
Yin Yoga in der Schwangerschaft
Du bist schwanger und merkst gerade, dass deine bisherige Yoga-Praxis nicht zu deinen aktuellen Bedürfnissen passt? Du hast noch nie Yoga gemacht, aber deine Frauenärztin hat es dir für die Schwangerschaft empfohlen? Dann könnte Yin Yoga genau das Richtige für dich sein. Warum Yin Yoga der optimale Yogastil für die Schwangerschaft ist und welche Yin-Übungen dir jetzt besonders guttun, verraten wir dir in diesem Artikel.
Eine entspannte Schwangerschaft
Belastender, andauernder Stress während der Schwangerschaft kann sich negativ auf die Geburt und die Entwicklung des Kindes auswirken. Umgekehrt konnten Wissenschaftler:innen belegen, dass es sich unmittelbar positiv auf Mutter und Kind auswirkt, wenn die Mutter sich regelmäßig bewegt und Entspannungsübungen praktiziert. Yin Yoga als leichtes körperliches Training und (physische wie psychische) Blockaden lösende Achtsamkeitspraxis passt deshalb wunderbar in die Zeit der Schwangerschaft.
Yin Yoga – was ist das überhaupt?
Beim Yin Yoga stehen Loslassen, Dehnen und langes, passives Verweilen in einer Haltung (Asana) im Fokus. So werden Yin-Yoga-Übungen vor allem im Sitzen oder Liegen ausgeführt und deutlich länger gehalten, meistens mehrere Minuten.
Körperliche Wirkungen von Yin Yoga
Durch die lange gehaltenen Dehnungen werden Strukturen wie Muskulatur, Bänder, Sehnen und Faszien angesprochen, sodass sich tief sitzende Verspannungen und Blockaden lösen können. Das ist körperlich oftmals ein herausfordernder Prozess. Alle, die schon einmal länger in der Taube (Eka Pada Rajakapotasana) waren, wissen, was gemeint ist…
Geistig-emotionale Wirkungen von Yin Yoga
Zum anderen eröffnet langes Aushalten in einer Asana die Möglichkeit, sich mit den eigenen Gedanken und Emotionen bewusster zu beschäftigen. Wir können lernen, unseren Körper sowohl in seinem Potenzial, als auch mit seinen Limitierungen wahrzunehmen: Wo sitzt ein Verspannung, die auf Dauer gelöst werden kann, was dir dann mehr Bewegungsraum schenken wird? Und wo begrenzt die Knochenstruktur den Bewegungsradius, indem Knochen auf Knochen stößt? Wir erfahren, dass sich Körper und Asanas von Mensch zu Mensch unterscheiden und einem stetigen Wandlungsprozess unterliegen. Wir schulen unsere Achtsamkeit, können eine verbesserte Körperwahrnehmung entwickeln und unsere Individualität erkennen.
Das gilt auch für den mentalen und emotionalen Bereich. So kommt es nicht selten vor, dass in einer lang gehaltenen Asana nach einiger Zeit Emotionen an die Oberfläche kommen. Einige Menschen müssen kichern, bei anderen kullern Tränen und wieder andere merken Wut in sich aufsteigen. Jeder Mensch geht mit Spannung und bewusster Ent-Spannung anders um und hat eigene Muster.
Erkennen wir die Gedanken- und Emotionsmuster, können wir die Praxis als Transformationsprozess begreifen:
- Welche emotionalen Reaktionen auf unangenehme oder herausfordernde Situationen kenne ich bereits aus anderen Situationen im Alltag?
- Wie reagiere ich, wenn etwas unbequem wird?
- Welche Gedanken tauchen dann auf?
- Und schließlich: Wo macht sich all das durch Spannung oder Verhärtung im Körper bemerkbar?
Erkennst du diese Muster, hast du die Chance, einmal anderes zu reagieren und auszuprobieren:
- Kann ich vielleicht tiefer und bewusster atmen?
- Was macht das mit meinem Körper und mit meinem Geist?
- Kann ich mein inneres Drama stoppen, indem ich nicht jeden Gedanken weiter denke?
- Kann ich entspannen, indem ich Gedanken loslasse und Emotionen ziehen lasse?
- Und kann ich dies schließlich auch im Körper spüren, indem sich hier mit der Zeit Verspannungen lösen?
Energetische Wirkung von Yin Yoga
Zudem soll beim Yin Yoga der Fluss der feinstofflichen Energie (die im Yoga „Prana” genannt wird; in der Traditionellen Chinesischen Medizin TCM „Chi”) durch die Energiekanäle (im Yoga: Nadis; in der TCM: Meridiane) optimiert und Energieblockaden gelöst werden, sodass wir energetisch wieder ins Gleichgewicht kommen.
