Kinderyoga
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Kinderyoga: Grundlagen und Übungen

Von Romana Lorenz-Zapf

Wenn man Kindern beim Spielen zuschaut, kann man deren Fähigkeit beobachten, sich ganz in das Spiel hineinzubegeben und vollständig im Hier und Jetzt zu sein. Die Begeisterung, die Kinder für neue Situationen aufbringen können, die Neugierde, mit der Kinder ihre Welt entdecken und die Freude an Kleinigkeiten, wie einen Marienkäfer zu beobachten, kann uns Erwachsene sehr viel lehren.

Warum sollten Kinder also Yoga machen, wenn sie doch sowieso fest im Hier und Jetzt verankert sind? Was bringt Yoga Kindern überhaupt, wo sie doch sowieso beim Spielen im Fersensitz sitzen, über den Boden robben oder durch den Wald rennen?

Leider fordert das Computerzeitalter seinen Tribut: Immer mehr Kinder verbringen ihre Freizeit vor dem Computer, mit dem Handy oder Videospielen. Dazu kommt noch der Leistungsdruck in der Schule und der Vergleich mit gleichaltrigen Kindern. Auch der immer schneller werdende Informationsfluss und die zahlreichen außerschulischen Aktivitäten, die Eltern ihren Kindern aufhalsen, ersticken die Fantasie und untergraben die Fähigkeit der Kinder, sich selbst zu erfahren und zu entdecken. Kinder verlernen, sich selbst kleine Ruheinseln zu schaffen. Sie wissen nicht, wie sie mit ihren Emotionen umgehen sollen, die sich während des vollgestopften Alltags ansammeln.

Auf welche Weise profitieren Kinder von Yoga?

Yoga bringt Kinder wieder in einen Zustand des „Kindsein-Könnens“. Sie können ihrer Fantasie freien Lauf lassen und sich in eine neue Welt hineinbegeben. Eine Welt, die ihnen ermöglicht, sich ohne Leistungsdruck und Vergleich spielerisch mit sich und ihrem Körper zu beschäftigen. Viele Kinder lernen hier erstmals, wie sie den inneren „Druck“ loswerden können und dass sie auch mal schreien oder wütend sein dürfen. Das Yoga gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Aufmerksamkeit nach innen zu lenken aber auch mal laut und stark zu sein. Sie können erfahren, wie es ist, sich selbst zurückzuziehen und sich auf der anderen Seite auch mal mutig wie ein Löwe zu fühlen.

Die Wirkung von Yoga auf Kinder ist nachhaltig und umfassend wissenschaftlich belegt. Neben der Verbesserung der muskulären Leistungskraft beruhigt Yoga bei Kindern die Atmung, baut Spannungen ab, verbessert die Koordinationsfähigkeit sowie die Konzentration und wirkt positiv bei ADS und ADHS. Auch konnten positive Effekte auf das visuelle Erinnerungsvermögen und positive Veränderungen auf das Wohlbefinden, die psychische Stabilität sowie ein verbessertes Sozialverhalten nachgewiesen werden.

Wie unterscheidet sich Kinderyoga von Erwachsenenyoga?

Der größte Unterschied ist die Art und Weise der Vermittlung: Während in einem Yogakurs mit Erwachsenen die Haltungen erklärt werden, sind Kinder die Übung selbst. Macht ein Erwachsener einen herabschauenden Hund, erklärt der Lehrer die Fuß- und Handposition. Kleinkinder (und auch Schulkinder bis zu einem gewissen Alter) springen dagegen direkt in den Hund und bellen laut! Während ein Erwachsener also genau das macht, was der Lehrer sagt und vorzeigt, verinnerlichen Kinder eine Übung in ihrem ganzen Sein und empfinden das Gefühl, das mit der Übung mitschwingt.


In diesem Video kannst du mit Nicole Bongartz und ihrer Tochter Suri eine Yoga-Sequenz für Kleinkinder und deren Eltern üben:


Das erleichtert in gewisser Weise das Anleiten der Übungen, da du als Lehrer hier nicht wie in einem Kurs mit Erwachsenen auf die Ausrichtung des Körpers eingehst, sondern eher das Thema der Übung, also das Tier oder deren Eigenschaften in den Vordergrund stellst. Aber es ist auch eine kreative Herausforderung: Kinder freuen sich nämlich sehr über schöne Geschichten zu den Yoga-Übungen, gestalten oftmals die Geschichte oder die Übungen mit – und sind alles andere als ruhig dabei! Kinder brauchen die Bewegung, genießen das „Kindsein-Können“ und gerade auch das „Nichts-Müssen“ im Yoga sehr.

Das Yoga mit Kindern ist also ganz anders als mit Erwachsenen und sehr im „Hier und Jetzt“ verwurzelt. Immer spannend, immer aufregend und vor allem neu. Keine Stunde ist gleich, sondern wie die Kinder selbst – voller Überraschungen!

Ab welchem Alter sind Kinderyoga-Stunden sinnvoll?

