Länger leben mit Yoga

Von Katharina Goßmann

Kürzlich stolperte ich über einen Artikel zum Thema Langlebigkeit: „8 Gewohnheiten, die euer Leben um 20 Jahre verlängern können”. Forschende des „Ministeriums für Veteranenangelegenheiten” und der Harvard T. H. Chan School of Public Health hatten Daten von mehr als 700.000 US-Veteranen im Alter von 40 bis 90 Jahren untersucht und folgendes herausgefunden: Menschen, die sich ausreichend bewegten, gesund ernährten, mit Stress umgehen konnten, sozial gut eingebunden waren, ausreichend schliefen sowie weder stark rauchten noch Alkohol oder Opioide missbrauchten, lebten durchschnittlich gut 20 Jahre länger als die, die das nicht taten.

Diese Ergebnisse sind nicht überraschend, tragen aber eine wunderbare Botschaft in sich: Wir alle können aktiv etwas dafür tun, länger zu leben – mit einfachen, günstigen Mitteln. 

Länger leben – und dabei gesund bleiben!

Seit Jahrzehnten steigt in den meisten westlichen Ländern die Lebenserwartung. Allerdings verbringen viele Menschen den Großteil ihrer zusätzlichen Lebensjahre in einem Gesundheitszustand, der wenig Lebensqualität mit sich bringt – mit chronischen Krankheiten, eingeschränkter Mobilität, oft mit viel Schmerzen und wenig Energie. Nun ist es wenig erstrebenswert zwanzig Jahre länger zu leben, diese zusätzliche Zeit aber in einem depressiven Dämmerzustand im Altersheim zu verbringen. Das eigentliche Ziel ist also nicht nur länger zu leben, sondern dabei auch fit zu bleiben.

Der US-amerikanische Mediziner Dr. Peter Attia kritisiert in seinem Buch „Outlive. Wie wir länger und besser leben können, als wir denken”, dass die moderne Medizin immer noch primär Krankheiten behandelt, statt sie zu verhindern. Er fordert eine neue Art von Medizin, die Gesundheit vor allem präventiv denkt. Mit einem solchen Perspektivwechsel würde die westliche Medizin endlich das anerkennen, was in der Schwesterwissenschaft des Yoga, dem Ayurveda, schon lange Grundlage für ärztliche Empfehlungen ist: Der Lebenstil entscheidet maßgeblich mit über den Gesundheitszustand. Konkret bedeutet das: Durch aktive Gesundheitsfürsorge können ein Großteil aller (nicht durch Unfall oder genetische Defekte verursachten) Krankheiten verhindert, in ihrer Ausprägung gemindert oder ihr Ausbruch verzögert werden. 

Yoga im Alter

Mit Yoga, Achtsamkeit und Meditation länger leben und gesund bleiben 

Wenn wir uns die acht lebensverlängernden Faktoren ansehen, wird eines deutlich: Ein langes, gesundes Leben wird umso wahrscheinlicher, je ganzheitlicher wir Gesundheit denken. Sport und gesunde Ernährung alleine reichen nicht, auch Selbstregulierung und soziale Einbindung sowie psychisches Wohlbefinden sind essentiell. Yoga ist mit seinem ganzheitlichen Ansatz und seinen vielfältigen Techniken perfekt geeignet, dich dabei zu unterstützen gesundheitsfördernde Maßnahmen in deinen Alltag zu integrieren. 

1. In Bewegung kommen

Dr. Peter Attia nennt Sport „Das wirksamste Mittel für ein langes Leben” (s. Outlive, S. 293). Die Forschung ist sich einig, dass sich kaum eine Maßnahme so rundum positiv auf die Gesundheit auswirkt. Vor allem Herz-Kreislauf-Krankheiten, Diabetes Typ II und neurodegenerative Krankheiten (drei der häufigsten Todesursachen in modernen Gesellschaften) lassen sich sehr gut vorbeugen durch Bewegung. Auch der Effekt auf die Psyche ist immens. So wirkt regelmäßige sportliche Betätigung etwa bei Depressiven so effektiv wie ein passendes Anti-Depressivum. 

