
Alignment: Die Grundlagen der Ausrichtung im Yoga
Das Ego hat in der Yoga-Praxis nichts verloren – das ist für uns Yogi:nis nicht neu. Trotzdem wirst du die Situation kennen: Oft versuchen Praktizierende Haltungen einzunehmen, zu denen ihr Körper (noch) nicht bereit ist. Oder sie eifern einer äußeren Form hinterher, ohne darauf achtzugeben, was im Inneren des Körpers passiert.
Für eine gesunde Ausrichtung (engl. Alignment) in Yoga-Asanas ist die Schulung des eigenen Bewusstseins für den Körper ebenso wichtig wie ein Basiswissen über das richtige Alignment aus anatomischer Sicht. Es geht nicht nur darum, die Füße am richtigen Ort auf der Matte zu platzieren. Oft macht es einen enormen Unterschied, welche Muskeln du etwa aktivierst und welche du dadurch wiederum entspannen kannst. Entscheidend ist es auch, die beteiligten Gelenke so schonend auszurichten, dass nicht noch weitere Gelenke übermäßig belastet werden. Und es geht um die innere Haltung zu dir selbst. Je genauer du dich mit deiner Ausrichtung beschäftigst, desto genauer kannst du dein Yoga und die Wirkung der Yoga-Übungen auf dich erforschen.
Es geht nicht um die äußere Form
Barbra Noh ist nicht nur Anusara-Yogalehrerin und Autorin („Yoga - Mit Kraft und Anmut leben“), sie ist auch unsere YogaEasy-Expertin für Ausrichtung. So hat sie für die YogaEasy-Academy den On-Demand-Kurs „Anusara Alignment – präzise Ausrichtung von Kopf bis Fuß“ entwickelt, bestehend aus den drei Modulen „Knie & Füße“, „Hüfte & Psoas“ und „Schultern & Nacken“.
In diesem Artikel erklärt dir Barbra die fünf Universellen Ausrichtungsprinzipien (UPA) des Anusara Yoga und teilt ihre hilfreichsten Tipps zum Alignment.
Besonders wichtig ist Barbra Noh, dass es beim Alignment nicht darum geht, sich in eine festgelegte äußere Form zu zwingen:
„DAS richtige Alignment gibt es nicht. Was du aber finden kannst, ist die richtige Ausrichtung für DEINEN individuellen Körper. Das liebe ich am Alignment im Anusara Yoga: Es basiert auf biomechanischen Prinzipien, die für alle anwendbar sind und dir helfen, deinen Körper zu verstehen. Du entdeckst, welche Handlungen und Prinzipien dir gut tun und für dich wichtig sind. Du erfährst, was das richtige Maß ist, um dich kraftvoll und frei zu fühlen. Wenn wir uns nach biomechanischen Prinzipien ausrichten, geht es nicht darum, die Asana „richtig“ auszuführen oder uns in eine perfekte Form zu zwingen, unabhängig davon, wie sie sich anfühlt. Für mich geht es beim Alignment darum, das bestmögliche Gefühl im Körper zu erzeugen. Durch präzise Ausrichtung lernst du deinen Körper besser kennen und verstehen. Die Arbeit in den Asanas gibt uns den Rahmen, um unsere Fähigkeit zu verfeinern, Biomechanik anzuwenden, um die Yoga-Praxis gesund für unsere Gelenke und unser Weichgewebe zu gestalten.“
Grundtypen von körperlichen Konstitutionen
Nadezhda Georgieva unterteilt in ihrem Buch „Hands on Yoga” die körperlichen Tendenzen von Menschen in drei Grundtypen. Diese Grundtendenzen gilt es in der Asana-Praxis auszugleichen.
- Der Krafttyp – diesem Typ liegt eine kraftvolle und anstrengende Asana-Praxis. In der Regel mangelt es ihm aber an Flexibilität. Daher empfiehlt es sich, dehnende Asanas zu üben.
- Der flexible Typ – diesem Typ fallen Rückbeugen, tiefe Vorbeugen, vielleicht sogar ein Spagat leicht. Die beweglichen Yogi:nis benötigen daher eher eine Praxis, die für viel Kraft sorgt. Darüber hinaus sollten sie ihre Mitte stärken.
- Der vorgebeugte Typ – Yogi:nis, die ihre Schultern eher nach vorn sinken lassen und so auch zu Schmerzen im unteren Rücken neigen, sollten an der Öffnung der vorderen Körperseite arbeiten.
Je achtsamer du deine Praxis angehst, desto eher spürst du auch die kleinen und feinen Stellschrauben, an denen du drehen kannst, um dich in einer Asana gut ein- beziehungsweise auszurichten. Wenn dir manche Bewegungen und Asanas (noch) schwerfallen, dann übe sie in einer reduzierten Form und führe dir vor dein inneres Auge, wie du die volle Asana ausführst. Ein gutes Beispiel ist der Kopfstand. Viele Yogi:nis hadern mit der Kraft und der Balance in dieser Haltung. Selbst, wenn du vorerst nur die Vorbereitung übst, hilft es zu visualisieren, wie sich deine Füße von der Matte abheben und du kerzengerade im Kopfstand stehst.
Welche Folgen kann es haben, wenn die Ausrichtung nicht optimal ist?
Auf Dauer kann ein nicht optimales Alignment negative Folgen haben, sagt Barbra Noh:
”Das sind Themen wie chronische Entzündungen – Klassiker sind hier die Ansätze der Hamstrings oben bei den Sitzbeinhöckern – sowie Verschleiß und Überstrapazieren von Gelenken, etwa der Handgelenke bei Stützhaltungen, und natürlich Rückenschmerzen. Ohne eine gute Ausrichtung kann es leider sein, dass du nach der Yoga-Praxis mehr Schmerzen hast als vorher! Schmerzen entstehen aber eben nicht immer sofort, sondern häufig erst über längere Zeit. Wenn du zum Beispiel den herabschauenden Hund immer mit nicht optimal ausgerichteten Schultern machst, mag das ein paar Jahre gutgehen. Aber irgendwann machst du zum 5.000sten Mal deinen Hund mit instabilen Schultern, kollabierst in den Gelenken und hängst mit den Achseln zum Boden durch. Plötzlich hast du ein neues Problem, das nicht so schnell wieder weggeht. Weil du eine so starke Gewohnheit hast, den Hund immer auf die Art zu machen, die eigentlich für deine Schultergelenke stressig ist. Die gute Nachricht ist: Du kannst deine Gewohnheiten ändern, dann verschwinden viele Probleme nach und nach.”
