mit dem genussvollen Gefühl, endlich tief durchatmen zu können.
  4. Atme langsam durch den sanft geöffneten Mund aus.
  5. Atme entspannt auf diese Weise ein und aus, bis du merkst, dass deine Schultern sinken, du seufzt oder gähnst. Dein Nervensystem reguliert sich – und dein Körper entspannt sich.

Spüre jetzt in dich hinein: Was fühlt sich anders an? Spürst du die Spannung, die du vorher gehalten hast? Kommen Gefühle hoch? Hast du plötzlich Hunger, Durst oder das Bedürfnis, zur Toilette zu gehen? Bist du müde? Alles, was du jetzt fühlst, war vorher schon da – du hast es nur nicht wahrgenommen. Durch diese einfache kurze Atemübung hast du dich also nicht nur spürbar entspannt, sondern bist auch in Kontakt mit deinem Körper, deinen Gefühlen gekommen. 


Lesetipp: Wenn du mehr über Pranayama erfahren möchtest, lies unseren ausführlichen Artikel, in dem die wichtigsten Atemübungen vorgestellt werden!



Feel the Burn – Yoga trifft Krafttraining


10 Yoga-Übungen für mehr Energie

Wenn du das nächste Mal ein Energie-Tief hast, empfehlen wir dir also (Trommelwirbel!): Yoga – und zwar mit einer guten Portion Pranayama. Mit einer regelmäßigen Yoga-Praxis gehst du aktiv in Verbindung mit Körper, Geist und Seele und gibst dir, was du brauchst. Das sorgt – neben vielen anderen positiven Effekten – für einen ausgeglichenen Energiehaushalt.

Aber auch bei einem akuten Energietief hilft Yoga. Wenn du dich am Schreibtisch nicht mehr konzentrieren kannst oder nach mehreren Nächten mit einem zahnenden Baby erschöpft bist (und die nächste Nacht bevorsteht...), probiere die folgenden Übungen aus. Sie sind echte Prana-Booster und bringen deine Energie ins Fließen. Finde heraus, welche für dich funktionieren. Du kannst deine Lieblingsübungen für einen schnellen Energie-Kick nutzen oder sie in der vorgestellten Reihenfolge als Energy-Boost-Sequenz praktizieren.

1. Kapalabhati

Diese Atemübung ist perfekt für den Morgen geeignet oder wenn du zwischendrin einen Energie-Kick brauchst. Sie aktiviert das Energiezentrum Manipura Chakra und regt außerdem die Verdauung an. 

2. Sufi-Kreise

Mit dieser Übung mobilisierst du deine gesamte Wirbelsäule und löst so nicht nur Verspannungen und Fehlhaltungen, sondern bringst Lebendigkeit zurück in deine erstarrte (äußere und innere) Haltung.

Setz dich in einen bequemen, aufrechten Sitz und beginn nun achtsam deinen Oberkörper zu kreisen. Erst eine Weile in die eine, dann in die andere Richtung. Die gesamte Wirbelsäule von Hüfthöhe bis Kopf darf um ihre Achse kreisen. Lass die Kreise dann vielleicht immer größer werden, oder auch schneller – genau so, wie es sich für dich gut anfühlt. 


Lesetipp: Lies unseren Artikel, wenn du mehr über Sufi-Kreise erfahren möchtest!


3. Schütteln

Es gibt kaum ein effektiveres Mittel, um

  • Anspannung zu lösen,
  • Lebendigkeit in deinen Körper zu bringen und
  • vor allem aus einer inneren Erstarrung – einem Gefühl, einem Mindset – zu erwachen und wieder präsent zu werden,

als dich einmal durchzuschütteln! 

Stell dich dazu entspannt hin und fang dann ganz achtsam an, den Körper von innen heraus in ein sanftes Schütteln zu führen. Das kann ganz klein sein, oder ganz groß, Hauptsache, es fühlt sich richtig gut an. Mach das ein paar Minuten und schüttele der Reihe nach alles aus, was noch verspannt ist – Hände, Arme, Gesäß, Schultern... Danach solltest du dich belebt und befreit fühlen. 

4. Ha-Übung

Diese Übung stammt vermutlich aus dem Kundalini Yoga. Sie hilft, um unterdrückte Wut abzubauen und stattdessen heilsamen Schwung in deinen Körper zu bringen.