  • Die Empfehlung ist, sich mindestens 150 Minuten pro Woche zu bewegen. 15 davon solltest du richtig aus der Puste kommen.
  • Empfehlenswert sind Bewegungsarten mit einem geringen Verletzungsrisiko, vor allem im höheren Alter.
  • Die Kombination aus Sportarten, die mit Gewichten arbeiten und so den Muskelaufbau fördern, und Ausdauersportarten zum Training des Herz-Kreislauf-Sytems hat sich dabei bewährt.

Yoga eignet sich also wunderbar: Hier wird achtsam gedehnt und gestärkt, bei den Sonnengrüßen und in dynamischen Flow-Abläufen kommst du aber ganz schön ins Schwitzen. Viele Asanas, vor allem Standhaltungen und Armbalancen, arbeiten mit dem Körpergewicht – Hanteln kannst du dir sparen. Wenn du täglich ein paar Sonnengrüße und einige deiner Lieblings-Asanas übst und ansonsten regelmäßig mit dem Fahrrad zur Arbeit fährst, joggen gehst und am Wochenende einen längeren Spaziergang machst oder ein paar Runden im Freibad drehst, bist du bei minimalem Zeitaufwand bestens aufgestellt in Sachen Bewegung.


Lese-Empfehlung: Wenn du mehr wissen willst, lies unseren Artikel „Wie Yoga auf die Gesundheit wirkt”!


2. Stressregulierung mit Yoga 

Egal, wie viele Ansprüche die Welt da draußen an uns hat – Stress entsteht primär in uns. Das heißt, wie wir innerlich die Reize um uns interpretieren und bewerten, hat massiven Einfluss darauf, wie belastend wir etwas empfinden. Wenn wir etwa grundsätzlich dankbar sind für unseren Job, verkraften wir stressige Projekt-Phasen besser. Wenn wir Verantwortung für unsere Entscheidungen im Leben übernehmen, hilft das ebenfalls durch belastende Phasen („Ich habe mich bewusst für Kinder entschieden – dass hin und wieder alle drei gleichzeitig krank sind, gehört eben dazu.”) Hilfreich ist es auch, wenn wir uns nicht gegen Realitäten stemmen, die unvermeidbar sein. Wer etwa den natürlichen Alterungsprozess als Teil des Lebens annimmt, hat deutlich weniger Stress mit Falten und Co. als jemand, der mit 55 versucht wie 35 auszusehen. Kurz: Wenn du dankbar und entspannt das Leben annimmst, wie es ist, mit allen seinen Facetten, reduzierst du dein subjektiven Stressempfinden deutlich.

Trotzdem baut sich im Laufe eines durchschnittlichen Tages bei vielen Menschen ein gewisses Stresslevel auf. Bewegung (s. 1.) hilft uns, die aufgestauten Stresshormone abzubauen. Aber Yoga hat noch mehr entspannende Methoden zu bieten, die Körper und Geist beruhigen und erden: Eine zentrierende Meditation, eine ausgleichende Atemübung, Sound Healing oder Entspannungsübungen wie Yoga Nidra können am Ende eines vollen Tages Wunder wirken. 


Probier es selbst aus mit dieser Yogasequenz zum Runterkommen von Irina Alex:


3. Gut schlafen dank Bewegung und Entspannung

Und da sind wir schon beim nächsten Thema: Yoga kann dich durch die Bewegung und die stressabbauende Wirkung dabei unterstützen, ruhig und erholsam zu schlafen.

Guter Schlaf ist essentiell für die körperliche Gesundheit und eine stabile psychische Verfassung. Wer ausreichend schläft, sorgt dafür, dass der Körper Zeit für Regeneration sowie für Aufräum- und Entgiftungsaufgaben hat. Zudem haben Geist und Seele im Tiefschlaf Zeit zur Aufarbeitung von Erlebten. 

  • Je nach individueller Veranlagung solltest du sieben bis neun Stunden schlafen – ob du genug schläfst, merkst du, wenn du ohne Wecker zur passenden Zeit erholt aufwachst.
  • Gehe am besten immer zur selben Zeit schlafen – du solltest allerdings wirklich müde sein!
  • Das Zimmer sollte kühl und dunkel sein.
  • Vermeide Kaffee und Medienkonsum in den Stunden vorm Zubettgehen.