Barbra betont, dass ihr im Hinblick auf die Ausrichtung ein nicht-bewertendes Mindset wichtig ist:
„Ich spreche in meiner Arbeit nicht von Fehlhaltungen, die korrigiert werden müssen, sondern ich beobachte, welche Tendenzen und Gewohnheiten die mögliche Ursache für Beschwerden sind. Statt das Augenmerk auf die weniger optimale Haltung zu legen, beschreibe ich die Haltung (oder Richtung), die aus anatomischer und biomechanischer Sicht optimaler ist. Es geht nicht um die perfekte Haltung. Es geht darum, sich immer mehr in die Richtung zu bewegen, die gesünder, stärker und freier ist.”
Atmung ist Queen, Core ist King
Die bewusste Atmung ist der erste Schritt in der Ausrichtung einer Yoga-Asana. Besonders in kraftvollen und anstrengenden Haltungen ist der Ujjayi-Atem eine große Unterstützung und Kraftquelle. Er hilft dir, dich zu konzentrieren und deinen Fokus zu wahren. Dein Atem ist außerdem ein guter Indikator, ob du dir zu viel zumutest. Solange du ruhig und stetig atmen kannst, bist du auf dem richtigen Weg. Erhöht sich deine Atemfrequenz oder gerät dein Atem ins Stocken, ist das ein Zeichen für dich, dass du einen Schritt zurückgehen solltest. Richte dich mit der Einatmung auf, ziehe deine Wirbelsäule auseinander und handele in der Ausatmung.
Auch eine starke Mitte (Core) ist in nahezu allen Asanas unerlässlich. Du schützt und stützt deinen unteren Rücken, hältst leichter die Balance und sorgst für eine gerade Aufrichtung, die sich über den Brustkorb bis in die Schultern auswirkt.
Actions of Alignment: Die Handlungen um sich auszurichten
Neben dem Fokus auf Atmung und Core gibt es noch weitere allgemeine Ausrichtungsprinzipien im Yoga, die sich für viele Yogi:nis als hilfreich erwiesen haben. Sieben davon stellen wir dir im Folgenden vor. Diese „Actions of Alignment” geben dir wertvolle Informationen zu Fragen, die in vielen Haltungen auftauchen.
Ergänzend stellen wir dir einen Auszug aus Barbra Nohs Buch „Yoga - Mit Kraft und Anmut leben“ vor, in dem die fünf universellen Ausrichtungsprinzipien (Universal Principles of Alignment, UPA) des Anusara Yoga erklärt werden. Anusara Yoga ist dafür bekannt, dass sehr viel Wert auf inneres und äußeres Alignment und entsprechend präzise Ansagen gelegt wird. Die Prinzipien beruhen zudem auf modernen biomechanischen Erkenntnissen.
Achtung: All diese Prinzipien sind nur Anhaltspunkte, die aus anatomischer Sicht deinen Körper schonend ausrichten und Fehlhaltungen und Schmerzen vorbeugen können. Da aber jeder Körper anders ist, ist es deine Aufgabe beim Yoga, deine Eigenheiten zu erforschen. Yoga wäre kein Yoga, wenn eine innere Intention nicht vorhanden wäre. Oft ist es eine Intention oder spirituelle Ausrichtung, die dich tiefer in eine Asana führt, als du es mit rein körperlicher Anleitung je geschafft hättest.
Hier noch zwei allgemeine Tipps: Starte immer mit dem Teil deines Körpers, der am nächsten zum Boden ist und arbeite dich dann langsam hoch. Verteile dein Gewicht immer gleichmäßig auf die Teile deines Körpers, die den Boden berühren.
1. Alignment der Füße
Achte darauf, dass deine Füße gut geerdet sind. Dein Gewicht sollte gleichmäßig zwischen den vier Ecken deines Fußes verteilt sein – also Großzehenballen, innere Frese, Kleinzehenballen und äußere Ferse. Indem du deinen Großzehenballen nach unten drückst, hebt sich dein Fußgewölbe. Wenn du den gesamten Fußballen in Richtung Fersen ziehst, betätigst und trainierst du wichtige Fußmuskeln. Mit einer guten Ausrichtung der Füße schaffst du eine gute Basis für alle Stand- und Balancehaltungen.
2. Alignment der Knie
Knie-Alignment zum Fußgelenk:
In stehenden Asanas mit gebeugten Beinen – wie Krieger I,Virabhadrasana I und Krieger II, Virabhadrasana II, dem Ausfallschritt (Alanasana), oder der Goddess Pose (Utkata Konasana) – wird sichtbar, ob die Knie nach innen gedreht sind oder nicht. Die Knie sollten in Richtung zweiter oder dritter Zeh (je nach Fuß) zeigen. So bleiben sie zur Mittellinie deiner Füße ausgerichtet und du verhinderst eine Verdrehung von Knie zum Schienbein.
Bei den meisten Standhaltungen solltest du das Knie des gebeugten Beines senkrecht über dem Fußgelenk haben und das Bein maximal 90 Grad beugen. Es gibt aber auch Haltungen wie den Stuhl, Utkatasana, und Anjaneyasana, dem niedrigen Ausfallschritt oder auch „Low Lunge”, wo der Winkel im Knie kleiner ist – hier kommen die Knie weiter nach vorne als die Knöchel. Achte aber auch hier darauf, dass die Knie nicht nach innen abdriften, sondern geradeaus nach vorne zeigen.
Knie-Alignment zur Fußspitze:
Wenn Knie leicht nach innen driften, verändert das die Ausrichtung in den Hüften, zum Beispiel werden die Innenseiten der Hüften eng. Um Stabilität und Kraft für die Knöchel, Schienbeine und Knie zu üben, halte deine Großzehenballen am Boden, während du aktiv die Knie weitest, um sie in eine Linie mit den Füßen zu bringen – auch hier gilt: Richte je nach individueller Anatomie deine Knie in Linie mit dem zweiten oder dritten Zeh aus. So verhinderst du, dass die Knie nach innen oder außen kippen und schonst deine Menisken.
Knie-Alignment bei gestrecktem Bein:
Gestreckte Beine sollten nie ganz durchgestreckt bzw. überstreckt werden. Statt die Kniekehle mit einer passiven Muskulatur nach hinten „einzurasten“, solltest du das Knie minimal beugen, indem du die obere Spitze des Schienbeins nach vorne drückst. Drücke die Fußballen fest in den Boden, so als ob du die Fersen heben wolltest. So aktivierst du die Kraft in den Unterschenkeln.