  • Stell dich breitbeinig hin und strecke deine Arme parallel nach vorne.
  • Geh jetzt etwas in die Hocke, beuge deinen Oberkörper mit geradem Rücken leicht nach vorne und lass deine Arme (immer noch parallel) etwas nach unten sinken.
  • Schwing jetzt deine Arme, während du dich aufrichtest, nach oben über deinen Kopf und mach dabei „Ha”, oder, falls es dir lieber ist „Huh”.
  • Wiederhole dieses Bewegung nun immer wieder und wirf jedes Mal ein kleines bisschen mehr deine Wut, deinen Stress, deine Frustration oder was dich sonst so gerade blockiert hinter dich. Schleudere es geradewegs aus deinem Leben hinaus!
  • Wiederhole die Übung, bis du dich befreit und belebt fühlst.  

5. Äpfel pflücken in der Berghaltung

Diese Übung dehnt vor allem deine Flanken und öffnet so deine Körperseiten. Das befreit deine Brust von Spannungen, sodass du wieder frei atmen kannst und Prana wieder frei fließen kann.

Stell dich in Tadasana, die Berghaltung, und strecke abwechselnd deine linke und deine rechte Hand nach oben, als würdest du Äpfel von einem Baum pflücken. Dehne und drehe dich dabei so, dass du einen wohltuenden, befreienden Stretch spürst. Greif also auch mal nach vorne oder hinten oben oder auch mal eher außen oben, so dass wirklich dein gesamter Oberkörper bewegt wird. 

6. Sonnengruß

Der Sonnengruß ist eine herrliche belebende Bewegungsabfolge, die deinen gesamten Körper aktiviert und Kreislauf und Stoffwechsel in Schwung bringt. 

7. Krieger III – Virabhadrasana III

In der Steh- und Balancehaltung Krieger III sind Fokus und Kraft gefragt. So bringt dich diese Asana in Sekundenschnelle innerlich und äußerlich in deine Kraft. 

8. Göttinnen-Haltung – Utkata Konasana

Utkata Konasana, auch „Goddess Pose” genannt, richtet dich auf und hilft dir, dich so mächtig und kraftvoll wie eine Göttin zu fühlen. Probier sie auch mal mit Löwenatmung aus, das kurbelt deinen Energiefluss noch mehr an!

9. Weite Vorbeuge – Prasarita Padottanasana

Mit dieser kraftvollen Vorwärtsbeuge löst du nicht nur Verspannungen im Oberkörper, sondern bringst auch deinen Kreislauf in Schwung. 

10. Totenhaltung – Savasana

„Wie soll mir Herumliegen Energie schenken?”, fragst du dich vielleicht. Tatsächlich ist Savasana, die Schlussentspannung, eine der wichtigsten Energieübungen im Yoga. Bitte lass es auf keinen Fall aus!

Wenn du in Savasana tief entspannst, integriert sich alles, was du zuvor in Bewegung gebracht hast. In der Schlussentspannung hast du die Gelegenheit, alles, was vorher war, zu integrieren. Das „befreite” Prana verteilt im gesamten Körper.

In Savasana liegt auch ein Hinweis für dein Leben jenseits der Matte. Wenn du den ganzen Tag nur in Aktion bist, wirst du abends ausgelaugt sein. Gestaltest du deinen Tag jedoch als harmonische Mischung aus Aktivität und regenerierenden Ruhepausen, bleibt deine Energie in Balance.


Fazit: Prana ist Lebensfreude

Um kraftvoll und voller Energie durch den Tag zu gehen, braucht es keine großen Maßnahmen. Check einfach regelmäßig bei dir ein und gib dir dann das, was du gerade brauchst. Vielleicht sind das ein paar tiefe Atemzüge, ein bisschen Schütteln, ein Glas Wasser, ein kurzer Spaziergang oder eine Umarmung. Und wirst sofort merken, wie Prana in Form eines wunderbaren Gefühls von Lebendigkeit und Lebensfreude durch dich hindurchfließt. 

Katharina Goßmann
Katharina Goßmann

Katharina ist Mutter, Yogalehrerin und Psychologin. Bei YogaEasy ist sie das Herz der Redaktion und schreibt über Yoga, wahres Glück und Heilung. Ihre Artikel werden unter anderem im „Yoga Journal” und in der „Happy Way” veröffentlicht.

Anna Rech
Anna Rech

Anna Rech liebt es, Yoga zu unterrichten und zu praktizieren. Die Anusara®-Lehrerin unterrichtet Yoga seit vielen Jahren in ihrer Heimatstadt Hamburg sowie europaweit und bietet Personal Yoga, Workshops und Retreats an.