
10 Fragen an Nadeen Mirza
1. Was ist Yoga für dich in 3 Worten?
Verbindung – zu mir selbst, zu der Welt, den Seelen um mich herum und zu etwas „Höherem”.
Zuhause – mich bringen die verschiedenen Techniken der Yoga-Praxis an einen inneren Ort des Friedens und der Harmonie.
Eigenmächtigkeit – durch die Praxis nehmen ich mich wahr, fühle, was richtig für mich ist und was nicht. Zugleich gibt mir die Praxis den Mut, meine Entscheidungen danach auszurichten und die Energie, sie dann auch umzusetzen.
2. Wenn du einen Song aussuchen könntest, der jedes Mal gespielt wird, wenn du einen Raum betrittst, welcher wäre es?
Obwohl ich meine längeren Yogaklassen mit auf die Sequenz abgestimmten Playlists unterrichte, präferiere ich sonst eher Ruhe. Ebenso habe ich zu Hause nur wenige Bilder an den Wänden. Vielleicht liegt das daran, dass ich nebenbei auch Architektin bin: Ich brauche eher den Raum und die Ruhe, damit sich die eigenen Gedanken, Stimmungen und Bilder entfalten können.
3. Was hast du direkt nach der ersten Yogastunde, die du besucht hast, über Yoga gedacht?
Ich erinnere mich, dass ich noch in der Stunde selbst in der Yogaposition „Krieger II” stand und total euphorisiert war. Ich fühlte mich so lebendig und hatte das Gefühl, mich von innen heraus ausdrücken zu können!
4. Welche Tugend würdest du am liebsten besitzen?
Ich würde gerne jeden Tag jemanden glücklich machen, oder wenigstens ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Zugegeben: Das ist eher ein Lebensstil als eine Tugend, mir aber gerade wichtig. Es reichen ja oft kleine Dinge. Bei nahen Menschen, fremden Menschen, am liebsten bei denen, die sonst meist nicht gesehen werden. Das ist eine so leichte und unmittelbare Möglichkeit, mit der wir im Alltag und ganz nebenbei dazu beitragen können, diese Welt schöner zu machen. Und durch den Schneeballeffekt kann das weitere Kreise ziehen.
5. Warum hast du dich entschieden, Yoga auch zu unterrichten? Was ist das Besondere an deinem Unterricht?
Das war keine Entscheidung, sondern ein Prozess, der sich ganz natürlich entfaltete. Dass Yoga in meinem Leben war und immer sein wird, war klar. Dass ich Yoga unterrichten würde, konnte ich mir dagegen lange nicht vorstellen. Ich hatte viel zu viel Respekt davor, mich vor eine Gruppe von Menschen zu stellen und sie anzuleiten. Dann aber sagte meine damalige Lehrerin zu mir: „Und weil du Angst hast, gehst du nicht dahin, wo dein Licht ist?” Das war einer dieser entscheidenden Sätze, die das Leben verändern können. Der Knoten platzte und ich bin nun sehr glücklich, mit meinen Schüler:innen das zu teilen, was mich und mein Leben selbst so bereichert hat. Mit anderen Seelen zu connecten ist das Schönste, was ich erleben darf.
Mir wird oft gespiegelt, dass ich sehr authentisch unterrichte und eine nahbare Lehrerin bin. So empfinde ich das auch. Zudem versuche ich die Klassen so zu gestalten, dass die Teilnehmenden sich ganz in den Fluss von Atem und Bewegung hineinfallen lassen können. Mal unterrichte ich eher sinnlich und fein, mal auch spielerisch und kreativ – je nach Stimmung.
6. Was weckt dein Prana: Smoothie oder Kaffee?
Ehrlich gesagt, weder – noch. Mein (fast) tägliches Morgenyoga weckt meine Energie. Danke an dieser Stelle an die Schüler:innen meiner „Morgenroutine”, deretwegen ich mich noch besser disziplinieren kann, morgens früh aufzustehen, um gemeinsam auf die Matte zu gehen. Und es ist eine wirklich schöne Gemeinschaft, die mir viel bedeutet.