In diesem Video führt Dr. Ronald Steiner dich durch gezielte Bewegungen und Haltungen, die deinen Knien gut tun:
3. Alignment des Beckens
In Asanas, in denen du deinen Oberkörper senkrecht aufrichtest, ist es hilfreich, das Becken stabil zu halten, den Bereich um das Kreuzbein zu weiten und den unteren Rücken lang zu halten. Bewege dafür die Hüften etwas mehr nach hinten. Das weitet die Sitzbeinhöcker, wobei der untere Rücken an Innenwölbung gewinnt. Diese Kurve bleibt immer lang – hebe die Taille und Körperseiten hoch – und sinke nicht in den unteren Rücken hinein. Schiebe dann zwischen den geweiteten Sitzbeinhöckern das Steißbein nach unten. Das schafft mehr Länge im unteren Rücken und aktiviert den Beckenboden sanft. Du wirst merken, wie der untere Bauch an Tonus gewinnt und das Becken sich stabiler anfühlt.
Tipp von Barbra Noh zum Alignment des Beckens:
„In Haltungen wie Krieger II – Virabhadrasana II – und der Winkelhaltung – Parsvakonasana – beobachte ich, wie viele Praktizierende ihr Becken weit nach vorne schieben, die Oberschenkel in eine Außenrotation zwingen um die Hüften „zu öffnen“. Biomechanisch gesehen bewirkt dies exakt das Gegenteil. Um den Bewegungsradius in den Hüftgelenken zu erhöhen, braucht es eine Innenrotation der Oberschenkel. Der Oberschenkelkopf dreht sich nach innen und hinten in die Gelenkpfanne. Sichtbar bewegen sich die Hüften und das Gesäß weiter nach hinten. So kommst du freier und tiefer in die Haltung als mit nach vorne geschobenen Hüften.“
In Rückbeugen wie dem Kamel, Ustrasana, kannst du, bevor du in die Haltung reingehst, zuerst die Hüften nach hinten bewegen, um mehr Innenwölbung (Lordose, die natürliche Kurve) auszulösen. Dann mache die Kurve lang, indem du die Taille und Körperseiten hebst. Dazu das Steißbein nach unten lang ziehen, bis das Gefühl im unteren Rücken optimal ist.
Hinweis von Barbra Noh zum Alignment in Rückbeugen:
„In Rückbeugen sehe ich oft, dass der Kopf vorne ist, wodurch eine Vorbeuge in der Halswirbelsäule entsteht. Das ist kontraproduktiv, wenn man die Brustwirbelsäule in eine Rückbeuge bringen möchte. Die Rückbeuge nur aus dem unteren Rücken zu machen, fühlt sich meistens nicht gut an.“
Vorbeugen wie Paschimottanasana können Rückenschmerzen auslösen, vor allem bei steiferen Menschen, die nicht sehr beweglich im Becken sind. Für alle Menschen – aber besonders für diejenigen, denen Vorbeugen schwerfallen – ist es eine große Hilfe, folgendes zu machen, bevor sie in die Vorbeuge gehen:
- Drehe die Oberschenkel nach innen, um den Hüften mehr Innenrotation zu geben.
- Weite dabei die Beinrückseiten und die Sitzknochen mehr nach außen.
- Drücke die Hände nach unten, um die Körperseiten besser heben zu können. Das schafft Länge für die Wirbelsäule und entlastet die Bandscheiben im unteren Rücken.
- Statt dich wie ein „Klappmesser“ nur aus den Hüften zu bewegen, bringe deinen gesamten Oberkörper nach vorne, um eine sanfte runde Form vom Steißbein bis zur Kopfkrone zu bilden. Die gesamte Rückseite der Wirbelsäule wird gedehnt.
- Hyperbewegliche Menschen sollten nicht nur aus der Beweglichkeit „passiv hinein sinken“. Für sie ist es sinnvoll, mit Kraft zu üben: Drücke die Sitzknochen nach unten, ziehe den unteren Bauch nach innen, behalte die Körperspannung während der gesamten Übung.
Kompaktes Wissen zum Alignment des Beckens erhältst du von Barbra in ihrem YogaEasy-Academymodul „Hüfte & Psoas“:
4. Alignment der Wirbelsäule
Bei der Ausrichtung deines Rückens solltest du stets darauf achten, dass keine Stelle der Wirbelsäule abgeknickt wird, sondern – auch in intensiven Rückbeugen – Länge erfährt. Gerade in herausfordernden Asanas solltest du dafür immer deinen Core aktivieren. Dazu kannst du dir vorstellen, dass du den unteren Teil des Bauches nach innen und oben ziehst, so als ob du eine zu enge Hose zumachen möchtest.
In Drehungen schaffe immer erst Länge in der Wirbelsäule und gehe dann mit der Ausatmung in die Drehung. Dabei solltest du das Becken stabilisieren. Achte darauf, bei der Ausatmung nicht „zusammenzusacken”. Die Bewegung sollte bei Twists hauptsächlich aus der Brustwirbelsäule erfolgen. Viele Menschen neigen dazu, sich zugunsten einer intensiveren Drehung aus der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule zu drehen. Das ist aber kontraproduktiv, weil du in Drehungen die Brustwirbelsäule – einen recht unbeweglichen Teil der Wirbelsäule – mobilisieren möchtest.
In diesem Tutorial zeigt wir Wanda Badwal, worauf du bei Rückbeugen achten solltest:
5. Alignment der Schultern
Für aufrechte Haltungen, in denen dein Oberkörper senkrecht aufgerichtet ist, solltest du deine Schultern über den Hüften ausrichten. Die Schulterblattspitzen sollten Richtung Becken ziehen.
In Haltungen, in denen du Armkraft anwendest, solltest du immer auch deine Schultern aktivieren und nicht in den Gelenken „hängen”. Mach dafür einen kleinen Buckel zwischen deinen Schulterblättern. Sorge außerdem dafür, dass deine Schultern nach innen rotieren – das merkst du daran, dass du deine Ellenbeuge nach außen-oben drehst.
In diesem Tutorial erklärt dir Barbra Noh ein Ausrichtungsprinzip für die Schultern aus dem Anusara Yoga.
In Stützhaltungen wie der Planke oder dem Seitstütz, Vasisthasana solltest du darauf achten, dass die Schultergelenke direkt über den Händen oder Ellenbogen ausgerichtet sind und dass der Nacken lang bleibt.