Grundsätzlich können schon die Kleinsten Yoga machen. Das Yoga sollte sich jedoch dem Alter anpassen. Kleinere Kinder bis vier Jahre machen zwar mal einen Hund oder eine Katze, können sich jedoch noch nicht lange konzentrieren. Hier ist spielerisches Herangehen gefragt. Längere Yoga-Einheiten sind erst ab fünf Jahren sinnvoll. Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren, also im Kindergartenalter, brauchen dabei eher einen Wechsel zwischen Yoga-Übungen, Geschichten und Spielen. Grundschulkinder möchten dann schon ernsthafter Yoga üben.

Ab dem Alter von zehn bis 14 Jahren wollen die Prä-Pubertierenden dann schon wie Erwachsene Yoga üben, wobei man hier auch noch dem Alter entsprechend bestimmte Übungen einbauen kann, die Themen der Jugendlichen aufgreifen.


Diese Sequenz ist für Teenager geeignet und übt den Umgang mit Emotionen, die in der Pubertät hochkommen können:


6 Tipps, wie Eltern ihr Kind am besten an Yoga heranführen können

1. Vormachen, vorlesen, Yoga-Karten

Am besten übst du selbst Yoga. Meist werden die Kleinen dann sofort neugierig und machen die Übungen einfach nach. Gut funktionieren auch Yoga-Geschichten, in denen viele Tiere vorkommen und die du dann jeden Tag ein Stück weiter erzählen kannst. Dann bleiben die Lust und Spannung erhalten. Diese Tiere kannst du dann zusammen nachmachen.

Es gibt auch schöne Bücher mit Yoga-Geschichten. Dadurch kannst du Vorlesen mit Yoga-Übungen verbinden und so zwei Aspekte zusammenbringen, die Kleinkindern Freude machen. „Sina und die Yoga-Katze” von Ursula Karven eignet sich perfekt für Vier- bis Siebenjährige.

Für Schulkinder eignen sich Yoga-Karten sehr gut, auf denen die Wirkungen aufgeführt sind. Dann können die Kinder selbst Karten nach dem Zufallsprinzip ziehen (Kinder freuen sich sehr, wenn das Thema zufällig zu ihrem Leben passt!). Oder einfach Übungen auswählen, auf die sie gerade Lust haben. Wer nicht selbst Karten basteln möchte, findet in „Fröhliche Verse zum Kinder-Yoga” von Elke Gulden und Bettina Scheer Asana-Anleitungen in Form von bildhaften Versen sowie Entspannungsgeschichten (geeignet für Kinder von vier bis zehn Jahren).

2. Selbst unterrichten lassen

Kinder spüren intuitiv, was ihnen guttut und was nicht. Wenn ein Kind mal eine Übung vorführen möchte, kannst du das ruhig zulassen und mitmachen. Das stärkt das Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

3. Viel erklären

Während Erwachsene einfach oft das machen, was der Yogalehrer oder die Yogalehrerin sagt, interessiert Kinder brennend, warum man etwas macht und wozu es gut ist. Das hilft ihnen, die Übungen auch mal alleine zu machen. Ein Beispiel: Wie ein Löwe in ein Kissen zu brüllen, hilft sehr gut, wenn man wütend ist (Erklärung für die Eltern: Die verlängerte Ausatmung wirkt beruhigend).

4. Auf keinen Fall zum Yoga „schicken“!

Wenn ein Kind eigentlich Fußball spielen möchte, sollte man in dem Fall lieber dem Fußball zustimmen, als das Kind gegen seinen Willen in einem Yoga-Kurs anzumelden. Die Chance, dass die Kinder dann freiwillig doch mal eine Übung probieren möchten, weil die Mutter immer so gute Laune danach hat, ist weit größer...

5. Alles kann – nichts muss

Yoga wirkt bei Kindern sehr gut, weil sie dort loslassen können. Das funktioniert nur, wenn sie nichts müssen. Korrekturen sind im Kinder-Yoga nicht empfehlenswert. Wichtig ist, dass die Kinder sich in die Tiere hineinfühlen, dass sie in Kontakt mit ihren Gefühlen kommen. Also viel loben und üben, solange es Spaß macht. Die Zeit ist hier nicht so wichtig, denn bei Kindern wirken die Übungen viel schneller, da die Kleinen noch sehr offen und ohne Vorurteile sind.

Zum Vergleich: Eine Minute Entspannung wirkt bei Kindern in etwa wie zehn Minuten Entspannung bei einem Erwachsenen.

6. Krönender Abschluss

Am Ende des Yoga sollte immer eine kleine „Belohnung“ stehen: Ein toller Abschluss ist es, ein Yoga-Bild zu malen oder einer Entspannungs-Geschichte zu lauschen.

Wer darf Kinderyoga unterrichten?

Im Allgemeinen gibt es keine spezifische Berufsgruppe, die exklusiv Kinderyoga unterrichten darf. Kinderyoga kann von zertifizierten Yogalehrer:innen, Pädagog:innen, Erzieher:innen, Therapeut:innen oder anderen Fachleuten mit Erfahrung im Umgang mit Kindern und im Yoga unterrichtet werden.

