
Heldenhaft: Virasana und Supta Virasana
„Vira“ bedeutet Held oder Krieger. Virasana, der Heldensitz, ist für alle Feinde des kreuzbeinigen Sitzes eine echte Alternative – jedenfalls denen mit Gummi-Knien und unempfindlichem Fußspann. Es gibt sogar Menschen, die diese Position für Meditationen und Pranayama empfehlen... Für alle anderen ist Virasana eher keine VIP-Sitzhaltung. Obwohl der Heldensitz eine der neun traditionellen Sitzpositionen im Hatha Yoga ist.
Supta Virasana ist die schonungslose Erweiterung von Virasana. Supta bedeutet „liegend“. Klingt erst mal nach weniger, ist aber deutlich intensiver. Achtung: Nur wenn du in Virasana entspannt und vergnügt bist, ist das deine Option.
In beiden Haltungen feierst du deine Beine und Füße. Sie bekommen die Zuwendung, die sie verdienen. Denn sie tragen dich durch das ganze Leben. Vor allem Menschen in stehenden Berufen, motivierte Leichtathlet:innen, urbane Spaziergänger:innen und ambitionierte Bergsteiger:innen können hier die ideale Entlastung und Entspannung finden. In Supta Virasana wird zusätzlich deine Körpervorderseite aufgespannt und darf sich für neue Alltagsabenteuer öffnen.
Warnung: Wenn du sensible, verletzte oder knirschende Knie hast, solltest du diese beiden Asanas mit größter Vorsicht genießen. Möglicherweise kannst du sie dank Hilfsmittel oder Variationen trotzdem üben – es ist aber auch kein Kniebruch diese Asana auszulassen.
Warum du dich langsam in die Helden-Haltungen begeben solltest und wie Hilfsmittel dir helfen können, trotz Einschränkungen die Wirkungen dieser Asanas zu erfahren, liest du in diesem Artikel.
Wie du den Heldensitz richtig ausführst
Wir alle sind Alltagshelden und -heldinnen, wenn wir unser facettenreiches, bunt-dynamisches Leben mit all seinen Herausforderungen meistern. Und alle Helden und Heldinnen brauchen Pausen, denn ohne diese verblassen unsere heroischen Fähigkeiten. Also lass dich nieder im Heldensitz!
- Starte im Kniestand und bring deine Knie zusammen.
- Öffne deine Fersen zur Seite.
- Greife in deine Waden und rolle sie nach außen.
- Deine Scheinbeine und Fußrücken sind am Boden, die Zehen zeigen nach hinten.
- Setze dich jetzt vorsichtig mit dem Gesäß zwischen deine Fersen.
- Erde dich satt über deine Sitzbeinhöcker in der Matte.
- Die Außenseite deiner Oberschenkel berühren die Innenseiten deiner Waden.
- Greife mit deinen Händen deine Fußsohlen und rotiere deine Oberarme nach außen.
- Hebe dein Brustbein und dehne den Raum zwischen deinen Schlüsselbeinen aus.
- Bleibe für eine Minute hier – oder solange wie es dich für dich gut anfühlt. Atme tief und gleichmäßig.
- Bring deine Hände nach vorne auf den Boden, verlagere dein Gewicht nach vorne und hebe achtsam dein Gesäß.
- Strecke deine Beine lang nach vorne, komm in die Rückenlage.
Hinweis: Bloß nicht das Gesäß nach unten plumpsen lassen! Taste dich langsam an den Heldensitz heran, wenn er neu für dich ist. Setze die Hände vor dir am Boden ab und lasse das Gewicht kontrolliert sinken. Beobachte die Spannung in deinen Knien und erzwinge nichts. Kommt dein Gesäß nicht entspannt am Boden an, setze dich erhöht auf einen Block. Und, logisch: Falls du einen stechenden Schmerz fühlst, dann verlasse die Haltung sofort, kontrolliert und achtsam.
Lalleshvari Turske erklärt dir in diesem Tutorial, wie du den Heldensitz praktizierst:
Du willst mehr? So übst du die Variante Supta Virasana, den liegenden Helden
Wenn du dich im Heldensitz sauwohl fühlst, kannst du dich – langsam und ganz ohne Druck – an Supta Virasana herantasten.