Barbra Noh über Schulter-Alignment im herabschauenden Hund:
„Häufig sehe ich, dass Praktizierende im herabschauenden Hund, Adho Mukha Svanasana, mit den Schultern durchhängen, also die Achseln zum Boden kollabieren lassen. Das ist auf Dauer stressig für die Schultergelenke und es ist sehr schwer, die Wirbelsäule dabei in eine gute Ausrichtung zu bringen. Oft ist der untere Rücken rund, das Kreuzbein wird nach außen gedrückt. Dann wirkt diese wunderbare Haltung Adho Mukha Svanasana nicht therapeutisch für den unteren Rücken.”
Erfahre hier von Barbra, was dich im YogaEasy Academy-Modul „Anusara Alignment Schultern & Nacken“ erwartet:
6. Alignment der Hände
Deine Hände sollten ähnlich wie die Füße gleichmäßig mit Gewicht belastet werden, wenn du dich auf ihnen abstützt. Konkret also auf dem Ballen des Zeigefingers, dem des kleinen Fingers und auf dem Daumenballen. Dazwischen erhebt sich kraftvoll das Handgewölbe. Deine Zeigefinger sollten ganz gerade nach vorne zeigen. Wenn du deine Hände aufstützt, achte darauf, dass sie mindestens schulterbreit voneinander entfernt sind.
7. Alignment des Nackens
Dein Nacken sollte stets frei und gerade ausgerichtet sein. Wir neigen häufig dazu, den Kopf abzuknicken, und sorgen so gerne mal für Verspannungen. Die normale leichte Krümmung (Lordose) der Halswirbelsäule sollte stets erhalten bleiben. Auch in Asanas in Rückenlage und vor allem in Übungen wie dem Schulterstand, Sarvangasana oder dem Pflug, Halasana wird die Halswirbelsäule oft leichtfertig mit Gewicht belastet. Mit einer Aktivierung deiner Schultern sorgst du für ein bisschen Luft unter deiner Halswirbelsäule. Das gilt im Übrigen auch für Rückbeugen: Dort neigen wir besonders dazu, den Kopf einfach in den Nacken zu legen oder sogar fallen zu lassen. Auch hier ist die Länge wichtig.
Exkurs: Worauf sollten Yogalehrende beim Adjustment achten?
Barbra Noh betont, dass nur sensibel angewendete Adjustments eine positive Wirkung haben:
„Sobald du die Hände anlegst, gehen Teilnehmende davon aus, dass sie etwas falsch gemacht haben und „korrigiert“ werden. Meistens spannen sie sich dann an und bemühen sich, alles richtig zu machen, dabei wird die Situation oft noch schlechter. Mein Vorschlag für dich: Bevor du die Hände anlegst, benenne etwas, was sie gerade richtig machen. Zum Beispiel: „Deine Hände sind gut positioniert. Lass sie so, ich werde nur deine Arme weiter nach vorne ziehen” oder „Dein hinteres Knie ist schön durchgestreckt. Ich werde nur den Oberschenkel etwas mehr nach innen rotieren“. Und ganz wichtig: Übe nur Adjustments aus, die auf Biomechanik und anatomischem Wissen basieren. Dann ist es sehr viel sicherer und gesünder für deine Teilnehmenden.”
Besonders warnt Barbra vor Adjustments, die mit Kraft Praktizierende tiefer in eine Asana führen sollen:
„Ich wurde einmal sehr schlimm durch ein gut gemeintes, aber leider dummes Adjustment verletzt. Es hat sechs Jahre gedauert, bis ich wieder schmerzfrei war. Solche Adjustments, also wenn ein Schüler oder eine Schülerin mit Kraft tiefer in eine Haltung hineingedrückt werden, mache ich nicht und unterrichte sie auch nicht. Ich bin sehr dankbar, dass ich meinen Anusara-Lehrern begegnet bin, und von ihnen einen Umgang mit manuellen Adjustments gelernt habe, der viel sicherer sind.”
Die 5 universellen Ausrichtungsprinzipien (UPA) des Anusara Yoga
Die UPAs (Universal Principles of Alignment) im Anusara Yoga sind extrem hilfreiche Tools für alle Yoga-Praktizierenden, sagt Barbra Noh, aber speziell geeignet für alle, für die viele Asanas aufgrund von Verspannungen und steifen Gelenken herausfordernd sind, aber auch alle mit hyperflexiblen Gelenken:
„Im Anusara gibt es Prinzipien, die Praktizierende mit 'besonderen Eigenschaften' wie hyperflexiblen Kniegelenken unterstützen oder bei Einschränkungen wie verspannten Kniesehnen und einem steifen unteren Rücken helfen. Ein echter Wendepunkt für mich war, dass es Prinzipien gibt, die hyperflexiblen Praktizierenden mit ihren Themen unterstützen. Denen fehlt es an Kraft und Stabilität, sie verletzen sich oft, werden aber meistens in den offenen Klassen ignoriert, weil es optisch wirkt, als ob sie alles mit Leichtigkeit können.”
Dieser Abschnitt entstammt Barbra Nohs Buch „Yoga - Mit Kraft und Anmut leben“, erschienen 2015 im Theseus Verlag, erweiterte Neuauflage 2019.
Das erste Prinzip: Open to Grace
Beim Ersten Prinzip geht es um den Weg, den wir wählen, um eine offene und empfängliche Haltung dem Leben gegenüber einzunehmen.
Das Erste Prinzip, Open to Grace, ist ein Prinzip der inneren Haltung, das sich durch den Körper ausdrückt. In Teil 1 dieses Buches habe ich bereits über die philosophische Idee geschrieben, sich dem Leben vollkommen zu öffnen. Mit diesem ersten Prinzip erkennen wir an, dass das Mysterium des Lebens größer ist als wir. Wir sind demütig genug, uns einzugestehen, dass wir letztendlich nicht am Hebel sitzen, dass wir nicht alles wissen und dass uns mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen, als wir uns mit der begrenzten Wahrnehmung unserer selbst und der Welt vielleicht vorstellen können.
Open to Grace ist das Gegenteil davon, dem Leben mit Widerstand zu begegnen. Statt gegen das anzukämpfen, was das Leben uns präsentiert, halten wir inne, nehmen einen tiefen Atemzug und werden weich, um die Realität des gegenwärtigen Augenblicks voll und ganz willkommen zu heißen.
