Was sind die 5 Niyamas?

Von Katharina Maurer

Die Yamas und Niyamas – diese Begriffe sind dir bestimmt schon mal in einer Yogastunde begegnet. Die Yamas und Niyamas sind moralisch-ethische Empfehlungen, wie wir Yogis unser Leben leben sollten und wie wir unser Verhalten bewusst gestalten können. Sie bauen aufeinander auf, greifen aber auch ineinander.

Der Weise Patanjali verfasste seinerzeit – also etwa 400 v. Chr. – das Yogasutra, was heute eines der Standard-Werke im Yoga ist. Das Sanskrit-Wort „Sutra” kann als „Leitfaden” übersetzt werden und ist „eine Anleitung für eine sichere und glückliche Reise durchs Leben” (Birgit Feliz Carrasco, „Patanjalis 10 Gebote der Lebensfreude”).

In seinem Werk beschreibt Patanjali die acht Stufen des Yoga-Pfads – ein Weg zur Erleuchtung. Diese acht Stufen sind:

  1. Yamas – Umgang mit deiner Umwelt
  2. Niyamas – Umgang mit dir selbst
  3. Asana – Yoga-Übungen
  4. Pranayama – Atemübungen
  5. Pratyahara – Rückzug der Sinne
  6. Dharana – Konzentration
  7. Dhyana – Meditation
  8. Samadhi – Erleuchtung

Auch wenn diese Begriffe in aller Munde sind, viele wissen nichts damit anzufangen. Die Yamas sind vielleicht noch ein bisschen bekannter als die Niyamas. Darum erfährst du in diesem Artikel alles, was du über die fünf Niyamas wissen musst.


Yogaphilosophie-Fortbildung: Yogasutra von Patanjali


Was macht die Niyamas im Vergleich zu den Yamas aus?

Während die Yamas den Umgang mit deiner Umwelt beschreiben beziehungsweise eher allgemeingültige Verhaltensregeln sind, geben die Niyamas eine Empfehlung für den Umgang mit dir selbst. Die Niyamas sind die zweite Stufe von Patanjalis achtgliedrigem Pfad und beinhalten fünf Aspekte.

  1. Saucha – Reinheit
  2. Santosha – Zufriedenheit
  3. Tapas – Stetiges Bemühen, Eifer
  4. Svadhyaya – Selbstreflexion, Erforschung des Selbst
  5. Ishvara Pranidana – Hingabe zu Gott, Vertrauen in eine höhere Kraft

„Die Niyamas sind die fundamentalen Praktiken, die ein auf Liebe gegründetes Leben stützen und aufrechterhalten. Sie tragen die Veränderung”

(Der Pfad des Yoga, Rolf Gates, Katrina Kenison)

1. Saucha – Reinheit

Körperliche Reinheit ist wichtig. Dazu zählt natürlich die äußere Sauberkeit, aber auch die innere. Es geht bei Saucha auch darum, alte Hüllen abzustreifen, sich frei zu machen und sich auf den Sinn unseres Daseins zu fokussieren.

Äußerliche Reinheit

Unser Körper ist das Zuhause unseres seelisch-geistigen Wesens. Er ist das Vehikel, mit dem wir unsere Überzeugungen und Glaubensvorstellungen ausleben. Darum ist die Pflege deines Körpers spirituelle Pflicht. Im Yoga gibt es die sechs Kriyas, yogische Reinigungsmethoden für den Körper und die Energiekanäle, die Nadis. Sie eignen sich für die Saucha-Praxis.

Innerliche Reinheit

Asana und Pranayama, gute Ernährung und gute Gedanken, aber auch die Reinheit unserer Entscheidungen. Die innere Reinheit ist durch Asana und Pranayama erreichbar. Das Üben der Asana „belebt den Körper und entfernt die Gifte und Unreinheiten, die durch zu starke Selbstverwöhnung entstanden ist.” (B.K.S. Iyengar, Licht auf Yoga). „Pranayama säubert die Lungen, führt dem Blut Sauerstoff zu und reinigt die Nerven.” (B.K.S. Iyengar, Licht auf Yoga). Außerdem kannst du mit deiner Yoga-Praxis auch eine mentale Reinigung herbeiführen. Gefühle wie Hass, Leidenschaft, Zorn, Lust, Gier, Täuschungen und Stolz können abgelegt werden. Auch auf intellektueller Ebene findet eine Reinigung von störenden Gedanken statt. Diese Reinigung sorgt dann für Freude und Wohlwollen und vertreibt Niedergeschlagenheit, Sorgen und Verzweiflung.