Online-Yogaprogramm: Besser Schlafen mit Yoga – YogaEasy


4. Intuitiv essen

Dass gesunde Ernährung einen wichtigen Einfluss auf unsere Gesundheit hat, wissen wir alle. Was gesunde Ernährung dagegen ist, scheint nicht ganz klar.

Dr. Peter Attia schwört auf die ketogene Ernährung – unter anderem, weil sie das Risiko von Diabetes II reduziert, der vierthäufigsten Todesursache in westlichen Zivilisationen. Hier werden sehr wenig Kohlenhydrate konsumiert, dafür aber sehr viel Fett. Da bei der ketogenen Ernährung vor allem tierische Produkte gegessen werden, und die meisten Yogi:nis Ahimsa, die Gewaltfreiheit, als essentiellen Wert empfinden, würde ich eher abraten. In vielen Studien zur Thema Langlebigkeit wird auch eher die mediterrane Ernährung mit viel Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkorn-Getreideprodukten, Olivenöl sowie einem kleinen Anteil an tierischen Produkten, vor allem Fisch, empfohlen. In vegetarischer oder veganer Variante bietet sie sich auch für überzeugte Yogi:nis an. Die Omega-3-Fettsäuren, die wichtig sind für die Herzgesundheit und primär aus dem Fisch stammen, können dann über Lein- und Walnüssöl aufgenommen werden.

Wir dagegen sind Fans der intuitiven Ernährung. Hier gibt es keine Regeln – du darfst einfach auf die Weisheit deines Körpers vertrauen. Um zu spüren, was du gerade brauchst, werde ruhige, schließ die Augen und spüre in dich hinein. Auf was habe ich gerade Appetit? Was warmes oder was kaltes? Was weiches oder was knackiges? Das kann bedeuten, dass du an dem einen Tag Lust auf eine Süßkartoffelsuppe und eine Gemüse-Smoothie hast, am anderen Tag aber auf Pizza und Vanilleeis. Iss achtsam und kaue bewussr, dann wirst du auch von der Menge her genau das essen, was dir gut tut. 

Weitere Tipps für eine gesunde Ernährung und eine gute Verdauung:

  • Iss vor allem möglichst unverarbeitete Nahrungsmittel – sie haben die größte Dichte und Vielfalt an Nährstoffen.
  • Achte auf Abwechslung. Mindestens 25 verschiedene pflanzliche Lebensmittel sollten es pro Woche sein, raten Wissenschaftler. Das fördert dann auch die Darmgesundheit.
  • Iss zu festen Zeiten mit mindestens vier Stunden Abstand zwischen den Mahlzeiten und vermeide Snacks. So kann der Körper optimal verdauen. 
  • Fasten kann Krebs verhindern, das hat der Zell- und Alternsforscher Prof. Valter Longo in verschiedenen Versuchen belegen können. Du musst aber nicht wochenlang nur Tee trinken. Intervallfasten und Scheinfasten sind viel weniger belastend für den Körper als das klassische Heilfasten und haben denselben Effekt. Fasten bringt im übrigen auch den Blutzuckerspiegel in Balance und reduziert so Gelüste auf Süßes und andere Kohlenhydrate-Bomben – und damit auch die Wahrscheinlichkeit von Diabetes II.

Tipp: Wenn du es gerade (noch) nicht schaffst, dich vollwertig zu ernähren, trinke alle paar Tage einen Green Glowing Smoothie oder mach dir einen frischen Saft mit dem Entsafter (das beste Rezept findest du in dem wunderbaren Buch „Wie neugeboren durch modernes Ayurveda” von der Neurologin Kulreet Chaudhary). Wenn du dazu noch jeden Tag einen Löffel Leinsamen oder Flohsamen aufs Essen streust, bist du bestens mit Nährstoffen versorgt und nimmst ausreichend Ballaststoffe auf.

5. In die Verbindung gehen

Einsamkeit ist eines der großen Probleme der modernen Gesellschaft. Wir sind so viel freier in unserer Lebensgestaltung, so viel mobiler, dass sich viele Institutionen, die unsere Vorfahren automatisch in Beziehung miteinander brachten  – etwa die Ehe, religiöse Gemeinschaften, Vereine –, auflösen und zerfallen. Das bedeutet, dass wir selbst für Verbindung mit unserem Umfeld sorgen müssen. 