Das Erste Prinzip beschreibt eine bewusste Ausrichtung unserer Intention, offen für die Ströme der Lebensenergie zu sein und mit ihnen zu fließen. In der yogischen Tradition wird die schöpferische Kraft hinter der gesamten Existenz oft als das Höchste Bewusstsein bezeichnet. Grace ist die transformative und offenbarende Kraft des Höchsten Bewusstseins. Es ist die Art, wie sich die Lebensenergie uns zeigt, sodass wir Einsicht darin erlangen können, wer wir sind, wie wir in diese komplexe und manchmal verwirrende Welt passen und wie wir uns auf eine Weise einbringen können, die mehr Harmonie erzeugt. Für die Gnade, die in unser Leben kommt, offen zu sein bedeutet, eine empfängliche Haltung zu kultivieren, eine Bereitschaft, empfindsam für die Energie des Lebens zu sein und sich für das zu öffnen, was das Leben uns zu bieten hat.
Das Erste Prinzip zu verinnerlichen ist in erster Linie eine Sache der Einstellung, findet aber auch im Körper seinen Ausdruck. Wie stehst du da? Wie fühlst du dich in deinem Körper, wenn du vollkommen offen gegenüber dem Leben und seinen Möglichkeiten bist?
Hier sind einige Arten, wie Open to Grace auf der Yogamatte praktiziert wird:
- Setze ein gutes Fundament.
- Atme und öffne dich für noch ungeahnte Möglichkeiten.
- Innerer Körper leuchtet − Körperseiten lang.
- Äußerer Körper weich − Schmelze im Herzbereich.
Ein physischer Ausdruck dieses ersten, grundlegenden Prinzips besteht darin, für alle Positionen achtsam ein gutes Fundament aufzubauen. Ein sol- ches Fundament sorgt sowohl für Stabilität als auch für Freiheit, und zwar durch die Ausgewogenheit der Proportionen (z. B. bezogen auf den Abstand zwischen den Füßen) und dadurch, dass wir gefestigt und gut geerdet sein können, indem wir vom Becken abwärts passiv abgeben und „loslassen“.
Eine weitere Art, das erste Prinzip umzusetzen, ist „Innerer Körper leuchtet” – eine sanfte, von der Atmung unterstützte Ausdehnung des inneren Körpers. „Innerer Körper leuchtet“ erzeugt das natürliche Gefühl geräumiger Fülle, das wir erleben, wenn etwas Wundervolles geschieht, das uns von innen zum Strahlen bringt.
Diese innere Fülle führt zu einer angenehmen Verlängerung der Körperseiten. Die Aufforderung „Körperseiten lang“ umzusetzen bewirkt, dass du dich aus der Taille und aus dem unteren Rücken her- aushebst. Die dadurch geschaffene Länge und der entstandene Raum bringen eine offene, einladende Haltung dem Leben gegenüber zum Ausdruck und gestatten dem äußeren Körper, weich zu werden und sich sozusagen um den stützenden inneren Körper zu drapieren. „Äußerer Körper weich“ wird oft auch in Form von „Schmelze im Herzbereich“ formuliert, besonders wenn der obere Rücken (= Rückseite des Herzens) rund geworden und verhärtet ist.
Eine bewusste, achtsame Verbindung mit dem Atem ist der ultimative Ausdruck des Ersten Prinzips. Der Atem ist das Medium, durch das wir die pulsierende Qualität der Lebensenergie (Prana) direkt erfahren. Die Einstellung zum Atem ist von Offenheit und Freiheit geprägt. Es gilt: „mit dem Fluss gehen“, d. h., teilzuhaben, aber nicht zu versuchen, zu kontrollieren oder zu beherrschen. Dadurch, dass wir dem Atem erlauben, sich frei auszudehnen, werden wir empfänglicher für die genüssliche Erfahrung der durch uns hindurchfließenden und uns unterstützen- den Lebensenergie.
Erlebe dieses Prinzip in deinem Körper:
Stehe in Tadasana. Setze ein gutes Fundament, indem du die Füße hüftweit auseinander und parallel zueinander platzierst. Lasse deinen Atem tiefer werden und nutze ihn, um den inneren Körper sanft auszudehnen, sodass alle Seiten des Oberkörpers voller werden. Benutze die Einatmung, um dich in den Seiten aus der Taille herauszuheben, bis die seitlichen Rippen und die Achselhöhlen höher schweben. Während du die Fülle des inneren Körpers und die Länge der Körperseiten beibehältst, atmest du aus, um die Rückseite des Herzens sowie Gesicht und Augen weich werden zu lassen. Halte den Hals offen, während du in voller Größe dastehst, erfüllt von der Vision deiner eigenen Bereitschaft, das Leben in all seinen Formen willkommen zu heißen.
Das 2. Prinzip: Muskuläre Energie
Muskuläre Energie gibt dir die Stärke und Stabilität, deinen Körper zu bewegen und zu organisieren und eine gute Beziehung zwischen seinen Teilen herzustellen.
Muskuläre Energie ist mit einer aktiven Einbeziehung der Muskeln verbunden, um Energie von der Peripherie des Körpers nach innen zu einem zen- tralen Ort zu ziehen, der „Fokuspunkt“ genannt wird.
- Haut und Muskeln werden fest zu den Knochen „herangesaugt“.
- Die Gliedmaßen werden isometrisch* nach innen zur Körperachse (Mittellinie) gezogen.
- Von den äußeren Extremitäten (Füße, Hände, Kopf) wird Energie entlang dieser Körperglieder in Richtung Zentrum geleitet.
*Eine isometrische Handlung liegt vor, wenn die Muskeln aktiviert sind, sich jedoch nicht verkürzen. Der Körperteil bleibt statisch, und es findet nur eine minimale bis gar keine Bewegung im Raum statt.
Diese drei Handlungen resultieren in gesteigerter Kraft, Stabilität der Gelenke und allgemeiner körperlicher Integration. Muskuläre Energie ist die komplementäre Kraft zu Organischer Energie.
Muskuläre Energie erhöht das Körperbewusstsein – insbesondere die propriozeptive Fähigkeit, wahrzunehmen, wo genau der Körper sich in Relation zum Raum befindet. Das Gefühl, dass alle Körperteile miteinander verbunden sind, intensiviert sich, und dadurch wird ein integratives Erleben von Körper und Geist gefördert.
Dieses Prinzip ist ein Lebensretter für Übende, die etwas „floppy“ sind, d. h. sehr weiche, hyperbewegliche Leute, die dazu neigen, bloß in den Gelenken „drinzuhängen“ und sich ausschließlich auf ihre Beweglichkeit zu verlassen, sich dabei aber häufig verletzen.