Lese-Tipp: In diesem Artikel erfährst du mehr darüber „Wie (Yin) Yoga auf deine Meridiane wirkt”.
Yin Yoga – Vorteile in der Schwangerschaft
Während der Schwangerschaft kann die Yin-Yoga-Praxis besonders guttun, denn der Körper verändert sich immens. Bewegungen, die vor kurzem noch einfach auszuführen waren, fallen plötzlich schwer oder sind nicht mehr möglich. Auch emotional erkennt man sich an manchen Tagen kaum wieder – bei einen ist es vielleicht eine bleibende Müdigkeit, bei anderen Lethargie, Traurigkeit, emotionales Dauerhoch und vieles mehr. Bei jeder Frau macht sich die körperliche, emotionale und seelische Transformation unterschiedlich bemerkbar.
Yin Yoga kann dabei helfen, inne zu halten und zu erkennen: Wo kann ich eine Wandlung wahrnehmen und wie fühle ich mich in diesem Moment? Die Praxis kann dabei unterstützen loszulassen (Erwartungen zum Beispiel – wie man als Schwangere „zu sein hat“, was man „zu fühlen hat“ o.ä.) und zuzulassen, Neues willkommen zu heißen und Emotionen anzunehmen, ohne sich in ihnen zu verlieren. Wir können mit der Zeit einen wohlwollenden, zugewandten Blick auf den eigenen Körper entwickeln und dessen Veränderungen akzeptieren. Unser Nervensystem kann zur Ruhe kommen und Stress und Anspannung können verschwinden.
Und natürlich geht es auch um das Baby im Bauch. Während der Yin-Yoga-Praxis haben Schwangere viel Zeit und Ruhe, sich voller Achtsamkeit dem wachsenden Wesen zu widmen und in Verbindung mit ihm zutreten. Sie können erspüren, welchen unmittelbaren Einfluss ihr Verhalten (Bewegung), ihre Emotionen und die Atmung auf das Baby haben. So ermöglicht eine tiefe Atmung, länger in einer anstrengenden Asanas zu bleiben und in ihr – trotz aller Herausforderung – zu entspannen. Diese Erfahrung kannst du dir schließlich beim Geburtsvorgang zu Nutze machen, indem du erkennst, dass auch der Geburtsprozess verschiedene Phasen durchläuft. Mit einer bewussten Atmung hast du die Möglichkeit, Geburtsphasen entspannter zu überstehen. Außerdem kannst du Angst, Anspannung und Schmerz vielleicht leichter loslassen.
Wie wird’s gemacht?
Bolster, Kissen, Decken, Gürte, Blocke – bevor du loslegst, schnapp dir alle Hilfsmittel, die dir zur Verfügung stehen. Bei der Yin-Yoga-Praxis gilt, es sich in den jeweiligen Asanas zu bequem wie möglich zu machen, um sie eine längere Zeit halten zu können.
Beginne mit einer moderaten Verweildauer: Drei Minuten in einer Asana (gegebenfalls pro Seite) sind gut für den Start. Achte darauf, nicht gleich an deine Grenzen zu gehen. Gib dir und deinem Körper Zeit, um in eine Haltung einzutauchen und die eigenen Grenzen stets weiter zu erforschen und auszudehnen.
Die besten Yin-Yoga-Übungen für Schwangere
Hinweis: Besonders in der Schwangerschaft ist es wichtig, dass du die Signale deines Körpers und deiner Psyche achtsam wahrnimmst. Lass alle Erwartungen ziehen, sei sanft und liebevoll mit dir und übe genauso, wie es dir guttut. Herausfordernd darf eine Asana sein, überfordernd nicht. Fühlt sich die Haltung für dich nicht gut an, passe sie entsprechend an oder verlasse sie. Und falls du dir nicht sicher bist, kläre mit deinem Frauenarzt oder deiner Frauenärztin, ob Yin Yoga für dich geeignet ist.
1. Bananasana, die Bananen-Haltung
Wenn die auf dem Rücken liegende Position noch angenehm für dich ist, starte gern mit Bananasana. Die Übung kann dir helfen, Rücken- und Beckenschmerzen zu reduzieren.
- Dafür lege dich gerade auf den Boden und platziere den rechten Fuß auf deinem linken Knöchel.
- Wandere nun mit gestreckten Beinen weit nach links. Gleichzeitig nimmst du die Arme über den Kopf nach hinten und greifst mit der linken Hand das rechte Handgelenk.
- Mit dem Oberkörper gehst du ebenfalls weit nach links, sodass dein Körper einen schönen langen Bogen bildet und du eine angenehme Dehnung in der Seite spürst.
- Nach mindestens drei Minuten wechsele die Seite.
- Rolle dich anschließend über die Seite nach oben und komme zum Sitzen.