Ein weiterer Punkt, der mit Reinheit gemeint ist, ist auch die Reinheit der Nahrung, die du dir zuführst. Du solltest Nahrung zu dir nehmen, die Gesundheit, Kraft und Energie schenkt, kurz: Sie sollte „sattvig” sein. In der Yoga-Philosophie wird Nahrung in ihren Auswirkungen auf den Geist unterteilt. Dazu gibt es die Kategorien sattvig, rajasig, tamasig. Rajasige und tamasige Nahrung sind auf Dauer hinderlich, um tief in die Yoga- und auch Meditationspraxis einzutauchen. „Der Charakter wird durch die Art der Nahrung, die wir zu uns nehmen, und durch die Weise, wie wir essen, geformt.” (B.K.S. Iyengar, Licht auf Yoga)


In diesem Video übt Nicole Bongartz eine Detox-Sequenz mit dir, die den Körper zur Selbstreinigung anregt:


2. Santosha – Zufriedenheit

„Aus der Zufriedenheit erwächst höchstes Glück” schreibt Patanjali im Yogasutra. Es geht um Zufriedenheit mit dem, was wir haben, und die Wertschätzung unseres Lebens in allen Aspekten. Sich selbst anzunehmen. Den Krieg mit der Realität beizulegen und Zufriedenheit im Innen zu finden. In einer Welt, in der wir oft nicht genügen, kann das eine große Herausforderung sein. Santosha bietet dir also eine Alternative, dich durch die Welt zu bewegen.

Laut B.K.S. Iyengar muss Zufriedenheit gepflegt werden, da man sich sonst nicht konzentrieren kann. Im Idealzustand mangelt es Yogi:nis an nichts, daher sind sie von Natur aus zufrieden.


In diesem Video kannst du mit Christiane Wolff auf eine Entspannungsreise für mehr Dankbarkeit gehen:


3. Tapas – Streben, Eifer

Tapas ist ein Aspekt der Niyamas, der vermeintlich mit der Idee des Yoga kollidiert, das Ego beiseite zu lassen und die Dinge so anzunehmen, wie sie sind. B.K.S. Iyengar beschreibt es als ein „brennendes Verlangen, unter allen Umständen ein festgesetztes Ziel in Leben zu erreichen” und das „bewusste Bemühen, die höchste Vereinigung mit dem Göttlichen zu erreichen und alle Begierden zu verbrennen, die diesem Ziel entgegen stehen”. Es ist die Sehnsucht, mehr zu wissen. „Ist das Erzeugen von innerer Schwungkraft, um der Schwungkraft von Karma zu begegnen.” (Der Pfad des Yoga, Rolf Gates, Katrina Kenison)

Tapas kann sich auf drei Bereiche beziehen. Den Körper, die Worte oder die Gedanken.

Tapas in Bezug auf den Körper

Auf den Körper bezogen, bedeutet Tapas Enthaltsamkeit und Gewaltlosigkeit – also zwei der Yamas.

Tapas in Bezug auf die Worte

Auf die Rede bezogen, gilt es einen achtsamen Umgang mit deinen Worten zu pflegen. Es geht darum, keine beleidigenden Worte zu nutzen und nicht schlecht über andere zu reden, dafür aber die Wahrheit zu sprechen und „Gott zu preisen”.

Tapas in Bezug auf das Denken

Das Tapas des Denkens umfasst eine geistige Haltung zu entwickeln, in der man ruhig und ausgeglichen in der Freude wie auch im Leid bleibt und sich in Selbstbeherrschung übt. Tapas ist aber auch frei von selbstsüchtigen Motiven und giert nicht nach Belohnung.

Durch das Praktizieren von Tapas kannst du also Stärke auf allen Ebenen erreichen. Du wirst mutig, weise und ehrlich. Es geht darum, sich bewusst zu werden, was man wirklich im Leben braucht und darum, auf das Überflüssige zu verzichten. Das beinhaltet auch das Verlangen nach Überfluss.