Diesem Körpertyp mangelt es an natürlichen Grenzen, sodass man beim Üben zu schnell zu weit gehen kann, was dann Schmerzen oder sogar Verletzungen nach sich zieht, etwa Gelenkschäden, gezerrte Muskeln und ausgeleierte oder gerissene Bänder und Sehnen. Alle Schüler und Schülerinnen profitieren von der sicherheitsspendenden Stabilität, die durch die Muskuläre Energie aufgebaut wird, aber es sind ganz besonders die beweglichen Schüler, die diese verbesserte Integration und Stabilität durch die Muskuläre Energie brauchen.
Weniger bewegliche Leute profitieren ebenfalls sehr von diesem Prinzip. Muskuläre Energie erzeugt im Körper Widerstandsfähigkeit, die ihm – wenn ihr etwas entgegengesetzt wird – ermöglicht, sich sicher und sanft zu öffnen. Mit dem gesteigerten Körperbewusstsein und der größeren Kraft, die dieses Prinzip mit sich bringt, können Übende die steiferen Bereiche des Körpers besser in eine gute Ausrichtung bringen.
Zu lernen, wie du Muskuläre Energie in deiner Asana-Praxis anwendest, wird dir die Fähigkeit schenken, all deine Haltungen zu transformieren. Es gibt dir die Kraft, deinen Körper besser auszurichten, indem du eine gute Beziehung zwischen seinen verschiedenen Teilen herstellst. Muskuläre Energie hilft dir, durchgehend die Ausrichtung in einer Haltung und auch beim Übergang in die nächste Position beizubehalten, und ermöglicht somit sicherere und elegantere Übergänge.
Muskuläre Energie ist die Grundlage für die Anwendung der anderen Prinzipien, die dann folgen. Zu geringer Muskeltonus ist oft der Grund, warum wir in nicht optimal ausgerichtete, gewohnheitsmäßige Muster zurückfallen. Kontinuierliche Arbeit mit diesem Prinzip wird den Muskeltonus verbessern, sodass es mit der Zeit weniger Anstrengung erfordert, eine gute Ausrichtung und eine gute Haltung aufrechtzuerhalten.
Jenseits des physischen Aspekts unterstützt dich Muskuläre Energie auch dabei, großartige menschliche Eigenschaften zu entwickeln wie Ausdauer, Durchhaltevermögen, Beständigkeit, Entschlossenheit, Klarheit, mentale Stärke und die Fähigkeit, fokussiert zu bleiben.
Erlebe dieses Prinzip in deinem Körper:
Stehe in Tadasana mit den Füßen parallel und hüftweit auseinander. Ziehe die Haut und die Muskeln der Beine zu den Knochen hin, so ähnlich, wie es sich anfühlen würde, eine sehr enge Strumpfhose oder Leggings zu tragen, die die Beine „hält“. Ziehe außerdem die Füße und Beine isometrisch zueinander, als ob du möchtest, dass sie sich berühren. Ziehe nun Energie aus dem Fundament ins Zentrum des Beckens, als wenn du versuchtest, die Füße in die Hüften hineinzuziehen.
Nimm die feste, starke und integrierende Qualität in den Beinen wahr.
Für Muskuläre Energie im Oberkörper siehe „Schultern nach hinten“ im Abschnitt zu den Anusara-Formeln.
Das 3. Prinzip: Innere Spirale
Die Innere Spirale verfeinert die Ausrichtung des Oberschenkelknochens im Hüftgelenk, weitet die Beckenbasis und verstärkt die Lordose in der Lendenwirbelsäule.
Dieses Prinzip verbessert die Ausrichtung der Hüften und des unteren Rückens. Es setzt vorn an der Innenkante des Fußes an und bewegt sich an den Beinen entlang als sich weitende Energiespirale hinauf bis zum Becken, um dann hoch oben an der Rückseite der Taille zu enden.
Die Innere Spirale besteht aus den folgenden Aktionen:
- Sie dreht die Vorderseite des oberen Teils der Oberschenkel nach innen.
- Sie bewegt die Köpfe der Oberschenkelknochen nach hinten.
- Sie weitet die Oberschenkel voneinander weg.
Die Innere Spirale ist das komplementäre Prinzip zur Äußeren Spirale. Sie weitet die Beckenbasis aus, indem sie den Raum zwischen den Sitzhöckern vergrößert. Die Innere Spirale verfeinert die Ausrichtung des Oberschenkelknochens im Hüftgelenk, macht die Leisten weich und verstärkt die Lordose der Lendenwirbelsäule – die natürliche Wölbung der Wirbelsäule nach innen, die viele Leute durch das permanente Sitzen in buckliger Haltung und mit gekipptem Becken verloren haben, oder durch andere ungünstige Haltungsgewohnheiten, wie z. B. zu weit nach vorn genommene Oberschenkelknochen und nach hinten überdehnte Knie.
Obwohl die Innere Spirale die Lendenlordose im unteren Rücken intensiviert, hat das nichts mit einem instabilen, ins Hohlkreuz gebogenen Rücken zu tun, wie er zustande kommt, wenn man ohne Spannung in Beinen oder Bauch im unteren Rücken einsinkt. Die Innere Spirale ist eine starke Aktivität der Beine, die das Becken und den unteren Rücken beeinflusst. Wenn sie korrekt ausgeführt wird, wirst du einen erhöhten Muskeltonus im Unterbauch und um die Lendenwirbel herum feststellen.
Hier kann es leicht passieren, dass man die Schienbeine und die Knie nach innen eindreht, wenn die Oberschenkelknochen gedreht werden. Um dies zu vermeiden, stabilisiere weiterhin das Fundament (ziehe die Fersen leicht zueinander, damit sie nicht auseinandergehen) und die Schienbeine mit Muskulärer Energie (dem vorausgegangenen Prinzip), indem du die Schienbeine zur Mittellinie ziehst und einer Rotation des Unterschenkels und des Kniegelenks widerstehst.