7. Mit welchem Sofort-Trick begegnest du stressigen Situationen?
So einfach und doch wahr: Tief und ruhig atmen. Über den Atem haben wir direkten Einfluss auf unser vegetatives Nervensystem und können unseren Herzschlag wieder verlangsamen, unseren Blutdruck senken und uns somit beruhigen. Das ist schon großartig.
Und eine sehr hilfreiche Lehre aus der Yogaphilosophie ist vairagya (sanskrit), das bedeutet Gelassenheit – die Dinge und sich nicht immer zu ernst zu nehmen. Dies hilft mir in meinen beiden Berufen (als Yogalehrerin und als Architektin), mich nicht zu sehr und nicht zu lange in stressige Situationen hineinziehen zu lassen. Ein Garant für mehr gute Laune!
Mehr zu vairagya erfährst du in Kapitel 1, Vers 15 von Patanjalis Yogasutra.
8. Wie ehrgeizig bist du? Leidest du unter den Ansprüchen, die du dir selbst stellst?
Ich war in meiner Kindheit recht ehrgeizig. Eine gute Verliererin zu sein, gehörte nicht zu meiner Kernkompetenz... Und auch zu Beginn meiner Tätigkeit als Yogalehrerin habe ich es mir mit meinen Ansprüchen an mich selbst immer wieder schwer gemacht, indem ich meinen Unterricht kritisiert und dies und jenes bemängelt habe. Kritik kann gut und förderlich sein, aber wenn sie ein gewisses Maß überschreitet, wird sie hinderlich.
Dank der Yogaphilosophie und sicherlich auch dank meines fortschreitenden Alters (jetzt 48) hat sich dies zum Glück verändert: Empathie ist für mich eine der wichtigsten Tugenden, die wir kultivieren können. Das gilt für den Umgang mit anderen sowie mit uns selbst. Durch das stete Wiederholung dieses Wertes (ich mach es auch gerne zum Thema in meinen Yogaklassen), habe ich ihn mehr und mehr verinnerlicht und bin nun sehr viel liebevoller im Umgang mit mir selbst und somit zufriedener.
9. Wenn du eine Superpower auswählen dürftest, welche wäre es?
Ich fände es ziemlich cool, wenn ich mich irgendwo hin beamen könnte. Dann könnte ich mal eben meine Familie in meiner Heimat zum Essen besuchen oder meine Freund:innen zu persönlichen Gesprächen auf dem Sofa. Ich könnte mich nach Alaska, Norwegen, Indonesien beamen und die Welt erkunden. Und vielleicht könnte ich mich ja auch zu meiner Oma beamen, die vielleicht irgendwo im Sonnenuntergang wohnt. Das wäre schön.
10. Was kann Yoga – und was kann Yoga nicht?
Ich glaube, das ist ähnlich wie bei allem, was uns befähigen kann: Es kommt darauf an, wie man es interpretiert und wie man es anwendet.
Yoga KANN unsere körperliche Gesundheit und Befinden fördern, uns in ein seelisches Gleichgewicht bringen, uns zu mitfühlenderen und authentischeren Menschen machen, uns unserer Spiritualität näher bringen etc. Genauso KANN Yoga (bei entsprechender Anwendung) auch das Gegenteil bewirken – wir können uns etwa verletzen (bei zu viel Ehrgeiz oder schlecht ausgebildeten Lehrenden), „spiritual bypassing” betreiben statt Spiritualität in der Begegnung zu leben usw.
Yoga reduziert auch nicht automatisch das Ego. Genau das Gegenteil kann auch passieren. Daher ist es wichtig, all den wertvollen Anteilen unseres Seins Raum zu geben: Unserem Körper, unseren Gefühlen, unserer Seele, unserem Herzen, unserer Spiritualität und eben auch unseren kognitiven Fähigkeiten, um immer wieder die gesunde Balance zu finden.
Yoga kommt ja von „yui”, was frei übersetzt „verbinden” bedeutet. Verbinden wir all diese unterschiedlichen Anteile miteinander. Sie wurden uns für unser Leben hier geschenkt. Nutzen wir sie. Yoga kann uns sehr dabei helfen, zu ihnen vorzudringen.