Hier erklärt dir Anna Trökes, wie du durch Loslassen frei wirst: 


4. Svadhyaya – Selbststudium, Erforschung des eigenen Selbst und Studium spiritueller Schriften

Durch Svadhyaya lernst du deine Seele zu verstehen. Das umfasst auch, Yoga nicht als Religion zu nutzen und all das Wissen aufzusagen und zu rezitieren, sondern eher ein wissenschaftliches Erforschen des eigenen Glaubens, der tief in dir wohnt.

„Durch das Studium heiliger Schriften entsteht eine Verbindung mir der göttlichen Macht, die unser Herz erwählt hat.”

Patanjali, Yogasutra

Yoga ist eine Praxis der Selbst-Bewusstheit. Diese Selbst-Erforschung findet im Geiste aber auch in der Asana-Praxis statt, weil sie den Dialog zwischen Körper und Geist erleichtert. Svadhyaya ist vielleicht nie wichtiger gewesen als heute, wo wir mit ständig neuen Begehrlichkeiten bombardiert werden und uns permanent suggeriert wird, dass wir noch nicht alles hätten, was wir zum wahren Glück bräuchten. Untersuche, wie viel Wahrhaftigkeit dich umgibt. In deinen Freundschaften, der Familie, an deinem Arbeitsplatz. Überprüfe, wie viel Wahrheit dich umgibt und welche Reaktionen du auf deine Wahrheit erhältst.


Verbinde dich mit dir selbst – in dieser Meditation mit Annika Isterling:

[[yogavideo https://www.yogaeasy.de/videos/meditation-verbundenheit-zu-dir-selbst]


5. Ishvara Pranidana – Hingabe an Gott, Gottergebenheit

Mit der Hingabe an Gott können wir die höchsten spirituellen Stufen erreichen, die für uns eingeräumt sind. Damit ist gemeint, dass dieser Pfad nicht für jeden Menschen zu 100 Prozent geeignet ist, aber dass jeder auf seine Weise zum Höchsten gelangen kann.

Ishvara Pranidana ist die Hingabe aller Handlungen und Willensregungen an Gott, das Universum, das Höchste. „Wenn man keine Begierde mehr nach persönlicher Befriedigung hat, dann sollte das Denkorgan mit Gedanken an den Herrn erfüllt werden.” (B.K.S. Iyengar, Licht auf Yoga). Die Schwierigkeit besteht natürlich darin, Bhakti zu praktizieren, während man sich von Begierden löst. Wenn Gefühle, wie ICH und MEIN noch mitschwingen und die Fülle überschatten, ist die „Anstrengung des Sadhaka, Frieden zu finden, vergeblich”. (B.K.S. Iyengar, Licht auf Yoga)


Übe Kraft und Hingabe mit diesem fordernden Anusara-Flow von Anna Rech:


Die Niyamas für jeden Tag

Es mag auf den ersten Blick schwierig erscheinen, die Niyamas umzusetzen und sie zum Teil des eigenen Lebens werden zu lassen. Der Weg dahin ist mit Sicherheit auch ein Prozess, der sich nicht von einem auf den nächsten Tag einstellt. Manche Aspekte gehen dir vielleicht leichter von der Hand, andere vertagst du vielleicht noch etwas.

Als kleine Ermutigung kannst dir darüber bewusst werden, dass jeder Aspekt deines Tages die Möglichkeit beinhaltet, eine der Niyama-Disziplinen zu praktizieren – ganz weltlich und gar nicht so hoch philosophisch:

Morgens: Saucha, Reinlichkeit.
Bei der Arbeit: Svadhyaya, das Selbststudium, und eifriges Bemühen, Tapas. Vielleicht sogar auch Santosha, die Zufriedenheit.
Abends: Beende deinen Tag mit Hingabe (Ishvara Pranidana) und Zufriedenheit (Santosha).
Durchgehend: Svadhyaya, den Wunsch die Wahrheit über sich selbst in Erfahrung zu bringen.

Katharina Maurer
Katharina Maurer

Katharina Maurer ist Yogalehrerin und Videojournalistin. Viel unterwegs, schnell von Begriff und tüchtig in der Umsetzung ist Katharina Maurer aber auch gerne: still, konzentriert und einfühlsam. Geboren 1981 in Böblingen besuchte sie die Waldorfschule in Münster und später die Medienakademie in Hamburg. Sie kann also mit der Kamera umgehen, TV-Beiträge realisieren, Yoga unterrichten und... ihren Namen tanzen.

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