Element Erde – Vertrauen, Sicherheit, Stabilität

Von Anna Rech

„Die Erde will ich besingen, die Allmutter, die fest begründete, die älteste aller Wesen.
Sie nährt alle Geschöpfe, alle, die auf der göttlichen Erde gehen,
alle, die in den Meeren sich regen und alle, die fliegen.
Von ihrer Fülle leben sie alle. [...]
Sei gegrüßt, Mutter Erde, Gattin des gestirnten Himmels.
Spende gütig zum Lohn für mein Lied herzerfreuende Nahrung. [...]“

Homerische Hymnen: An Allmutter Erde (7. – 5. Jhd. v. Chr.)

Das Element Erde wird in vielen religiösen und spirituellen Traditionen verehrt. Traditionell wird die Erde als „weibliche” Kraft verstanden (während der Himmel häufig mit „männlicher” Energie assoziiert wird). Die Perspektive auf die Erde als Mutter – im Sinne von Quelle für Nahrung und Geborgenheit – macht sie auch zum Sinnbild für unseren Ursprung, unsere Wurzeln, unsere familiäre Vergangenheit, die Geschichte unserer Ahnen. Die Erde hat aber auch noch andere symbolische Dimensionen: Als „Boden der Tatsachen” und energetische Kraft, die vor allem mit Stabilität assoziiert wird und als Inbegriff von Grundlage, Fundament und Basis gilt, ist sie eine natürliche und wohltuende Limitierung, die uns Sicherheit und Standfestigkeit verleihen kann.

Muladhara Chakra: Wurzel und Fundament

Element Erde – Stabilität und Vertrauen

Die Energie der Erde lädt uns dazu ein, uns auf allen Ebenen zu stabilisieren und dem Leben zu vertrauen. In der yogischen Chakra-Lehre wird unser erstes Energiezentrum dem Erdelement zugeordnet. Im Sanskrit, der heiligen Sprache der Hindus, wird das erste Energiezentrum Muladhara Chakra genannt und durch einen rubinroten vierblättrigen Lotus symbolisiert, der in seiner Mitte ein gelbes Quadrat enthält. „Mula“ bedeutet Wurzel und „adhara“ Fundament oder auch Unterstützung. Körperlich gesehen befindet sich das erste Chakra am untersten Ende der Wirbelsäule, zwischen Scham- und Steißbein, kurz über dem Beckenboden.

Das deshalb auch als Wurzelchakra bekannte Energiezentrum ist Symbol für existenzielle Themen wie Urvertrauen, Sicherheit, Selbstwert. Zudem steht es für unsere Schöpferkraft, die auch als Kundalini-Energie bezeichnet wird.

In der tantrischen Schöpfungsgeschichte der Welt steht am Anfang das reine Bewusstsein, Shiva. Durch Shivas Wunsch nach Erfahrung wird Shakti, die Schöpferenergie, entwickelt. Im Manifestationsprozess bilden sich um das reine Bewusstsein verschiedene Hüllen der Verschleierung, die es vergessen lassen, wer es in Wahrheit ist. So rollt sich Shiva, metaphorisch in Form einer Schlange, an der Basis der Wirbelsäule, auf Höhe des ersten Chakras, zusammen und schläft. 

Mit Atem-, Bewegungs- und Meditationstechniken, aber auch durch Reflexion, Entspannung und Affirmationen (mehr dazu unten) können wir uns von den Schleiern, die unser reines Bewusstsein verdecken, befreien, uns in Mutter Erde verankern und so für die geistig-spirituelle Dimension öffnen. Wir erinnern uns, was wir wirklich sind: Pure Schöpferenergie.


Tantra-Yoga Shakti Awakening mit Sandra von Zabiensky


Das Element Erde in Ayurveda und TCM

Das Element Erde spielt sowohl im Ayurveda als auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) eine wichtige Rolle. Die Grundlagen der beiden Gesundheitssysteme existieren seit Tausenden von Jahren. Sie basieren auf den Beobachtungen von Naturgesetzen, die sich auf den Menschen übertragen lassen.