- Starte in Virasana.
- Wandere mit deinen Unterarmen zurück und stütze dich ab.
- Hebe sanft dein Gesäß, ziehe dein Schambein zum unteren Rippenbogen. Damit schaffst du Länge im unteren Rücken.
- Die Knie sind am Boden und berühren sich.
- Bleibe hier und atme. Entspanne in die Dehnung deiner Oberschenkelvorderseite.
- Wenn du weitergehen möchtest, wandere mit deinen Händen noch weiter zurück und lege dich auf dem Rücken ab.
- Entspanne mit jeder Ausatmung deinen unteren Rücken in die Matte.
- Strecke die Arme entlang deines Körpers oder lege sie über dem Kopf ab, um dich noch mehr in der Körpervorderseite zu öffnen.
- Schließe die Augen. Betone die Ausatmung, um loszulassen.
- Komme erst auf die Unterarme, richte dich dann auf.
- Strecke die Beine aus, lockere sie und komm in ein kleines Savasana.
Die Wirkungen von Virasana und Supta Virasana
Am meisten profitieren deine Füße und Beine. Die gute Nachricht: Den belebenden, mobilisierenden Effekt spürst du sofort. Bei ernsthaften Beschwerden brauchst du mehr Geduld und vor allem Disziplin, um dich immer wieder auf die Matte zu legen. Aber mit dem Lichtblick einer Linderung ist das die Mühe wert.
Du siehst an den Wirkungen, dass allein der Heldensitz ein wahrer Edelstein ist. Das einzige echte Plus bei Supta Virasana ist die liegende Haltung selbst. Sie hilft uns beim Abhängen und Ruhe finden. Wie gesagt: Wenn Supta Virasana für deinen Körper nicht passt, kannst du den Bäm-Effekt einer Rückbeuge auch in anderen Haltungen genießen.
Physische Wirkungen von Virasana und Supta Virasana
- Mobilisiert deine Fuß-, Knie- und Hüftgelenke
- Frischekick: Verbessert die Durchblutung deiner Beine und Füße
- Dehnt die Vorderseite deiner Oberschenkel
- Streckt sanft deine Brustwirbelsäule und vertieft deine Atmung
- Lindert Gicht und rheumatische Schmerzen in den Knien
- Beugt aufgrund der Streckung der Fußgelenke und Füße Plattfüßen vor
- Erleichtert Schmerzen in den Fersen, etwa bei einem Fersensporn
- Lindert Steißbeinprobleme und Menstruationsbeschwerden
- Regt deine Verdauung an und wirkt gegen Völlegefühl im Magen
- Supta Virasana intensiviert die Dehnung in der Oberschenkelvorderseite und stimuliert zusätzlich deine Hüftbeuger. Auch das Strecken deiner Brustwirbelsäule wird verstärkt, sodass eine deutliche Rückbeuge entsteht.
Psychische Wirkungen
- Wake-Up-Call gegen Müdigkeit
- Stärkt deinen Mut und schenkt dir neue Kraft
- Entspannt deinen Geist für zukünftige Abenteuer des Lebens
- Lehrt Geduld und Ausdauer
- Das Liegen in Supta Virasana hilft dir optimal dich über die Atmung in die Haltung zu entspannen und Ruhe zu finden. Zugegebenermaßen nicht sofort. Du lernst, dass dich die Erde trägt und hält. Lass dir Zeit.
Energetische Wirkungen von Virasana und Supta Virasana
- Beide Asanas harmonisieren das Muladhara Chakra (Wurzelchakra) und das Svadhisthana Chakra (Sakralchakra)
- In Supta Virasana wird zusätzlich durch die Streckung der Brustwirbelsäule dein Anahata Chakra (Herzchakra) aktiviert.
Innenrotation im Heldensitz: Körperliche Grenzenlosigkeit ist eine Illusion
Während externe Rotationen in der Hüfte die Popstars im Yoga sind, werden interne Rotationen in der Yoga-Praxis oftmals eher wie „Nobodys“ behandelt.