Die Innere Spirale hilft, gut integrierte, stabile Hüftgelenke beizubehalten, während wir unsere Beweglichkeit und den entstandenen Spielraum erforschen. Der Kopf des Femurs (des Oberschenkelknochens) rollt tiefer zurück in das Acetabulum (Hüftgelenkspfanne), wo er besser umschlossen wird. Der Femurkopf ist dann besser integriert und das Gelenk stabiler, was gesünder für das Hüftgelenk als Ganzes ist und zu einem erweiterten Bewegungsradius führt. Es ist nicht erstrebenswert, den Oberschenkelkopf vorn gegen die Hüftbeugemuskeln zu drücken und vom Hüftgelenk weg zu bewegen. Dies ist eine gängige Fehlausrichtung im Yoga, wenn Leute mit Gewalt versuchen, ihre Hüften zu „öffnen“. Idealerweise sollte die Leistengegend bzw. die Hüftfalte leicht hohl bleiben. Das Zurückbewegen der Femur-Köpfe tiefer ins Hüftgelenk kippt den oberen Rand des Beckens nach vorn, d. h., die Oberkante des Kreuzbeins neigt sich nach vorn in den Körper. Die Lendenlordose beginnt hier an der oberen Kante des Kreuzbeins und erstreckt sich bis unterhalb der Schulterblätter.
Viele von uns verbringen täglich etliche Stunden auf einem Stuhl sitzend oder sogar zusammengesunken in einen Sessel, wobei sich die Lendenwirbel nach außen wölben, statt flach anzuliegen und sich in den Körper hineinzubewegen. Diese weitverbreitete Fehlhaltung bedeutet, dass viele Menschen die Lendenlordose verloren haben: Der untere Rücken
ist flach geworden, es ist kaum Muskeltonus vorhanden, und es ist zu viel Druck auf den Wirbeln. Die natürliche Kurve der Lendenwirbelsäule zu erhalten ist für die Gesundheit des unteren Rückens essentiell. Wende deshalb die Innere Spirale an, um eine gleichmäßige Kurve mit gutem Tonus zu erzeugen. Diese Art Kurve in der Wirbelsäule macht dich größer, länger und stärker.
Auf die Innere Spirale folgt die Äußere Spirale, um diese Kurve auszugleichen und zu verlängern.
Erlebe dieses Prinzip in deinem Körper:
Stehe in Tadasana mit den Füßen parallel zueinander und hüftweit voneinander entfernt. Aktiviere die Beinmuskulatur mit Muskulärer Energie. Ziehe die Haut von den Großzehballen aus beginnend nach hinten in Richtung Ferseninnenseiten und nimm wahr, wie das die Oberschenkel beeinflusst – ihre Vorderseite wird sich leicht nach innen drehen. Nun gehe dabei noch weiter: Presse die Großzehenballen nach unten und drehe die Oberschenkel nach innen, ohne die Schienbeine zu bewegen (ziehe sie zueinander mit Muskulärer Energie). Bring den obersten Bereich der Oberschenkelinnenseiten nach hinten (was auch Hüften und Gesäß nach hinten bewegen wird) und weite die Innenseiten der Oberschenkel voneinander weg. Ziehe die Schienbeine und Fersen weiter zueinander hin, um zu verhindern, dass du die Knie eindrehst. Du wirst feststellen, dass die Leisten etwas „hohler“ werden, d. h. sich nach innen wölben, dass die Sitzhöcker sich weiter auseinander bewegen und dass die Lendenwirbelsäule etwas stärker gebogen ist. Nimm diesen Bogen mit hoch bis unterhalb der Schulterblätter, sodass er zu einer langen Kurve wird und du nicht im unteren Rücken einsinkst.
Das 4. Prinzip: Äußere Spirale
Die Äußere Spirale verlängert den unteren Teil der Wirbelsäule, festigt den Beckenboden und stabilisiert das Becken.
Dieses Prinzip arbeitet ergänzend zur Inneren Spirale, um die Ausrichtung des unteren Rückens und des Beckens zu verbessern. Die Äußere Spirale ist die kontrahierende Kraft, die aus der Rückseite der Taille aktiviert, über die Sitzhöcker und durch das Steißbein nach unten geschickt wird und sich spiralförmig nach unten in die Beine und Füße bewegt. Sie besteht aus drei Handlungen:
- Sie dreht den oberen Teil der Oberschenkel nach außen.
- Sie bewegt den oberen Teil der Oberschenkel nach vorn.
- Sie zieht die Oberschenkel zur Mittellinie hin fest zueinander.
Die Äußere Spirale ist das komplementäre Prinzip zur Inneren Spirale. Sie bewegt das Steißbein nach unten in den Raum zwischen den geweiteten Sitzhöckern, der vorher von der Inneren Spirale geschaffen wurde, bringt ein Gefühl von Länge in den unteren Rücken und Festigkeit in den unteren Bauchbereich und in den Beckenboden. Sie stabilisiert die beiden Seiten des Beckens, indem sie sie fester zueinander bringt, was sehr hilfreich für hyperbewegliche Yogaübende ist oder solche mit instabilem Kreuzbein.
Die Oberschenkel rotieren nach außen. Aufgrund des Widerstands, der durch die entgegengesetzte Kraft der Inneren Spirale entsteht, die beibehalten wird, wenn die Äußere Spirale zur Anwendung kommt, ist diese Bewegung oft minimal. Die zusammenziehende Kraft der Äußeren Spirale endet an den Füßen mit einem subtilen Zug der Fersen hin zur vorderen Fußinnenkante.
Für das Ausbalancieren der beiden Spiralen ist es entscheidend, dass die Innere Spirale aufrechterhalten wird, während die Äußere Spirale hinzugefügt wird. Im Einzelnen bedeutet dies, dass die Bewegungsausrichtung „Oberschenkel nach hinten“ der Inneren Spirale beibehalten werden muss, während für das Steißbein das Prinzip der Äußeren Spirale angewendet wird. Wenn du das Steißbein nach unten ziehst, kommen die Oberschenkel nicht nach vorn, das Becken wird nur minimal gekippt, die Hüftfalten bleiben weich, und der untere Rücken wird nicht flach, sondern behält seine natürliche Kurve. Das erfordert ein bisschen Übung!
„Ziehe das Steißbein nach unten!“ ist die übliche Kurzanweisung, die im Unterricht benutzt wird, um die Äußere Spirale anzuleiten. Für Yogaübende, die das hören, wäre es naheliegend, einfach das Becken nach unten zu schieben und die Oberschenkel und Lenden nach vorn zu drücken. Die Ausführung der Äußeren Spirale, also das Steißbein nach unten zu ziehen, besteht aber nicht darin, das Becken zu kip- pen, sondern es ist eine innere Aktivität, bei der das Steißbein nach unten und nach vorn verlängert wird (die Beckenbodenmuskulatur wird dadurch aktiviert), während die Oberschenkelknochen immer noch nach hinten gedrückt werden (Innere Spirale). Letztlich „treffen“ sich die Innere und die Äußere Spirale im Becken. In einigen Asanas ist es effektiv mit dem Aspekt „Steißbein“ zu arbeiten, bei anderen bringt es mehr, sich auf die Außenrotation der Oberschenkel zu konzentrieren.