Du darfst Kinderyoga unterrichten, wenn du die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hast. Wenn du daran interessiert bist, Kinderyoga anzubieten, solltest du eine qualifizierte Yoga-Ausbildung absolvieren. Yogalehrer:innen können sich das nötige Zusatzwissen über Kinderyogaausbildungen aneignen.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Unterricht von Kinderyoga besondere pädagogische Fähigkeiten erfordert, um die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Kinder angemessen zu berücksichtigen und ihnen eine sichere und positive Yoga-Erfahrung zu bieten. Der Unterricht sollte altersgerecht gestaltet sein und den Fokus auf spielerische Übungen, Fantasie, Kreativität und Entspannung legen. 


5 beliebte Kinderyoga-Übungen

Die folgenden Übungen stammen aus dem Buch „Yoga Quatsch Kids“.

1. Atemübung für Kinder: Plüschtier auf hoher See

Bei der ersten Atemübung kannst du sehr gut sehen, wie sich dein Körper beim Atmen verändert. Du legst dich bequem auf den Rücken, dein Lieblingskuscheltier legst du auf deinen Bauch. Dann atmest du durch die Nase tief ein. Dabei weitet sich dein Brustkorb und dein Bauch hebt sich ein bisschen, also auch dein Kuscheltier. Beim Ausatmen durch die Nase senkt sich dein Bauch automatisch und dein Kuscheltier auch. Es bewegt sich so, als würde es bei sachtem Wellengang durchs Meer schippern. Beim Einatmen kommt es hoch und beim Ausatmen senkt es sich. Mit der Kuscheltieratmung kommt man superschnell zur Ruhe. Wenn du gerade kein Kuscheltier bei dir hast, kannst du auch deine Hand auf deinen Bauch legen und der Bewegung nachspüren. Ganz schön chillig.


Kinderyoga: Entspannung, Atemübung

2. Pieselndes Einhorn: Adho Mukha Svanasana

  • Geh auf alle viere und strecke dann den Po nach oben, sodass du auf Füßen und Händen stehst.
  • Die Hände stehen schulterbreit auseinander, die Finger sind gespreizt.
  • Deine Füße stehen hüftbreit auseinander.
  • Nun hebst du erst das eine Bein und hältst es ein paar Atemzüge, dann das andere.

Kinderyoga-Übung: Pieselndes Einhorn – Adho Mukha Svanasana

3. Abhängen und lachen – Padahastasana

  • Du stehst aufrecht da, deine Beine sind hüftbreit auseinander.
  • Jetzt streckst du dich nach oben und bringst die Arme über den Kopf.
  • Beim Ausatmen beugst du dich mit geradem Rücken nach vorne.
  • Nun versuchst du, mit den Händen deine Zehen zu
  • berühren.
  • Du darfst dabei am Anfang auch die Knie anwinkeln. Und jetzt ganz wichtig:
  • lachen.

Padahastasana

4. Durchs Fernrohr gucken – Ardha Matsyendrasana

  • Du sitzt mit gestreckten Beinen da.
  • Hebe dein rechtes Bein über dein linkes und stell den rechten Fuß neben dem linken Knie auf.
  • Mit dem linken Arm greifst du um das rechte Knie.
  • Dann streckst du den rechten Arm nach oben und drehst dich nach rechts.
  • Die Hand legst du dann auf dem Boden ab.
  • Kannst du mit deinem Fernrohr nach hinten gucken?
  • Mach die Übung auch auf der anderen Seite.

Durchs Fernrohr gucken – Ardha Matsyendrasana

5. Seekranke Krabbe – Chatus Pada Pitham

  • Du sitzt wieder mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden.
  • Deine Hände sind hinter deinem Körper aufgestützt, die Finger zeigen nach vorne.
  • Du ziehst dann die Füße heran und hebst den Po an.
  • Nun mache wie eine Krabbe ein paar Schritte von einer Seite zur anderen.

Seekranke Krabbe – Chatus Pada Pitham


Tanja Mairhofer: Yoga Quatsch Kids

 

 

 

Viele weitere Tolle Kinderyoga-Übungen und Übungsreihen findest du im Buch Yoga Quatsch Kids von Tanja Mairhofer (TRIAS Verlag).

 

 


Bildquellen:

  • Übungsbilder: © S. Schneider/Thieme
  • Zeichnungen: © Grafikbüro Schaaf/Thieme

 

Romana Lorenz-Zapf
Romana Lorenz-Zapf
Romana Lorenz-Zapf hat zwei Yogastudios in Hamburg und Wiesbaden. Sie ist Yogalehrerin E-RYT 500 der AYA und als Teacher Training Director des UNIT Yoga zertifiziert. Zudem ist sie Registered Childrens Yoga Teacher sowie Prenatal Yoga Teacher (RCYT AYA/ RPYT AYA). Ihr Ziel ist es, Menschen durch Yoga zu erreichen und sie ihrer wahren Natur näher zu bringen.