Der Heldensitz setzt eine ordentliche Portion interne Rotation in deiner Hüfte voraus. Denn in dieser Asana sind deine Füße fixiert. Du kannst sie nicht bewegen. Deine Hüfte gibt den Bewegungsspielraum für eine Innenrotation vor. Jetzt stell dir vor, du setzt dich mit deinem vollen Körpergewicht zwischen die Fersen. Deine Hüfte hat aber gar nicht die Beweglichkeit, die es für den Heldensitz braucht. Noch schlimmer: Du lässt dich unkontrolliert fallen. Alles schon gesehen und innerlich den Job als Yogalehrerin gekündigt. Zu spät. Deine Füße würden jetzt gerne davonlaufen, können sie aber nicht. Deine Knie können nur schockiert dabei zusehen. Vor allem die Innenseiten deiner Knie sind dabei furchtbar nachtragend. Zur Erinnerung: Dein Kniegelenk ist ein Scharniergelenk und kann wirklich nur minimal ausweichen. Das Ergebnis in jedem Fall: die perfekte Knie-Katastrophe. Autsch.
Es ist also entscheidend, wie gelenkig (knöchern) und flexibel (muskulär) du in deiner Hüfte bist, um dich tiefenentspannt zwischen deine Fersen zu setzen. Insbesondere in der Hüfte kann es ein harter Knochenstopp sein, der dich hier begrenzt. Deswegen empfehle ich, den Heldensitz sehr langsam und mit unfassbar gespitzter Wahrnehmung zu praktizieren. Achte bitte verstärkt auf stechende Spannungen in Hüfte und Knie. Egal, ob es knistert, ächzt, knirscht, ziept, knautscht oder rattert – geh auf keinen Fall weiter!
Und: Auch wenn du nichts spürst, aber nicht weiterkommst, geh niemals über diese Grenze hinaus. Denn das ist ein Zeichen dafür, dass die Knochen sich knutschen. Respektiere die Signale deines Körpers!
Das Prinzip des erhöhten Sitzens
Dieses goldene Prinzip hilft oft weiter. Denn erhöhtes Sitzen ändert die Orientierung deines Hüftgelenkes. In diesem Fall hilft es uns, das Ausmaß der notwendigen Innenrotation zu reduzieren. Wenn du also zur Gruppe der Yogi:nis gehörst, deren Körper weniger Innenrotation erlaubt, dann setz dich mit deinem Gesäß auf einen Block, ein Kissen oder eine gefaltete Decke. Und bau dir so die perfekte Höhe, um die Haltung an deine Möglichkeiten anzupassen. Zusätzlich nimmt der erhöhte Sitz die Dehnung aus deiner Oberschenkelvorderseite (nur bei Virasana natürlich).
Zeit für ein Mantra: Yoga passt sich an deinen Körper an, nicht umgekehrt.
Kontraindikationen: Wann ist Vorsicht geboten
- Bei Knieproblemen und -verletzungen aller Art
- Bei Bänderverletzungen des Knies oder Fußgelenkes
- Bei Ischiasschmerzen
- Bei Bandscheibenvorfällen und allgemein Rückenverletzungen
- Bei Herzproblemen
Variationen und Hilfsmittel für Virasana
Es gibt also anatomische Einschränkungen und Fuß- und Knieverletzungen, die den Heldensitz unmöglich machen. Alle anderen können aber mit Hilfe der folgenden Variationen und Unterstützung aus dem Hilfsmittel-Himmel die Bequemlichkeit des Heldensitzes deutlich erhöhen.
Erhöhtes Sitzen: Setze dich eine oder zwei Stufen höher, indem du einen Block oder Meditationskissen zwischen die Fersen legst.
Sitzen auf den Fersen: Verzichte ganz auf die Innenrotation, bringe die Fersen direkt unter dein Gesäß und komme so in den Diamantsitz Vajrasana. Zusätzlich kannst du hier ein Bolster oder eine Decke zwischen Gesäß und Fersen legen.
Spezieller Knie-Support: Erlaube dir die Knie zur Seite zu öffnen. Um spezifische Spannungen in der Patella zu lindern, kannst du ein gefaltetes kleines Handtuch in die Kniekehlen legen.