Unsere Umwelt wird in der TCM den sogenannten fünf Elementen – Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser – zugeordnet und findet sich auch in unserem Körper wieder. Der Halt in unserem Leben und physisch gesehen die Stabilität von Gefäßwänden und Bindegewebe und die richtige Position unserer Organe Milz und Magen sind Ausdruck der Erde. Die Erde wird dabei mit Ernte, vollen Scheunen, gemütlicher Trägheit und Süße im Spätsommer assoziiert. In dieser Jahreszeit lassen sich die Früchte unserer Arbeit (beziehungsweise Entwicklung) ernten und erhalten Substanz und Solidität. Es ist eine runde, harmonische und ausgleichende Energie, die uns auf die stärker nach innen gehende Stimmung (von Herbst und Winter) vorbereitet.

In der ayurvedischen Lehre vom Leben setzen sich die fünf Elemente aus Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther zusammen. Die Stabilität und Festigkeit von Muskeln und Knochen, aber auch die von Haaren und Nägeln, wird dem Erdelement – dem sogenannten Kapha Dosha – zugeordnet. Das Kapha Dosha besteht allerdings nicht nur aus Erde, sondern auch in Teilen aus Wasser. In Hinsicht auf die Jahreszeiten ist die typische Kapha-Periode im Frühling.

Was den beiden Gesundheitslehren gemeinsam ist, sind folgende allgemeine Eigenschaften der Erde: Süß, schwer, beständig, weich.

Die besten erdenden Übungen

Erdung, Entspannung und Entschleunigung sind Qualitäten, die in unserer schnelllebigen Zeit ausgesprochen wohltuend auf uns alle wirken. Zur Inspiration für deine Yoga-Praxis habe ich deshalb ein paar Tools zusammengefasst.

Drei Asanas für Erdung und Stabilität

1. Balasana, das Kind

In Balasana verbindest du dich mit der Erde, indem du die Haltung eines Babys im Mutterbauch einnimmst und dich in tiefem Vertrauen und völliger Entspannung auf die Erde legst:

Erdende Haltung Balasana (Kindhaltung) – Tutorial mit Annika Isterling
2. Malasana, die Hocke

In der tiefen Hocke, im Yoga auch Squat genannt, übst du eine stabile, starke Basis aufzubauen – Beine, Core und Rücken werden hier trainiert –, während du dich gleichzeitig vertrauensvoll öffnest.

Erdende Asana Malasana (Yogi Squat) – Nicole Bongartz

3. Virabhadrasana I, Krieger I

Diese Standhaltung stärkt deine Beine und deinen Core und damit dein Fundament:

Krieger 1 Tutorial – Annika Isterling

Yoga-Sequenz für das Element Erde

Diese Sequenz von Joachim Koch baut Stärke und Stabilität auf:

Erdende Atemübung

Diese beruhigende Atemübung, Sama Vritti Pranayama, lässt dich Beständigkeit erfahren:

Erdende Atemübung mit Anna Rech

Erdende Affirmationen

Wenn du die Qualitäten des Elements Erde in dir fördern möchtest, kannst du diese Affirmationen wiederholen. Besonders kraftvoll wirken sie, wenn du sie als Mantra während der Meditation nutzt. Oder du kannst sie als Motto in deinen Alltag mitnehmen.

  • „Ich fühle mich sicher und geborgen.“
  • „Ich bin pure Schöpferkraft.“
  • „Mutter Erde nährt und trägt mich.“

Reflektionsfrage zum Element Erde

Und zu guter Letzt gebe ich dir noch eine Reflektionsfrage mit, die dir helfen kann, die Kraft der Erde in deinem Leben zu erkunden:

Was bildet das Fundament meines Lebens?


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Anna Rech
Anna Rech

Anna Rech liebt es, Yoga zu unterrichten und zu praktizieren. Die Anusara®-Lehrerin unterrichtet Yoga seit vielen Jahren in ihrer Heimatstadt Hamburg sowie europaweit und bietet Personal Yoga, Workshops und Retreats an.