Solltest du nicht mehr gut auf dem Rücken liegen können, dann probiere die Seitdehnung im Sitzen:
2. Baddha Konasana, der Schmetterling
Der Schmetterling, auch „Butterfly” genannt, hat eine öffnende Wirkung auf den Hüftbereich und soll den Lendenwirbelsäulenbereich entlasten.
Setze dich auf ein (oder mehrere) Kissen und lege deine Fußsohlen gegeneinander, sodass deine Knie Richtung Boden sinken können. Unterstütze deine Beine gern mit Klötzen oder dicken Kissen. Je nachdem, wie groß dein Bauch ist, kannst du deinen Rücken runden und den Kopf Richtung Füße sinken lassen. Um deinen Kopf abzustützen, stelle gern einen Klotz plus Bolster vor deinen Füßen auf.
Du kannst Baddha Konasana auch im Liegen ausführen. Hierfür komm auf den Rücken – lege dir ein oder mehrere dicke Kissen unter und unterstütze deinen Kopf mit einer gefalteten Decke. Unter die Knie legst du dir ebenfalls Klötze oder Polster. Die Variante macht natürlich nur dann Sinn, wenn die Rückenlage (noch) angenehm für dich ist.
3. Katze-Kuh
Im Anschluss an den Schmetterling komme in den Vierfüßlerstand und praktiziere ein paar Runden Katze-Kuh. Diese Bewegungsabfolge eignet sich gut, um in der Wirbelsäule beweglicher zu werden und die Beckenbodenmuskulatur sanft zu trainieren.
- Stelle dafür die Hände unter den Schultern auf dem Boden auf und die Knie unter der Hüfte.
- Beim Einatmen lässt du den unteren Rücken hängen, ziehst die Schultern weit zurück und hebst dein Brustbein.
- Beim Ausatmen rundest du deinen Rücken, drückst die Hände gegen den Boden und kippst dein Becken so, dass dein Schambein Richtung Bauchnabel wandert. Wiederhole das einige Runden.
In diesem Video zeigt dir Irina Valentin, wie du Katze-Kuh üben kannst:
Von hier aus wandere mit deinen Händen zurück zu den Füßen und rolle dich ganz langsam Wirbel für Wirbel nach oben auf. Bleibe einen Augenblick stehen und beobachte wie es dir (und deinem Kreislauf) geht.
Soweit alles in Ordnung ist, kannst du in die nächste Asana kommen.
4. Malasana (Squat)
Achtung: Der Squat ist eine hüftöffnende Übung, die den unteren Rücken entlastet. Er ist deshalb gut für die letzten Wochen der Schwangerschaft geeignet und eine gute geburtsvorbereitende Übung. Falls du eine problematische Schwangerschaft hast, solltest du sie NICHT vorher üben. Sprich am besten mit deiner Gynäkologin oder deinem Frauenarzt ab, ob sie für dich geeignet ist.
- Stelle dich etwas mehr als hüftbreit auf deine Matte.
- Begib dich langsam in die Knie und falte im Sitzen die Hände vor deinem Herzen, so dass du einen leichten Druck gegen die Beine ausüben kannst.
- Gern kannst du die Wand als Hilfsmittel nutzen und dich mit dem Rücken an sie lehnen, oder du platzierst ein Kissen oder Klotz unter dem Gesäß und/oder unter den Fersen. Wichtig dabei: Die Übung sollte nicht wackelig sein.
Am besten bringt du anschließend die Knie zusammen und begibst dich in den Kniestand.
5. Dragon (Drache)
Der Drache dehnt vor allem die Hüftbeugemuskulatur.
- Aus dem Kniestand kannst du gut in die Sprinterposition kommen. Dafür machst du einen Ausfallschritt und setzt ein Bein weit vorne ab (Knie und Knöchel stehen dabei übereinander), wandere mit dem Fuß etwas nach außen.
- Deine Hände kannst du an der Innenseite des Fußes aufstellen.
- Sinke gern immer tiefer in die Position, bis du eine Dehnung in der gegenüberliegenden Leiste spüren kannst.
- Deine Hände kannst du gern auf Klötzen oder dicken Bolstern aufsetzen. Ist der Druck auf dem hinteren Knie zu stark, lege dir eine Decke unter.
- Nach einer Weile wechsle die Seite.
6. Schlussentspannung
Setze dich anschließend bequem auf ein dickes Kissen oder Bolster und lege dir eine warme Decke um. Deine Hände kannst du auf deinem Bauch platzieren. Schau nun wie sich dein Körper und deine Atmung anfühlen, welche Emotionen und Gedanken du wahrnehmen kannst. Verbinde dich außerdem noch einmal ganz bewusst mit deinem Baby.
Wir wünschen deinem Baby und dir eine wunderbar entspannte Schwangerschaft!
Quellen der Bilder im Innenteil: Xenia Bluhm