Weniger Druck auf den Füßen: Kommt es zur Kompression im Fußgelenk hinten oder zur extremen Spannung im Fußrücken, kannst du gerollte Handtücher unter deine Fußgelenke legen.
Du kannst auch verschiedene Varianten miteinander kombinieren und dich an einer Vielzahl von Hilsmitteln bedienen. Löst du dich von dem Gedanken, dass ein Alignment für alle Körper funktionieren muss, bist du in der Lage, mit den Haltungen zu spielen und sie für deine Bedürfnisse anzupassen.
Meine Lieblings-Variante für Meditation und Pranayama
- Setze dich rittlings auf ein Bolster.
- Lasse die Knie so weit auseinanderfließen, wie es für dich angenehm ist.
- Um leichten Druckschmerz in den Fußrücken zu lindern, setz dich auf eine gefaltete Decke. Spätestens nach zehn Minuten wirst du dankbar dafür sein.
- Um deine Schultern zu entspannen und um deine Arme richtig aus den Schultern fließen zu lassen, kannst du dann noch ein Kissen (oder eine andere Erhöhung) vor dir auf das Bolster setzen und darauf deine Hände entspannt ablegen.
Das Wichtigste ist, dass du dich nicht von deinem Ego leiten lässt. Ich fühle mich pudelwohl auf meinem Thron. Erst dieser Sitz hat mir das Tor zur Stille geöffnet. Jede kreuzbeinige Variante hat zu nichts als Radau in meinem Körper geführt.
Variationen und Hilfsmittel in Supta Virasana
Alles, was du dir im Heldensitz erarbeitet hast, kann die Ausgangsposition für die liegende Variante sein. Hier geht es „nur“ noch darum, den Rumpf nach hinten abzulegen oder zu neigen.
Schiefe Ebene mit Bolster: Du bist weit davon entfernt dich unten abzulegen? Kein Problem, lege dich auf ein Bolster (längs). Zusätzlich kannst du unter das obere Ende einen Block legen, damit dein Kopf höher liegt als dein Herz und die Rückbeuge entschärft wird. Dadurch wird auch die Stimulation in deinen Quads verringert.
„Halbes” Supta Virasana: Wenn du auf dem Weg in Supta Virasana merkst, dass deine Knie es dir nicht erlauben, dich ganz abzulegen, kannst du dich auf halbem Wege auch auf deinen Unterarmen abstützen. Dabei darfst du den Kopf in Verlängerung der Wirbelsäule halten oder ihn sanft nach unten neigen – wie es sich für dich am besten anfühlst. Vielleicht willst du auch mit den Händen deine Füße greifen. Achte nur darauf, dass sich dein unterer Rücken gut anfühlt und nicht gestaucht wird.
Intensive Rückbeuge: Nutze einen Block längs zwischen den Schulterblättern, um eine herrliche Herzöffnung zu spüren.
Supta Ardha Virasana: Die einbeinige Variante kann ein perfekter Einstieg sein. Ein Bein ist gestreckt, das andere Bein gebeugt. Entweder liegt die Ferse neben dem Gesäß oder unter dem Gesäß. Liegt die Ferse unter dem Gesäß, setzt du dich mit der anderen Gesäßhälfte auf einen Block. Auch hier ist unterstütztes Abhängen in der Rückenlage erlaubt.
Armvariation: Breite die Arme zur Seite aus oder strecke sie über deinen Kopf, um die Dehnung in der Oberkörpervorderseite zu verstärken. Eventuell führt deine erhöhte Lage dazu, dass die Arme im luftleeren Raum baumeln. Ist das unangenehm, nutze Blöcke oder Kissen, um die Arme abzulegen.
Seitneigung im Rumpf: Laufe mit den Armen über dem Kopf zu einer Seite, um eine sanfte Stimulation in deiner Flanke zu erreichen.
Du bist ein Held oder eine Heldin! Behalte dir die Offenheit im Geist, um immer wieder Neues auszuprobieren, mit den Veränderungen zu spielen und dich nicht gegen sie zu stellen. Asanas sind dazu da, um an ihnen zu wachsen, nicht um sie zu erfüllen. Namasté.