Der Begriff „Yoga” wird von vielen Yogi:nis als „Verbindung” übersetzt. Das spüren viele Menschen, wenn sie Yoga üben – Yoga bringt sie in Verbindung mit ihrem Atem, ihrem Körper, führt sie nach innen und verbindet sie mit ihrem Herz. Yoga bringt aber auch Menschen in Kontakt miteinander: Nach zwanzig Jahren Yoga-Praxis kann ich sagen, dass meine Yoga-Gemeinschaft in allen Lebensphasen, den schönsten und den schrecklichsten, für mich ein heilsamer Ort der Selbstfürsorge, des Austauschs, der Entspannung und der Inspiration gewesen ist.

Dazu trägt auch die annehmende Haltung beim Yoga bei. Für mich war das Yoga-Studio der erste Ort, an dem mir gesagt wurde, dass ich gut so bin, wie ich bin. Dieses Mindset ist gerade in unserer Leistungsgesellschaft ein Geschenk. Es lässt sich wunderbar in den Alltag übernehmen und bereichert jede Beziehung. Denn wenn du Menschen annimmst, wie sie sind, wenn du sie nicht nach dem ersten Eindruck bewertest, sondern ihnen offen begegnest, dann wird das nicht nur deine Beziehungen verbessern, sondern dir auch neue Kontakte ermöglichen. Es gibt nichts, was Einsamkeit so effektiv bekämpft, wie ein offenes Herz und ein offenes Lächeln. 

Yoga im Alter

6. Zu dir selbst kommen mit Achtsamkeit und Meditation

Viele Menschen denken, dass der Missbrauch von Drogen, Alkoholismus oder starkes Rauchen ein Problem ist. Dabei sind diese selbstzerstörerischen Verhaltensweise nur die Symptome eines Problems. Kein glücklicher Mensch, der sich liebt und ein erfülltes Leben führt, missbraucht Drogen. 

Wir leben in einer Gesellschaft, die Menschen nach ihrem Erfolg, ihrem Aussehen, ihrem Einkommen oder Sozialstatus bewertet, im schlimmsten Fall auch nach ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrer Religion. Wir leben in einer Gesellschaft, die nicht mit Gefühlen umgehen kann, die Gesundheit nur als Grundlage von Arbeitsfähigkeit hochhält und Lebensglück scheinbar als eine Kombination aus gutem Einkommen, einem präsentablen Eigenheim und einer Vorzeigefamilie mit zwei hübschen Kindern definiert. Es ist nicht erstaunlich, dass so viele von uns nicht wissen, was sie wollen, und sich ständig ungenügend fühlen, weil ihre Gefühle nicht zu den Werten dieses Systems passen und sie selbst so gar nicht zu den herrschenden Idealvorstellungen.

Achtsamkeit und Meditation sind wunderbare Mittel, um das Außen mit seinen Normen, Zwängen und Leistungsdruck hinter sich zu lassen. Wenn du regelmäßig meditierst, kommst du in Kontakt mit deinen Gefühlen, deiner Weisheit. Wenn du achtsam immer wieder zu dir und ins Hier und Jetzt kommst, dann kannst du das fühlen, was da ist, und kannst anfangen, zu heilen, was zu heilen ist. Wenn du dich diesem Prozess hingibst, wirst du merken, dass du immer klarer spürst, wo du hinwillst in deinem Leben, wen und was du in deinem Leben haben möchtest und wen und was nicht. Wenn du beginnst deinem Herzen zu folgen und deinen authentischen Weg zu gehen, wirst du merken, wie deine Lebensfreude täglich wächst. Und dann brauchst du keine Drogen mehr, um dich zu betäuben oder abzulenken. 


Quellen: 

Katharina Goßmann
Katharina Goßmann

Katharina ist Mutter, Yogalehrerin und Psychologin. Bei YogaEasy ist sie das Herz der Redaktion und schreibt über Yoga, wahres Glück und Heilung. Ihre Artikel werden unter anderem im „Yoga Journal” und in der „Happy Way” veröffentlicht.