Die ausbalancierte Aktivität beider Spiralen bewirkt eine Form von Mulabandha, einem energetischen Anheben des Beckenzentrums, das die Beckenbodenmuskulatur einbezieht. Dies kommt auf natürliche Weise zustande, wenn das Becken in der beschriebenen Weise ausgerichtet wird, und gibt dem innersten Kern des Körpers Unterstützung.
Erlebe dieses Prinzip in deinem Körper:
Stehe in Tadasana und führe zuerst die Innere Spirale aus. Dann, während du die Innere Spirale und insbesondere den Aspekt „Oberschenkel nach hinten” bei- behältst (die Köpfe der Oberschenkelknochen bleiben hinten im Hüftgelenk), verlängerst du das Steißbein nach unten und ziehst die beiden Seiten des Beckens fest zueinander. Während du dies tust, wirst du merken, dass du Energie nach unten in die Beine schicken kannst, und zwar in Form einer sich zusammenziehenden Spirale (Außenrotation), die in den Füßen endet und die inneren Fersen in Richtung der vorderen Fußinnenkante zieht.
Das 5. Prinzip: Organische Energie
Organische Energie verlängert, weitet, streckt und dehnt aus.
Organische Energie beschreibt einen Energiefluss, der im Vergleich zur Muskulären Energie von subtiler Qualität ist. Zu ihr gehören drei Handlungen:
- Sie erstreckt sich vom Körperzentrum ausgehend und verlängert sich entlang der Körperlinien (Glieder) bis zur Peripherie.
- Sie dehnt sich aus von der Mittellinie ausgehend und weitet den Körper zu den Seiten hin.
- Sie weitet sanft die Haut von den Knochen weg.
Dieses Prinzip ist die komplementäre Kraft zur Muskulären Energie. Organische Energie verlängert, weitet, streckt und dehnt aus. Die erhöhte körperliche Ausdehnung schenkt den Übenden mehr Beweglichkeit und ein freudiges Gefühl von Freiheit in den Haltungen. Dieses Prinzip ist wichtig, um die zusammenziehende Eigenschaft der Muskulären Energie auszubalancieren. Es sollte die Muskuläre Energie nicht ersetzen, sondern drückt vielmehr nach außen dagegen, um den Körper sicher und gut integriert zu öffnen. Sehr steife Übende werden feststellen, dass die organische Ausdehnung ihnen anfangs nicht leichtfällt, jedoch werden sie gute Erfolge erzielen, wenn sie bewusst vom angegebenen Fokuspunkt aus (der in Kürze erklärt wird) entlang der Körperlinien (Glieder) und über sie hinausgehend arbeiten.
Das Wissen um den Fokuspunkt ist entscheidend, um effizient mit der Organischen Energie zu arbeiten, denn sie wird immer von einem bestimmten Fokuspunkt aus aktiviert, um dann zuerst zur Basis einer Haltung zu fließen. Dieses Verwurzeln nach unten in die Basis ermöglicht eine kraftvolle Aufteilung der Energie in zwei Richtungen. In einer Standhaltung beispielsweise würdest du Energie vom Becken-Fokuspunkt aus nach unten in die Füße lenken, und alles oberhalb des Fokuspunkts würde sich nach oben bewegen. Organische Energie verwurzelt das Fundament fest nach unten hin und verstärkt das Heben der Körperteile oberhalb des Fokuspunkts nach oben.
Organische Energie ist ein Prinzip, das uns ähnlich wie „Innerer Körper leuchtet“ Werkzeuge an die Hand gibt, Yoga vom inneren Körper aus anzugehen, indem wir unsere Haltungen so aufbauen und uns so bewegen, dass wir Yoga „von innen heraus“ praktizieren und die Haltungen äußerer Ausdruck eines inneren Gefühls werden. Diese fünfte und letzte Komponente der UPA schließt den Kreis des Pulsierens von sich ausdehnenden und zusammenziehenden Qualitäten:
- Open to Grace (Öffne dich der Gnade) – ausdehnend
- Muskuläre Energie – zusammenziehend
- Innere Spirale – ausdehnend
- Äußere Spirale – zusammenziehend
- Organische Energie – ausdehnend
Das Prinzip der Organischen Energie bringt uns in seiner Qualität beinahe zum ersten Prinzip Open to Grace zurück. Hier hören wir auf, die Haltung ständig korrigieren zu wollen, und öffnen uns stattdessen voll und ganz dafür, sie zu erfahren.
Mit diesem Prinzip kultivieren wir Ungezwungenheit und Offenheit, da es ein angenehmes Gefühl von sich ausbreitender Leichtigkeit in die Praxis bringt – ein Gefühl, dass wir größer und mehr sind als das, was innerhalb unseres physischen Körpers eingeschlossen ist.
Erlebe dieses Prinzip in deinem Körper:
Stehe in Tadasana und aktiviere zuerst die Muskuläre Energie. Presse dann vom Becken-Fokuspunkt aus durch die Beine nach unten ins Fundament. Während du Energie vom Becken nach unten in die Füße ausdehnst, wirst du merken, wie sich der Oberkörper automatisch leicht anhebt. Intensiviere diese Wirkung, indem du vom Fokuspunkt aus noch mehr nach unten presst, während du aktiv den Oberkörper und alles, was über dem Fokuspunkt liegt, höher hebst – Taille, Brustkorb, Hals und Kopf. Während die Füße nach unten in den Boden tiefer verwurzelt werden, streckt sich der Kopf in die entgegengesetzte Richtung. Du solltest dich nun größer fühlen! Nutze auch das Potenzial, dich zu den Seiten hin auszuweiten. Dehne dich vom Halsansatz über die Schlüsselbeine aus, um die Schultern und den oberen Rücken zu weiten
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Barbra Noh über den Academy-Kurs „Anusara Alignment“:
Bei der Arbeit mit Alignment geht es darum, den eigenen Körper kennenzulernen, seine Einzigartigkeit schätzen zu lernen und zu verstehen, wie man die verschiedenen Teile ausrichtet, um das bestmögliche Gefühl für die eigene Praxis zu erzeugen.
Noch mehr Wissen zum Thema Alignment findest du in Barbra Nohs Buch „Yoga - Mit Kraft und Anmut leben“, erschienen 2015 im Theseus Verlag, erweiterte Neuauflage 2019.